Das Geheimnis der Protuberanzen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Göttingen astronews.com
2. August 2017
Protuberanzen gehören zu den spektakulären Phänomenen, die
man etwa während einer Sonnenfinsternis am Sonnenrand beobachten kann.
Protuberanzen-Wolken können wochenlang hoch über derselben Stelle der
Sonnenoberfläche schweben. Detaillierte Messungen über die Dichte des Plasmas
der Protuberanzen erlauben nun einen neuen Blick auf das Phänomen.

Fadenförmige Strukturen einer Protuberanz
über dem Sonnenrand (unten) im Licht der roten
Wasserstoff-Emission.
Bild: Eberhard Wiehr [Großansicht] |
Sonnen-Protuberanzen bestehen aus einem Plasma elektrisch leitfähiger Ionen
und Elektronen, das sich nur sehr eingeschränkt im Magnetfeld bewegen kann.
Protuberanzen-Wolken schweben daher oftmals wochenlang hoch über derselben
Stelle der Sonnenoberfläche. Ein wichtiges Maß für die Beschreibung dieses
Plasmas ist die Dichte der freien Elektronen, die bislang für
Sonnen-Protuberanzen nur ungenau gemessen werden konnte. Wissenschaftler haben
nun die Elektronen-Dichte aus dem Helligkeits-Verhältnis zweier Spektral-Linien
neu ermittelt.
Hierzu verglichen die Astrophysiker eine Emissions-Linie des neutralen
Natriums mit einer des ionisierten Strontiums. "Da in Protuberanzen fast alle
Atome ionisiert sind, kann das Strontium-Ion seine violette Linie sofort
abstrahlen. Das Natrium-Ion hingegen muss erst ein freies Elektron einfangen,
bevor es als neutrales Atom die bekannte gelbe Spektral-Linie emittieren kann“,
so Dr. Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen.
"Das Verhältnis der Stärke beider Emissionen ist daher ein Maß für die
Elektronen-Dichte.“
Erschwert werden die Messungen durch den großen Farb-Unterschied beider
Spektral-Linien, der neben messtechnischen Problemen mit dem Spektrografen des
70-Zentimeter-Sonnenteleskops auf Teneriffa Einflüsse der Licht-Brechung in der
Erdatmosphäre zum Tragen bringt: Bei optimalen Beobachtungsbedingungen am
Morgen, wenn das Luftflimmern noch gering ist, wird das violette Licht des
Strontiums stärker gebrochen als das gelbe des Natriums. "Dadurch scheint die
Sonnenscheibe im Violetten höher zu stehen als im Gelben", sagt Wiehr.
Mit 20 Milliarden Elektronen pro Kubikzentimeter in hellen und 40 Milliarden
in leuchtschwachen Protuberanzen fanden die Forscher eine etwa zehnmal höhere
Dichte als in der umgebenden Sonnen-Korona. Während die Elektronen-Dichte in der
Korona stark mit der Höhe über dem Sonnenrand abnimmt, trifft dies für
Protuberanzen nicht zu. Ebenso wenig ändert sich die Dichte mit der zeitlichen
Entwicklung der Protuberanz. Dies soll in weiteren Untersuchungen in diesem
Sommer mit dem 45-Zentimeter-Sonnenteleskop in Locarno überprüft werden.
Die freien Elektronen der Protuberanzen stammen zum größten Teil aus der
Ionisation von Wasserstoff. Da dieser sein Elektron durch Einstrahlung von
hochenergetischem UV-Licht abgibt, ist die Elektronen-Dichte ein Maß für die
UV-Transparenz der Protuberanzen-Wolken. "Diese hängt auch vom gegenseitigen
Abstand der Protuberanzen-Strukturen ab, die fadenförmig nach unten hängen. Ihr
Durchmesser ist kleiner als 100 Kilometer und damit bisher nicht genau
ermittelbar. Sie aber spielen offenbar eine entscheidende Rolle bei den
physikalischen Vorgängen im Protuberanzen-Plasma", so Wiehr.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Solar Physics erschienen ist.
|