Erneut Galaxie in Rekordentfernung entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
4. März 2016
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble haben
Astronomen eine Galaxie aufgespürt, die wir zu einem Zeitpunkt sehen, als unser
Universum gerade einmal 400 Millionen Jahre alt war. Es ist damit die
entfernteste bislang beobachtete Galaxie. In dem GN-z11 genannten System
entstehen Sterne mit einer 20-fach höheren Rate als in der Milchstraße heute.

Die Galaxie GN-z11 im Bereich der
Durchmusterung GOODS North (Great Observatories
Origins Deep Survey North).
Bild: NASA, ESA und P. Oesch (Yale
University) [Großansicht] |
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble erneut eine
Galaxie entdeckt, die weiter entfernt sein dürfte, als jedes andere bislang
aufgespürte System. Die neue Galaxie mit der Bezeichnung GN-z11 erscheint
angesichts ihrer Entfernung ungewöhnlich hell, was auch der Grund dafür ist,
dass
Hubble das System überhaupt entdecken konnte.
Wir sehen GN-z11 zu einem Zeitpunkt, als das Universum gerade einmal 400
Millionen Jahre alt war. Eigentlich ging man davon aus, dass sich Systeme
in dieser Entfernung erst mit dem Hubble-Nachfolger, dem James Webb Space
Telescope aufspüren lassen würden.
Zuvor hatte die Astronomen die Entfernung von GN-z11 lediglich aufgrund ihrer
Farbe auf Bildern des Weltraumteleskops Hubble und des
Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer abgeschätzt. Jetzt gelang es, mit
der Wide Field Camera 3 von Hubble auch ein Spektrum des
Systems aufzunehmen und so die Entfernung mit einer deutlich höheren Genauigkeit
zu bestimmen als zuvor.
"Unsere spektroskopischen Beobachtungen haben gezeigt, dass die Galaxie
weiter entfernt ist, als wir gedacht hatten", erläutert Gabriel Brammer vom
Space Telescope Science Institute. "Ihre Entfernung liegt praktisch am
absoluten Limit dessen, was Hubble beobachten kann."
"Wir sind einen großes Stück zurück in der Zeit gegangen - noch weiter
zurück, als wir dachten, dass es mit Hubble möglich sein würde", so
Pascal Oesch von der Yale University. "Es ist uns gelungen, die
Entfernung zu einer Galaxie zu bestimmen, die wir sehen, als das Universum
gerade drei Prozent seines heutigen Alters hatte."
Die Entfernung zu GN-z11 leiteten die Astronomen aus der sogenannten
Rotverschiebung der Galaxie ab. Je größer die Distanz eines Objekts von uns ist,
desto schneller entfernt es sich von uns. Dadurch wird das Licht, was uns von
diesem Objekt erreicht, gedehnt - es erscheint also röter, als es eigentlich
ist. GN-z11 hat eine Rotverschiebung von z=11,1, was einer Zeit von 400
Millionen Jahren nach dem Urknall entspricht. Beim bisherigen Rekordhalter, einer
Galaxie namens EGSY8p7, lag die Rotverschiebung bei z=8,68.
"Den bisherigen Rekordhalter haben wir mitten in einer Epoche gesehen,
während der das Licht der ersten Galaxien den Nebel aus kaltem Wasserstoff im
Universum langsam aufgelöst hat", so Rychard Bouwens von der Universität in
Leiden in den Niederlanden. "Diese Zeit nennt man die Epoche der Reionisation.
GN-z11 sehen wir nun 150 Millionen Jahre früher, also fast zu Beginn dieser
Übergangsphase in der Entwicklung des Universums."
Die Auswertung von Daten von Hubble und Spitzer ergab, dass
unsere Milchstraße 25-mal größer ist als GN-z11. Das entfernte System enthält
zudem nur ein Prozent der Masse der Milchstraße in Form von Sternen. Dafür ist
allerdings die Rate, mit der in GN-z11 neue Sterne entstehen, beachtlich: Sie
ist um einen Faktor 20 größer als in der Milchstraße, was auch der Grund sein
dürfte, weshalb das System überhaupt mit Hubble zu erkennen war.
Die Entdeckung einer solchen Galaxie stellt die Astronomen aber auch vor neue
Probleme: "Es ist schon faszinierend, dass es eine so massereiche Galaxie nur
200 bis 300 Millionen Jahre nach Beginn der Entstehung der ersten Sterne
überhaupt geben kann", so Garth Illingworth von der University of California
in Santa Cruz. "Da braucht man schon ein gewaltiges Wachstum und die Entstehung
von Sternen mit einer sehr hohen Rate, um so früh eine Galaxie mit einer
Milliarde Sonnenmassen entstehen zu lassen."
Nach den bisherigen Theorien sollte es so helle Galaxien wie GN-z11 in dieser
frühen Phase des Universums nicht geben. "Die Entdeckung macht deutlich, dass
unser Wissen über das frühe Universum noch sehr begrenzt ist", so Ivo Labbe von
der Universität in Leiden. "Wie GN-z11 entstanden ist, bleibt für uns bislang
ein Rätsel." Die Astronomen hoffen, dass das James Webb Space Telescope
noch sehr viel mehr Galaxien dieser Art aufspüren wird, so dass sich dann ein
besseres Bild über die Vorgänge im jungen Universum ergibt.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal.
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