Die geheimnisvolle Lavawelt 55 Cancri e
von Stefan Deiters astronews.com
31. März 2016
Mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer
haben Astronomen erstmals eine Temperaturkarte einer Supererde erstellt: Der Planet 55 Cancri e ist danach eine Welt mit extremen Temperaturunterschieden. Die dem
Zentralstern zugewandte Seite ist so heiß, dass die Oberfläche aus
flüssiger Lava bestehen dürfte und sogar heißer, als die Forscher erwartet
hatten.

So stellt sich ein Künstler die Lavawelt 55
Cancri e vor.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Das Doppelsternsystem 55 Cancri, das rund 40 Lichtjahre von der Erde entfernt
im Sternbild Krebs liegt, ist Astronomen alles andere als unbekannt: Um
die eine Sonne des Systems kreisen mindestens fünf Planeten, darunter auch die
Supererde 55 Cancri e. Supererden sind Planeten, die massereicher als unser
Heimatplanet sind, die aber nicht die Größe der Eisriesen Neptun oder Uranus
erreichen. 55 Cancri e ist etwa doppelt so groß wie die Erde und hat ihre achtfache
Masse.
55 Cancri e hat unlängst von der Internationalen Astronomischen Union den Namen "Janssen"
erhalten - als Ergebnis einer internationalen Abstimmung (astronews.com
berichtete). Die ferne Welt umkreist ihren Zentralstern alle 18 Stunden und ist der
innerste Planet des Systems. 55 Cancri e war ursprünglich mithilfe der
Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt und später durch Transitbeobachtungen aus
dem All bestätigt worden.
Da sich bei 55 Cancri e Transits beobachten lassen, man also verfolgen kann,
wie der Planet vor der Scheibe seines Zentralsterns vorüberzieht, ergeben sich
ganz neue Möglichkeiten, die ferne Welt zu untersuchen (astronews.com
berichtete). Jetzt haben Astronomen den Planeten mit dem
Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer für insgesamt 80 Stunden anvisiert und so
mehrere komplette Umläufe von 55 Cancri e um seinen Stern verfolgen können.
"Unser Wissen über diesen Planeten entwickelt sich ständig weiter", so Brice
Olivier Demory von der University of Cambridge. "Die neusten Daten sprechen
dafür, dass es auf dem Planeten heiße Nächte und noch viel heißere Tage gibt.
Das bedeutet, dass die Wärme nur sehr unzureichend auf dem Planeten verteilt
wird."
55 Cancri e umrundet seine Sonne in gebundener Rotation, auf einer Seite des
Planeten ist also kontinuierlich Tag und auf der anderen ständige Nacht.
"Auf der Tagseite betragen die Temperaturen um die 2.500 Grad Celsius, auf der
Nachtseite sind es etwa 1.100 Grad", so Demory. "Das ist ein gewaltiger
Unterschied. Wir halten es für möglich, dass es auf der Nachtseite noch eine
Atmosphäre gibt, die Temperaturen auf der Tagseite sind aber so extrem,
dass die Atmosphäre hier komplett verdampft sein könnte. Das führt dazu, dass
die Wärme nur sehr schlecht oder gar nicht von der Tag- auf die Nachtseite
transportiert werden kann."
Zwar könnte auch flüssige Lava, die es auf der Tagseite geben sollte, für
einen gewissen Wärmetransport sorgen, doch sollte diese auf der Nachtseite
überwiegend erstarrt sein, so dass auch auf diese Weise kein effektiver
Wärmeausgleich erfolgen kann. "Auf der Tagseite könnte es Flüsse aus Lava und
gewaltige Seen aus extrem heißem Magma geben" spekuliert Michael Gillon von der
Universität im belgischen Lüttich. "Auf der Nachtseite vermuten wir eher
erstarrte Lavaströme, wie man sie etwa auf Hawaii findet."
Überraschend für die Astronomen war, dass 55 Cancri e etwas heißer zu sein
scheint, als es sich allein durch die Einstrahlung des Zentralsterns erklären lässt.
Zudem liegt der heißeste Punkt auf der Oberfläche auch nicht exakt dort, wo man
ihn erwartet hatte. Dafür könnte ein bislang unbekannter Mechanismus zur
Verteilung der Wärme verantwortlich sein, der sich auf der heißen Tagseite
ausgebildet hat. Die wahre Natur des Lavaplaneten werden aber wohl erst
Beobachtungen mit Teleskopen der nächsten Generation ans Licht bringen.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
dieser Woche in der Wissenschaftszeitschrift Nature erschienen ist.
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