Deutliche Hinweise auf vulkanische Aktivität
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. April 2010
Gibt es auf unserem Nachbarplaneten Venus noch vulkanische Aktivität? Ja,
meinen jetzt Wissenschaftler nach Auswertung von Infrarot-Daten des
Spektrometers VIRTIS an Bord der europäischen Sonde Venus Express.
Letzte Unsicherheiten müssten allerdings noch beseitigt werden. Die Forscher
veröffentlichten ihre Resultate jetzt in der Fachzeitschrift Science.

Die Abbildung zeigt den Vulkan Idunn Mons auf
der Venus. Die farbig gekennzeichneten Bereiche
zeigen das Wärmemuster der Region und basieren
auf den Daten des Spektrometers VITRIS auf der
europäischen Sonde Venus Express. Die wärmsten
Gebiete sind in rot-orange, die kühlsten in
leichtem Violett dargestellt.
Bild: NASA / JPL / ESA [Großansicht] |
Bereits seit dem 11. April 2006 umkreist die Sonde Venus Express der
europäischen Weltraumagentur ESA den Planeten, der ständig unter einer dichten Wolkendecke verborgen liegt. In einer elliptischen Bahn um die Venus überfliegt die Sonde die Pole der
Venus in einer Entfernung zwischen 66.000 und 300 Kilometern. Mit an Bord: das Infrarot-Messinstrument VIRTIS
(Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer), das als einziges durch so genannte
"atmosphärische Fenster" bis auf die Oberfläche der Venus blicken und die Wärmestrahlung des Planeten in verschiedenen Höhen registrieren kann.
"In ganz bestimmten Infrarot-Bereichen sehen wir das Glühen der Oberfläche", erklärt
Jörn Helbert vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) und Mitglied des VIRTIS-Teams.
Neun "Hotspots", also Gebiete mit einer aktiven großen unterirdischen Magma-Kammer, könnten nach der Auswertung der Daten sehr wahrscheinlich vulkanisch aktiv sein.
"Die erstarrten Lavaflüsse, von denen die Wärmestrahlung an der Oberfläche ausgeht, scheinen kaum verwittert zu sein. Daher gehen wir davon aus, dass sie jünger als 2,5 Millionen Jahre sind - die meisten sehr wahrscheinlich sogar jünger als 250.000 Jahre", sagt Helbert.
"Für Geologen bedeutet ein solches Alter fast schon die Gegenwart." Möglich seien auch kleinere Vulkanausbrüche und Lavaflüsse, die sich auf sehr begrenzte Regionen beschränkten. Den Forschungsbericht über die vulkanische Aktivität der so genannten Hotspots
veröffentlichen Helbert und sein Kollege Nils Müller jetzt zusammen mit anderen
Wissenschaftlern in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.
Wie auf der Erde ist es auch auf der Venus in Bergen kälter und in Tälern wärmer. Die Atmosphäre der Venus ist jedoch so dicht, dass sie die Temperatur der Planetenoberfläche vollständig bestimmt. Daher können die Wissenschaftler die Temperaturen der Oberfläche in Modellen vorausberechnen. Die Daten, die VIRTIS im vergangenen Jahr aufzeichnete, zeigen jedoch an verschiedenen Stellen auf dem Planeten eine Abweichung von zwei bis drei Grad Celsius zur vorhergesagten Temperatur.
"Das kann daher kommen, dass unterschiedliche Gesteine vorliegen, die sich auch thermisch unterschiedlich verhalten." Im Blick von VIRTIS sind die Hotspots der Regionen Imdr, Themis und Dione, die sich bis zu 2,5 Kilometer über der Ebene erheben und als wahrscheinlichste Gebiete für aktiven Vulkanismus gelten. Die Auswertung der Daten ist dabei für die Forscher schwierig:
"Die Wolkendecke versperrt unseren Blick auf die Oberfläche, und wir müssen ihren Effekt aus den Daten
heraus rechnen. Trotzdem sieht es am Ende wie ein Blick durch eine
Milchglasscheibe aus."
Welche Materialien die auffällige Wärmestrahlung auf der Venus absondern, können
die Wissenschaftler bisher hingegen noch nicht sagen. In einem weiteren Schritt
baut Helbert deshalb am DLR-Institut für Planetenforschung ein Labor (Planetary Emissivity Laboratory) auf, in dem verschiedene Gesteine auf eine für die Venus typische Temperatur von 500 bis 600 Grad Celsius gebracht werden. Anschließend werden - so wie VIRTIS aus dem Weltall auf die Venus blickt - deren Emissionseigenschaften in verschiedenen Wellenlängen gemessen. Im Vergleich mit den Daten von VIRTIS können die Wissenschaftler dann die bis jetzt noch offene Frage nach den Bestandteilen der Venusoberfläche klären.
Bereits 25 Raumsonden waren vor Venus Express im Einsatz, um den "Abendstern" zu erforschen. Bei
Venus Express greifen die Wissenschaftler daher teilweise auf bewährte Systeme zurück: So übernahm man Entwicklungen der europäischen Marssonde
Mars Express. VIRTIS selbst wurde ursprünglich für die ESA-Kometensonde
Rosetta beim DLR in Berlin konstruiert.
Eine bedeutende Vorläufermission bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA war die Radar-Kartierung durch die Raumsonde
Magellan, deren Kartenmaterial bereits auf hunderte Vulkane schließen ließ. Allerdings nahm man zunächst an, dass diese allesamt erloschen seien. Neben VIRTIS kreisen sechs weitere Experimente mit
Venus Express um den heißen Planeten, die unter anderem die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Temperatur aufzeichnen sollen.
Sollten weitere Auswertungen bestätigen, dass die Venus vulkanisch aktiv und somit der erste terrestrische geologisch aktive Planet neben der Erde ist, wäre dies eine Erkenntnis, die auch Rückschlüsse auf unseren Planeten zulassen würde. So ähnlich sich Erde und Venus von Größe und Aufbau sind, so verschieden sind sie nämlich in ihrer Entwicklung. Doch wann und warum verlief diese Entwicklung dann unterschiedlich, so dass die Erde Leben ermöglicht, während die 500 Grad Celsius heiße Venus ohne Wasservorkommen nur eine lebensfeindliche Umgebung bietet?
"Von der Venus können wir vielleicht lernen, was die Erde so besonders macht",
so Helbert.
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