Geheimnis der Jupiterstürme gelüftet
Redaktion / MPG
astronews.com
11. November 2005
Der Gasriese Jupiter ist ein stürmischer Ort. Und während Sturmsysteme auf
der Erde nur wenige Tage in der Atmosphäre überleben, existieren sie auf Jupiter
über Jahrzehnte. Einem internationalem Forscherteam ist es nun gelungen, mit
neuen Computersimulationen die Entstehung der bandförmigen Windstrukturen auf
dem Jupiter zu erklären.
Aufnahme der Jupiter-Oberfläche durch die NASA-Sonde CASSINI.
Die Streifen sind farbige Ammoniakwolken, die ein System aus
starken westwärts und ostwärts gerichteten Winden widerspiegeln.
Foto: NASA
Vergleich der Windgeschwindigkeiten auf Jupiter
Das Bild zeigt farbcodierte Windgeschwindigkeiten in der
Computersimulation (rot entspricht ostwärts, blau westwärts) und
demonstriert, dass die Winde die gesamte äußere Gashülle
durchziehen. Weiter innen werden die Winde durch das Magnetfeld
abgebremst. Bild: Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung |
In der Jupiter-Atmosphäre toben gigantische Stürme hoher Geschwindigkeit, die
als bandförmige Strukturen in seiner Atmosphäre sichtbar werden. Diese Bänder
werden seit mehr als Hundert Jahren beobachtet, unklar blieb jedoch, wie genau
dieses komplizierte System aus entgegen gerichteten Strömungen genau entsteht.
Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, der
University of Alberta im kanadischen Edmonton, sowie der University of
California in Los Angeles, ist es jetzt gelungen, alle wichtigen
Eigenschaften dieser tobenden Gasströmungen in einem neuartigen
dreidimensionalen Computermodell zu beschreiben.
Dabei zeigt sich, dass die Winde bis zu 7.000 Kilometer in die
Planetenatmosphäre hineinreichen und von kleinräumigen turbulenten Strömungen
angetrieben werden, die durch Planetenkrümmung und Rotation in Bändern
organisiert werden. Ferner zeigen die Simulationen, warum die Winde in zwei
Klassen zerfallen - in starke, breite Jetwinde in Äquatornähe und schmale,
schwächere Windgürtel in höheren Breiten. Die Ursache ist in den Tiefen des
Planeten zu finden, wo die Atmosphäre aufgrund des immensen Drucks in einen
metallischen Zustand übergeht. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in
der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
Jupiter, der größte Planet unseres Sonnensystems, bietet einen faszinierenden
Anblick: Mehrere farbige Wolkenbänder scheinen den Planeten wie Gürtel zu
umfassen. Diese Bänder sind Ausdruck eines Systems aus extrem starken und
stabilen ostwärts und westwärts wehenden Jet-Winden. Ein Vergleich von Messungen
der Voyager-Mission aus dem Jahr 1979 mit neuen Messungen der Cassini-Sonde
zeigt, dass sich dies über die Jahre kaum verändert hat.
Die Winde wechseln ihre Richtung im Einklang mit den Wolkenbändern: Sie wehen
ostwärts auf der dem Äquator zugewandten Seite der dunklen Bänder, und westwärts
auf der dem Pol zugewandten Seite. Am stärksten ist der ostwärts gerichtete Jet
am Äquator, der Geschwindigkeiten von 170 Metern/Sekunde erreicht. Vergleicht man
die Jets untereinander, so stellt man fest, dass die um den Äquator gruppierten
Winde generell deutlich stärker und ausgeprägter sind als jene in höheren
Breiten.
Dem Forscherteam aus Deutschland, Kanada und den USA ist nun die erste
Computersimulation gelungen, die alle wichtigen Eigenschaften des
Jupiter-Windsystems erfolgreich modelliert und deren Ursachen klärt. Bisherige
Modelle zur Dynamik in der Jupiteratmosphäre lassen sich in zwei Gruppen
unterteilen: in tiefe und flache Modelle. Anhänger der flachen Modelle versuchen
Erfahrungen aus der Erd-Meteorologie auf die Jupiteratmosphäre zu übertragen.
Da
die Erdatmosphäre im Vergleich zum Erddurchmesser sehr dünn ist, kann sie durch
eine ebene Schicht angenähert werden. In diesen Modellen wird die
Breitenabhängigkeit nur stark vereinfacht berücksichtigt, was die
Computersimulationen enorm beschleunigt. Entsprechende Simulationen für Jupiter
zeigen, dass sich in der Tat mehrere Jets ausbilden, doch die Modelle versagen
an anderer Stelle: Danach weht der Jet am Äquator in die falsche Richtung, zudem
sind alle Jets ähnlich, und es fehlt die Unterscheidung in die beiden Klassen.
