Mit einem einzigartigen Experiment, das ausschließlich in der
Schwerelosigkeit durchgeführt werden kann, wollen Forschende aus Cottbus die
Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Polkappen der Erde und die damit
verbundenen Veränderungen in Luft- und Meeresströmungen untersuchen.
AtmoFlow soll voraussichtlich 2026 oder 2027 zur Internationalen Raumstation ISS
starten.
Im Februar 2024 startete die zweite Phase des DLR-Projekts AtmoFlow. "AtmoFlow
bezeichnet die wissenschaftlichen Untersuchungen der konvektiven Strömung in
einem Kugelschalensystem, welches analog zu planetaren Strömungsfeldern
ist", erläutert Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers, der das Projekt leitet. Der
Förderzeitraum umfasst drei Jahre und eine Fördersumme von knapp 680.000
Euro. Mit AtmoFlow wird bereits zum dritten Mal ein von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
(BTU)
wissenschaftlich und technologisch koordiniertes Raumstationsexperiment in
den Orbit fliegen. Die Vorläuferexperimente GeoFlow I (2008-2009) und
GeoFlow II (2011-2018) waren bereits sehr erfolgreich von Cottbus aus
vorbereitet und durchgeführt worden.
Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers,
Lehrstuhlinhaber Aerodynamik und Strömungslehre der BTU und Leiter aller
drei Projekte, erklärt begeistert: "Das ist etwas sehr Besonderes. Es gibt
kaum eine andere deutsche Universität, die seit über 20 Jahren an so vielen
Raumstationsexperimenten teilgenommen hat." Dazu gehören auch zahlreiche
begleitende Bodenexperimente und Parabelflüge sowie Forschungsraketenflüge,
bei denen für kurze Zeit Schwerelosigkeit vorherrscht. Mit dem neuen
DLR-Projekt werden drei weitere Stellen für Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler gefördert.
Das Hauptanliegen des Atmospherical Flow (AtmoFlow)-Experimentes
liegt auf der Untersuchung atmosphärischer, konvektiver Strömungen im
Kugelspalt. Solche Kugelspalt-Experimente sind in den Disziplinen Geophysik,
Astrophysik und ganz besonders in der Atmosphärenforschung weit verbreitet
und von zentraler Bedeutung. Die Besonderheit der BTU-Technik ist ihre
Kugelgeometrie im Unterschied zu anderen häufig planaren, kartesischen
Experimenten. In AtmoFlow sollen Strömungen in sphärischer Geometrie unter
dem Einfluss eines zentralen Kraftfeldes ("Miniatur-Erde") untersucht
werden, die atmosphären-ähnlichen Randbedingungen ausgesetzt sind.
Diese
Versuchsanordnung kann nicht auf der Erde realisiert werden, da ihr
Gravitationsfeld das künstliche zentrale Kraftfeld des Modells überlagert.
Unter Mikrogravitationsbedingungen, also in annähernder Schwerelosigkeit,
kann das Modell-Kraftfeld jedoch Konvektion simulieren – Strömungen, wie sie
in der Erdatmosphäre, in den Weltmeeren oder im Magmamantel vorkommen.
Parallel und komplementär dazu entwickelt Dr.-Ing. Vadim Travnikov,
Wissenschaftler im Team von Prof. Egbers, seit Januar 2024 im Rahmen eines
von der DFG-geförderten Projekts ein hydrodynamisches CFD-Modell (Computational
Fluid Dynamics). Dieses Strömungsmodell soll die Erscheinungsformen und das
Zusammenspiel atmosphärischer Strömungen der Erde beschreiben. Mithilfe
einer Stabilitätsanalyse erfährt der Forscher auf diese Weise mehr über den
Zustand einer Strömung. So kann eine Instabilität den Übergang zu einer
turbulenten Strömung einleiten, die sich in der Erdatmosphäre beispielsweise
in einem Wirbelsturm äußert. "Uns interessiert, wie sich die Strömungen mit
dem Klimawandel weltweit verändern", sagt der Wissenschaftler. "Mit diesem
Wissen können Meteorologen das lokale Klima genauer vorhersagen."
Die
Ergebnisse dieser Forschungen fließen in das Projekt Atmoflow zur
Untersuchung planetarer, atmosphärischer Strömungen auf der Internationalen
Raumstation (ISS) ein. Nach aktuellem Stand ist der Flug zur ISS für 2026
oder 2027 geplant. Ziel des BTU-Projekts ist die Etablierung eines
Simulationsmodells, das auf Basis der Daten aus dem Kugelmodell
atmosphärische Konvektionsprozesse berechnet. Durch Änderung der
Randbedingungen – wie beispielsweise höhere Temperaturen an Nord- und Südpol
– können mit diesem Modell auch Auswirkungen des Klimawandels auf
Strömungsprozesse simuliert und mögliche Folgen abgeschätzt werden.