Blick auf das zentrale Schwarze Loch
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
3. April 2017
Ab morgen soll das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße
zehn Tage lang von mehreren über die ganze Welt verteilten Radioteleskopen unter
die Lupe genommen werden. Sie sind zum sogenannten Event Horizon Telescope
zusammengeschlossen und sollen den Todesschrei von Materie beobachten, die
gerade in das Schwarze Loch fällt.
Die künstlerische Darstellung zeigt den
Ereignishorizont um das Schwarze Loch im Zentrum
unserer Galaxis.
Bild: M. Moscibrodzka, T. Bronzwaar und
H. Falcke, Radboud University [Großansicht] |
Erstmals wollen sich Forscher ein Bild vom Herzen unserer Galaxis machen - und das
im wörtlichen Sinne: Ein weltweiter Verbund von Radioantennen wird das dort
vermutete Schwarze Loch während der Zeit vom 4. bis 14. April unter die Lupe
nehmen. Dieses Event Horizon Telescope verbindet Observatorien auf der
ganzen Welt zu einem Riesenteleskop, von Europa über Chile und Hawaii bis hin
zum Südpol. Das 30-Meter-Teleskop des Instituts für Radioastronomie im
Millimeterbereich (IRAM) in der spanischen Sierra Nevada, eine von der
Max-Planck-Gesellschaft mitfinanzierten Einrichtung, nimmt als einzige Station
in Europa an der Beobachtungskampagne teil. Auch das Max-Planck-Institut für
Radioastronomie ist in die Messungen eingebunden.
Schon Ende des 18. Jahrhunderts spekulierten die Naturforscher John Mitchell und
Pierre Simon de Laplace über "dunkle Sterne", deren Schwerkraft so stark ist,
dass Licht ihnen nicht entkommen kann. Die Ideen der beiden Forscher bewegten
sich noch im Rahmen der newtonschen Gravitationstheorie und der
Korpuskulartheorie des Lichts. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutionierte
Albert Einstein mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis der
Gravitation – und damit jenes von Materie, Raum und Zeit. Und Einstein beschrieb
auch das Konzept der Schwarzen Löcher.
Diese Objekte haben eine solch große, extrem komprimierte Masse, dass selbst
Licht ihnen nicht entkommen kann. Daher bleiben sie schwarz - und es ist
unmöglich, sie direkt zu beobachten. Trotzdem haben Forscher die Existenz dieser
Schwerkraftfallen indirekt bewiesen. Dazu zählt die Messung der
Gravitationswellen von kollidierenden Schwarzen Löchern ebenso, wie der Nachweis
ihrer starken Anziehungskraft auf ihre kosmische Umgebung; dabei umlaufen Sterne
mit rasend hoher Geschwindigkeit ein unsichtbares Schwerkraftzentrum, wie das
etwa im Herz unserer Galaxis geschieht.
Aber es gibt eine Möglichkeit, ein Schwarzes Loch direkt zu beobachten. Die
Grenze um dieses exotische Objekt, über die hinaus Licht und Materie
unausweichlich aufgesaugt werden, nennen die Wissenschaftler Ereignishorizont.
In dem Moment, in dem die Materie eben diese Grenze überquert, gibt sie der
Theorie zufolge intensive Strahlung ab, eine Art "Todesschrei" und damit ein
letztes Zeugnis ihrer Existenz. Diese Strahlung lässt sich unter anderem bei
Radiowellen im Millimeterbereich registrieren. Auf diese Weise sollte es möglich
werden, den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs abzubilden.
Das Event Horizon Telescope (EHT) will genau das versuchen. Ein
Hauptziel des Projekts ist das rund 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernte,
etwa 4,5 Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch im Zentrum unserer
Milchstraße. Aufgrund der großen Distanz erscheint das Objekt jedoch unter einem
extrem kleinen Winkel. Eine Lösung für dieses Problem bietet die
Interferometrie. Das Prinzip dieser Technik: Statt ein riesiges Teleskop zu
verwenden, kombiniert man mehrere Observatorien so, als wären sie kleine
Einzelteile einer einzigen gigantischen Antenne.
Auf diese Weise können Wissenschaftler ein Teleskop simulieren, das dem Umfang
unserer Erde entspricht. Denn: Je größer das Teleskop, desto feinere Details
lassen sich beobachten; die sogenannte Winkelauflösung nimmt zu. Das EHT-Projekt
macht sich diese Beobachtungstechnik zunutze und wird im April bei einer
Frequenz von 230 Gigahertz, entsprechend einer Wellenlänge von 1,3 Millimetern,
im Interferometrie-Modus beobachten. Die maximale Winkelauflösung dieses
weltumspannenden Radioteleskops liegt bei 26 Mikro-Bogensekunden. Das entspricht
der Größe eines Golfballs auf dem Mond oder der Breite eines menschlichen
Haares, gesehen aus 500 Kilometern Entfernung!
Derlei Messungen an der Grenze des Beobachtbaren sind nur unter optimalen
Bedingungen möglich, das heißt, in trockenen hohen Lagen. Diese bietet das zum
Teil von der Max-Planck-Gesellschaft finanzierte IRAM-Observatorium mit seiner
30-Meter-Antenne auf dem 2800 Meter hohen Berg Pico Veleta in der spanischen
Sierra Nevada. Seine Empfindlichkeit wird nur noch von dem aus 64
Einzelteleskopen bestehenden Atacama Large Millimeter Array (ALMA)
übertroffen, das auf dem 5000 Meter hohen Chajnantor-Plateau in den chilenischen
Anden ins All blickt. Auf dem Plateau steht auch die vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie betreute und an dem EHT-Projekt ebenfalls beteiligte Antenne
namens APEX.
Das Bonner Max-Planck-Institut ist zudem mit der Datenverarbeitung an dem
Event Horizon Telescope beteiligt. Dafür nutzen die Forscher zwei
Superrechner (Korrelatoren); einer befindet sich in Bonn, der andere am
Haystack Observatory in Masachussetts in den USA. Die Rechner sollen nicht
nur Daten vom galaktischen Schwarzen Loch auswerten. Während der
Beobachtungskampagne vom 4. bis 14. April wollen die Astronomen noch mindestens
fünf weitere Objekte in Augenschein nehmen: die Galaxien M 87, Centaurus A und
NGC 1052 sowie die Quasare OJ 287 und 3C279.
Vom Jahr 2018 an wird ein weiteres Observatorium in das EHT-Projekt einsteigen:
NOEMA, das zweite IRAM-Observatorium auf dem Plateau de Bure in den
französischen Alpen. Mit seinen zehn hochempfindlichen Antennen wird NOEMA das
leistungsfähigste Teleskop des Verbunds auf der nördlichen Hemisphere sein.
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