Vom Teide aus die Sonne im Visier
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
15. Mai 2012
Am kommenden Montag wird auf der Kanareninsel Teneriffa mit Gregor
eines der leistungsfähigsten Sonnenteleskope der Welt eingeweiht. Mit
dem Instrument werden sich noch Strukturen auf der Sonne auflösen
lassen, die einen Durchmesser von nur 70 Kilometern haben. Die Forscher
erhoffen sich davon neue Erkenntnisse über die Phänomene, die für das
Weltraumwetter verantwortlich sind.

Die Sonne im Visier: Mit einem
Spiegeldurchmesser von 1,5 Metern, adaptiver
Optik und verschiedenen Instrumenten wie
Spektrographen und Kameras gehört Gregor weltweit
zu den drei leistungsfähigsten Teleskopen zur
Beobachtung des Tagesgestirns.
Bild: idw / Kiepenheuer-Institut für
Sonnenphysik |
Die Kanareninsel Teneriffa ist nicht nur ein beliebtes Ziel für
Urlauber. Auch Astronomen haben die Vorzüge der Kanareninsel längst
entdeckt. Sie interessieren sich allerdings nicht so sehr für die
Strände und das Baden im Atlantik, sondern für die Hochebene am Fuß des
3.718 Meter hohen Vulkans Teide, wo ideale Bedingungen für
Himmelsbeobachtungen herrschen. Vor zehn Jahren begannen dort Forscher
eines Konsortiums aus Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik,
Astrophysikalischem Institut Potsdam, Institut für Astrophysik der
Universität Göttingen, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
sowie weitere internationale Partner mit dem Bau des Sonnenteleskops
Gregor.
Der Name ist einmal keine sorgfältig ausgetüftelte Abkürzung einer lange und
unhandlichen Bezeichnung, sondern soll an James Gregory erinnern. Der
schottische Mathematiker und Astronom hatte im 17. Jahrhundert ein Fernrohr
entwickelt, in dem ein sekundärer konkaver Spiegel das reflektierte Licht des
primären Parabolspiegels durch ein kleines Loch im Primärspiegel auf das Okular
und damit ins Auge lenkt. Dieses optische Prinzip kommt auch bei dem neuen
Teleskop auf Teneriffa zur Anwendung.
Allerdings wird kaum ein Wissenschaftler die Sonne mit Gregor direkt
beobachten, sondern dies elektronische Detektoren wie Spektrographen, Polari-
und Interferometer sowie Kameras erledigen lassen. Und auch sonst lässt sich das
Hightech-Teleskop nicht mit der Konstruktion von James Gregory vergleichen. So
ist das Teleskop vollständig in offener Bauweise angelegt, um Luftturbulenzen im
Strahlengang zu vermeiden. Untergebracht ist es in einem Gebäude mit
abklappbarer Kuppel. Der 1,5 Meter durchmessende Hauptspiegel besteht aus der
wärmeunempfindlichen Glaskeramik Zerodur und wird aktiv gekühlt, um eine
Aufheizung der Vorderfläche des Spiegels durch absorbiertes Sonnenlicht zu
vermeiden. Zwei weitere Spiegel haben die Ingenieure aus Siliciumcarbid (Cesic)
gefertigt.
Gregor sieht dank einer adaptiven Optik besonders scharf: Über ein
kompliziertes System von Aktuatoren und Spiegeln kompensiert das System die
Schlieren innerhalb der Erdatmosphäre, die ständig das Bild der Sonne verzerren
wie die wallenden Luftmassen, die über einer sommerlich-heißen Asphaltstraße
flirren. Ein rotierender Umlenkspiegel verteilt das durch die adaptive Optik
erzeugte Strahlenbündel auf die verschiedenen Instrumente. Diese sollen in
bisher nicht gekannter Präzision diverse physikalische Parameter der Sonne
vermessen, insbesondere ihr Magnetfeld, und dabei noch 70 Kilometer kleine
Strukturen auflösen können - ein angesichts der Sonnenentfernung von 150
Millionen Kilometer erstaunliches Auflösungsvermögen.
Das komplexe Magnetfeld unseres Zentralsterns spielt bei nahezu allen
Prozessen in und auf der Sonne eine entscheidende Rolle. Es ist für die
Energiebilanz der äußeren Atmosphärenschichten verantwortlich, es steckt hinter
dem elfjährigen solaren Aktivitätszyklus und es produziert die meisten der
manchmal spektakulären sichtbaren Phänomene: Protuberanzen, Flares und koronale
Massenauswürfe, die sich schließlich auch in Form von Polarlichtern auf der Erde
bemerkbar machen. Aus theoretischen Überlegungen und numerischen Berechnungen
wissen die Forscher, dass sich die Wechselwirkungen zwischen dem solaren Plasma
und dem Magnetfeld auf sehr kleinen räumlichen Skalen von etwa 70 Kilometer auf
der Sonne vollziehen. Genau diese Auflösung wird Gregor erreichen.
Das Teleskop betrachtet das Tagesgestirn im sichtbaren und im infraroten
Licht. Dabei nimmt es die Photosphäre in den Fokus – jene rund 300 Kilometer
dünne Gasschicht, die uns als Sonnenoberfläche erscheint. Aber auch die darüber
liegende Chromosphäre wollen die Forscher untersuchen. Sie erhoffen sich von
Gregor ein besseres Verständnis der oben genannten solaren Phänomene.
Schließlich sollen diese neuen Erkenntnisse dabei helfen, Materieausbrüche, die
Satelliten im Weltraum oder irdische Stromnetze gefährden können, exakter
vorherzusagen.
Gregor gehört zum Observatorio del Teide des Instituto
Astrofisica des Canarias (IAC). Wenn das Teleskop am 21. Mai offiziell
eingeweiht wird und danach seinen wissenschaftlichen Betrieb aufnimmt, hat es
seine Feuerprobe schon hinter sich: Bereits am 12. März 2009 hatte Gregor
zum ersten Mal das Sonnenlicht gesehen, damals noch mit einem Testspiegel von
einem Meter Durchmesser (astronews.com berichtete).
Gregor dürfte in den kommenden Jahren nicht nur neue Erkenntnisse in
der Sonnenphysik liefern, sondern hat auch den klassischen Astronomen etwas zu
bieten: Dank der hervorragenden optischen und mechanischen Eigenschaften wollen
sie mit Gregor sonnenähnliche Sterne in langen Messreihen untersuchen,
wie sie an anderen Nachtteleskopen nicht möglich sind.
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