Sonne spiegelt sich in einem Titan-See
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
18. Dezember 2009
Die Hinweise verdichten sich, dass es auf dem Saturnmond
Titan Seen gibt, die mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt sind:
Wissenschaftler haben in den Aufnahmen eines Spektrometers an Bord der
Planetensonde Cassini in der Nähe des Nordpols Spiegelungen entdeckt,
die durch Reflexionen der Sonnenstrahlung an der Oberfläche eines großen Sees
entstehen.

Das Bild zeigt eine Spiegelung, die durch
Reflektion des Sonnenlichts an einer glatten
Oberfläche auf dem Saturnmond Titan entsteht. Die
Oberfläche ist ein ausgedehntes Gewässer
flüssiger Kohlenwasserstoffe. Das Bild wurde bei
einer infraroten Wellenlänge von 5 Mikrometern
aufgenommen. Die Raumsonde befand sich zum
Zeitpunkt der Aufnahmen in einer Entfernung von
rund 200.000 Kilometern zum Titan; die
Bildauflösung beträgt ungefähr 100 Kilometer pro
Bildpunkt (Pixel).
Bild: NASA / JPL / University of Arizona
/ DLR
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"Wir sind sicher, dass diese Reflexionen von einer Flüssigkeit in einem
stehenden Gewässer herrühren", erklären Dr. Katrin Stephan und Prof. Ralf
Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung. Die Wissenschaftler vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden ihre Beobachtung heute
auf der Jahrestagung der Amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung (AGU) in
San Francisco vorstellen.
Der beobachtete See heißt Kraken Mare und ist nach einem Seeungeheuer der
nordischen Sagen benannt. Mit einer Fläche von bis zu 400.000 Quadratkilometern
ist dieses Gewässer größer als das Kaspische Meer, der größte See auf der Erde.
Die Beobachtungen gelangen mit dem Spektrometer VIMS (Visual and Infrared
Mapping Spectrometer) während des 59. Titan-Vorbeifluges am 8. Juli 2009.
Nach der Aufbereitung der Daten erkannten die Forscher am Kraken Mare in der
nördlichen Polarregion des Titan ein sehr helles, infrarotes "Glänzen", ähnlich
dem spiegelnden Glitzern von sichtbarem Sonnenlicht auf einer Wasseroberfläche.
"Wir denken, dass in der Natur nur die Oberfläche einer Flüssigkeit so glatt
sein kann", erklärt Stephan. "Eine Eisfläche - selbst wenn sie zu Beginn
spiegelglatt ist - wird sehr schnell durch die Erosion, die schmirgelnde Wirkung
kleiner Partikeln und durch abgelagerte Bestandteile der Atmosphäre immer
rauer", ergänzt Jaumann.
Der Titan ist mit einem Durchmesser von 5.150 Kilometern der größte
Trabant des Ringplaneten. Als einziger Mond im Sonnensystem ist er von einer
dichten Atmosphäre umgeben, die keinen direkten Blick auf die Oberfläche
gestattet. Mit Spektrometern ist es jedoch möglich, in bestimmten Wellenlängen -
so genannten "atmosphärischen Fenstern" - Details der fast minus 180 Grad
Celsius kalten Eisoberfläche zu erfassen. Wegen ihrer Stickstoffatmosphäre, die
einige Ähnlichkeiten mit der frühen Lufthülle der Erde aufweist, ist der Titan
eines der interessanten Objekte der Planetenforschung.
"Bei den analysierten VIMS-Daten handelt es sich um das Phänomen einer
Spiegelung des Sonnenlichts an einer im Infraroten reflektierenden, glatten,
flüssigen Oberfläche", erklärt Stephan, die den "Glanz" in den VIMS-Daten
entdeckte. In diesen Wellenlängen des Spektrums erreicht ein nennenswerter Teil
des Sonnenlichts direkt die Oberfläche von Titan ohne die störende Streuung an
atmosphärischen Partikeln, wodurch Spiegelungen an der Oberfläche möglich
werden.
Auch ein Vergleich der VIMS-Messungen mit Cassini-Radaraufnahmen von früheren
Vorbeiflügen der Saturnsonde scheinen die Vermutung zu bestätigen, dass es sich
bei der Erscheinung um eine Spiegelung an einer glatten Oberfläche nahe der
südlichen Küstenlinie des Kraken Mare handelt, das in der nördlichen Hemisphäre
bei 71 Grad Nord und 337 Grad westlicher Länge liegt. Nur wenn die
Sichtgeometrie in der Spiegelreflexion liegt, nimmt das Infrarotsignal bei 5
Mikrometern über einer glatten Fläche markant zu. Die Fläche, bei der dies der
Fall ist, deckt sich mit Gebieten, die in den Radarmessungen sehr dunkel sind,
was ebenfalls auf relativ glatte Regionen hindeutet.
"Die neuen Messungen bestätigen einen stabilen Küstenverlauf des Kraken Mare
in den vergangenen drei Jahren, da VIMS die Spiegelungen an den Stellen
registrierte, die schon 2006 einen Hell-Dunkel-Grenzverlauf auf den
Cassini-Radaraufnahmen zeigten. Ebenso deuten die gemessenen Spiegelungen darauf
hin, dass das Kraken Mare-Becken vollständig mit einer Flüssigkeit gefüllt ist,"
interpretiert Jaumann, Mitglied des VIMS-Wissenschaftsteams und Leiter der
Cassini-Arbeitsgruppe am DLR die Beobachtungen.
Im bisherigen Missionsverlauf haben Cassini-VIMS-Wissenschaftler
herausgefunden, dass flüssiges Ethan auf Titan einen See in der Nähe des Südpols
füllt. Diese Substanzen sind selbst bei den tiefen Temperaturen auf Titan noch
flüssig. Jaumann und sein DLR-Team konnten Spuren von Flussläufen nachweisen,
die vermutlich durch Niederschläge gespeist werden. Dabei erodieren diese
fließenden Gewässer tief eingeschnittene Täler aus der eisigen Landschaft. Die
Vermutung lag nahe, dass die Kohlenwasserstoff-Ströme in Seen münden: Nahe dem
Südpol des Titan haben die Wissenschaftler des VIMS-Teams 2008 einen See
entdeckt, der mit flüssigem Ethan gefüllt ist.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein gemeinsames Projekt der NASA,
der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Italienischen Weltraumagentur
ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) im kalifornischen Pasadena
führt die Mission für das Wissenschaftsdirektorat der NASA durch. Der
Cassini-Orbiter wurde am JPL entworfen, entwickelt und gebaut. Das
VIMS-Team ist an der Universität von Arizona in Tucson angesiedelt. In
Deutschland beteiligen sich an dieser Mission das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mehrere Universitäten sowie
die deutsche Raumfahrtindustrie. Der finanzielle Anteil Deutschlands an der
Mission beträgt rund 120 Millionen Euro.
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