Friedrich Busse, Professor Emeritus der Universität Bayreuth, formulierte in
den 1970er-Jahren das erste Modell einer tiefen Atmosphärendynamik. Er wies
darauf hin, dass sich Erd- und Jupiteratmosphäre in einem wichtigen Punkt
unterscheiden: Auf der Erde wird die Atmosphäre durch die feste Oberfläche
begrenzt. Jupiter hingegen ist ein Gasplanet. Warum also sollten die Winde auf
eine dünne Schicht begrenzt bleiben?
Die Jupiter-Atmosphäre besteht zum
Hauptteil aus einem Wasserstoff-Helium-Gemisch. Darin nimmt der Druck mit
wachsender Tiefe zu, und da Jupiter so riesig ist, werden gigantische Drücke
erreicht. Irgendwann werden die Wasserstoffmoleküle so stark zusammen gepresst,
dass sich ein metallischer, elektrisch leitfähiger Zustand bildet. Ähnlich wie
in einer Wirbelstrombremse verhindert Jupiters starkes Magnetfeld schnelle
Bewegungen in den elektrisch leitfähigen tieferen Regionen, so dass die
Jetströme auf die äußeren zehn Prozent des Planetenradius begrenzt bleiben.
Auf der Idee von Friedrich Busse aufbauend simuliert das neue Computermodell nun
die Dynamik in dieser immerhin noch 7.000 Kilometer mächtigen Schicht. Dazu
wurde ein von Johannes Wicht am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in
Katlenburg-Lindau entwickeltes Programm verwendet, das konvektionsgetriebene
Flüssigkeitsbewegungen in einer rotierenden Kugelschale simuliert. Die
Ergebnisse dieser Simulationen zeigen eindrucksvoll, wie und warum sich Jupiters
Windsystem ausbildet.
Während die Sonnenwärme das Wettergeschehen in der Erdatmosphäre antreibt,
spielt bei Jupiter die im Inneren des Planeten gespeichert Wärme eine größere
Rolle. Diese mächtige Energiequelle treibt zunächst einmal kleinräumige
turbulente Konvektionsbewegungen an. Die Dynamik von Flüssigkeiten in
rotierenden Systemen (Planeten) weist jedoch einige Eigenheiten auf. So werden
etwa Strömungen bevorzugt, die sich nicht entlang der Rotationsachse ändern. Die
Konvektionsbewegungen wollen sich deshalb - ähnlich wie Tornados auf der Erde -
in zylinderförmigen Säulen organisieren. Dem steht jedoch die Kugelgestalt des
Planeten entgegen.
Kleinere turbulente Wirbel spüren die Planetenkrümmung kaum. Es gibt jedoch eine
Wirbelgröße, bei der der Einfluss der Krümmung ebenso wichtig wird wie die
antreibende Konvektion. Diese theoretisch hergeleitete Größe wird als
Rhines-Länge bezeichnet, nach Peter B. Rhines, Professor an der University of
Washington, Seattle, USA. Bei Wirbeln, deren Durchmesser die Rhines-Länge
erreicht, bewirkt die Planetenkrümmung, dass sich die konvektive
Bewegungsenergie in Form jener
beobachteten Jets organisiert wird. Die Rhines-Länge bestimmt somit die Breite
und also auch die Anzahl der Bänder.
Warum aber gibt es die zwei unterschiedlichen Jet-Klassen? Auch hier geben
die neuen Computermodelle Auskunft und bestätigen das ebenfalls in dem Nature-Artikel
vorgestellte theoretische Gesetz. Um den Äquator herum durchziehen die
Windsysteme den ganzen Planeten, sie erstrecken sich über Nord- und
Südhalbkugel. Das ändert sich für Breitengrade, bei denen die Winde mit der
elektrisch leitfähigen Gasschicht in Berührung kommen. Dort spüren sie neben der
äußeren Planetenkrümmung auch die stärkere Krümmung dieser inneren Begrenzung.
Berücksichtigt man dies in der Rhines-Länge, so stimmen Theorie, Simulation, und
Beobachtungen überein: Diese Jets sind schmaler und gehören zu einer anderen
Klasse als jene um den Äquator.
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