Suche nach Dinosaurier-Killer geht weiter
von Stefan Deiters astronews.com
20. September 2011
Die Asteroidenfamilie, zu der nach Ansicht mancher
Astronomen der Brocken gehörte, der durch seinen Einschlag auf der Erde das Ende
der Dinosaurier besiegelte, steht sehr wahrscheinlich zu Unrecht unter Verdacht.
Das ergab die Auswertung von Daten des Wide-field Infrared Survey Explorer
(WISE) der NASA. Woher der tödliche Asteroid kam, ist somit weiter offen.

Beim Auseinanderbrechen eines großen
Asteroiden könnte einst der Brocken entstanden
sein, der durch seinen Einschlag auf der Erde für
das Ende der Dinosaurier sorgte.
Bild: NASA/JPL-Caltech |
Das Ende der Dinosaurier und einiger anderer Lebensformen auf der
Erde wurde, so die allgemein anerkannte Theorie, durch den Einschlag eines
großen Asteroiden vor rund 65 Millionen Jahren besiegelt. Doch woher kam dieser
tödliche Brocken und wie gelangte er auf Kollisionskurs mit der Erde? 2007
glaubte eine Gruppe von Wissenschaftlern mit Hilfe von Beobachtungen im
sichtbaren Bereich des Lichts eine Antwort gefunden zu haben: Der
Dinosaurier-Killer war ursprünglich Teil eines größeren, Baptistina genannten
Asteroiden (astronews.com berichtete). Dieser, so die These, war vor rund 160
Millionen Jahren mit einem anderen Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und
Jupiter kollidiert. Eines der bei dem Zusammenstoß entstandenen Trümmerteile ist
dann später auf der Erde eingeschlagen.
Astronomen kennen zahlreiche sogenannte Asteroidenfamilien. Es handelt
sich dabei um eine Reihe von Brocken, die auf einer ähnlichen Umlaufbahn um die
Sonne kreisen und vermutlich alle durch das Zerbrechen eines größeren Asteroiden
nach einer Kollision entstanden sind. In den vergangenen Jahren mehrten sich
bereits die Hinweise darauf, dass der Dinosaurier-Killer wohl doch nicht zur
Baptistina-Familie gehört hat. Daten des Wide-field Infrared Survey
Explorer (WISE) liefern dafür nun weitere Anhaltspunkte. Das
NASA-Infrarot-Weltraumteleskops WISE hat von Januar 2010 bis Februar 2011 den
gesamten Himmel zwei Mal im Infraroten erfasst (astronews.com berichtete).
"Nach den Untersuchungen des WISE-Wissenschaftsteams bleibt die Frage nach
dem Schuldigen am Aussterben der Dinosaurier weiter ungeklärt", so Lindley
Johnson vom NASA-Hauptquartier in Washington, der dort für das Near Earth
Object (NEO)-Beobachtungsprogramm zuständig ist. "Die ursprünglichen, auf
Beobachtungen im sichtbaren Licht basierenden Berechnungen haben Größe und
Reflexionsvermögen der Mitglieder der Baptistina-Familie abgeschätzt und damit
auf ihr Alter geschlossen. Wir wissen nun, dass diese Zahlen nicht korrekt
waren. Mit WISE konnten wir im Infraroten genauere Schätzungen machen und diese
scheinen nicht zum zeitlichen Ablauf der Baptistina-Theorie zu passen."
Bei seiner Himmelsdurchmusterung hat WISE insgesamt 157.000 Asteroiden
im Asteroidengürtel erfasst und dabei mehr als 33.000 neue Brocken entdeckt.
Wenn man das Reflexionsvermögen eines Himmelskörpers nicht kennt, ist es
schwierig, allein aus seiner sichtbaren Helligkeit auf die Größe zu schließen.
Im Infraroten ist dies einfacher, da man so auch die Strahlung des Asteroiden
selbst beobachten kann, die im infraroten Bereich des Spektrums liegt und mit
Temperatur und Größe in Zusammenhang steht. Kennt man dann die Größe, lässt sich
das Reflexionsvermögen mit Hilfe der Beobachtungen im sichtbaren Bereich des
Lichts berechnen.
Im Rahmen des Projekts NEOWISE wurden Reflexionsvermögen und Größe von etwa
120.000 Asteroiden im Asteroidengürtel bestimmt, darunter auch von 1.056
Mitgliedern der Baptistina-Familie. Mit Hilfe dieser Daten errechneten die
Wissenschaftler den Zeitpunkt, zu dem der Ursprungskörper der Familie
auseinandergebrochen sein muss: vor rund 80 Millionen Jahren und damit vor
deutlich kürzerer Zeit als bislang vermutet.
Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hat das Team unter Berücksichtigung der
neuen Daten berechnet, wie viel Zeit die einzelnen Objekte benötigten, um an
ihre heutige Position zu gelangen. Die Bahnen kleinerer Brocken driften nämlich
schneller auseinander als die größerer Brocken. Nach den neuen Berechnungen muss
ein Trümmerteil von Baptistina die Erde also in nur 15 Millionen Jahren erreicht
haben, um für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich sein zu können.
"Das lässt den Trümmerteilen der Kollision nur sehr wenig Zeit, um einen
Resonanzpunkt zu erreichen, von dem aus sie vor 65 Millionen Jahren dann
Richtung Erde geschleudert werden konnten", so Amy Mainzer, verantwortliche
Wissenschaftlerin für NEOWISE am Jet Propulsion Laboratory der NASA und
Co-Autorin eines Fachartikels über die Bestimmung von Reflexionsvermögen und
Durchmesser der Asteroiden mit Hilfe von WISE, der in der Zeitschrift
Astrophysical Journal erscheint. "Dieser Prozess dauert normallerweise
viele zehn Millionen Jahre." Die Resonanzregionen sind bestimmte Bereiche im
Asteroidengürtel, wo der gravitative Einfluss von Jupiter und Saturn dafür
sorgen kann, dass ein Asteroid aus dem Asteroidengürtel gekickt und ins innere
Sonnensystem Richtung Erde gelenkt wird.
Die Asteroidenfamilie, die für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich
ist, bleibt damit weiter unentdeckt. Vielleicht können die Daten von WISE den
Forschern aber bei der Suche helfen: "Wir arbeiten an einem Stammbaum von
Asteroiden", so Joseph Masiero, der Leiter der Untersuchung. "Dadurch bekommen
wir ein besseres Bild davon, wie Asteroiden im Asteroidengürtel kollidiert sind
und sich ihre Bruchstücke vermischt haben."
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