Winzige Galaxie im frühen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
8. Dezember 2015
Immer wieder entdecken Astronomen Galaxien, die nur relativ kurze Zeit nach dem Urknall existiert
haben müssen und an der Grenze des beobachtbaren Universums liegen. Mithilfe der Weltraumteleskope
Hubble und Spitzer sowie einer
Gravitationslinse spürten sie nun ein extrem lichtschwaches System auf, das es
offenbar schon gab, als das Universum nur 400 Millionen Jahre alt war.

Blick auf den Galaxienhaufen MACS0416.1-2403
mit dessen Hilfe die entfernte leuchtschwache
Galaxie aufgespürt wurde (siehe Ausschnitt).
Bild: NASA/ESA/ L. Infante (Pontificia
Universidad Católica de Chile) [Großansicht] |
Für ihre Studie werteten die Astronomen Daten der Weltraumteleskope
Spitzer und Hubble aus, die im Rahmen des Projekts
Frontier Fields gewonnen worden waren. So konnten sie eine lichtschwache Galaxie aufspüren, die
nur 400 Millionen Jahre nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren existiert
haben muss. Das Team nannte die Galaxie "Tayna", was so viel wie
"Erstgeboren" in Aymara bedeutet, einer verbreiteten indigenen Sprache in
Südamerika.
Immer wieder haben Astronomenteams in den vergangenen Jahren von
der Entdeckung solcher Galaxien mit Rekordentfernung berichtet. Nach Angaben der beteiligten
Wissenschaftler zeichnet sich Tayna jedoch dadurch aus, dass das System zu einer
kleineren und lichtschwächeren Klasse von neu entstandenen Galaxien gehört, die
bislang praktisch unentdeckt geblieben sind. Die Galaxie könnte für diese Epoche
durchaus typisch sein und damit mehr über die Entstehung und Entwicklung der ersten
Galaxien verraten.
"Durch diese Entdeckung war das Team erstmals in der Lage, die Eigenschaften
dieser extrem lichtschwachen Objekte zu untersuchen, die sich nicht lange nach
dem Urknall gebildet haben", meinte Leopoldo Infante von der Pontificia
Universidad Católica de Chile. Die Galaxie gehört zu insgesamt 22 neu entdeckten
Galaxien, die an der Grenze des sichtbaren Universums aufgespürt wurden. Dadurch
vergrößert sich die Anzahl der bekannten Systeme in dieser Entfernung deutlich.
Tayna ist von der Größe her in etwa vergleichbar mit der Großen Magellanschen
Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße. Allerdings entstehen in dem
entfernten System mit einer zehnfach höheren Rate Sterne, als bei unserem
galaktischen Nachbarn. Die Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei der
entfernten Galaxie um den wachsenden Kern eines Gebildes handeln könnte,
das sich einmal zu einer vollständigen und großen Galaxie entwickeln wird.
Doch wären auch Hubble und Spitzer gemeinsam nicht in der Lage gewesen, das
entfernte und lichtschwache System aufzuspüren. Zur Hilfe kam ihnen der rund
vier Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxienhaufen MACS0416.1-2403. Seine immense
Masse sorgt dafür, dass das Licht noch entfernterer Objekte abgelenkt und verstärkt
wird. Das Leuchten der kleinen Protogalaxie am Rand des sichtbaren Universums
wurde dadurch um einen Faktor 20 heller und so erst für die
Teleskope sichtbar. Dieses als Gravitationslinseneffekt bekannte Phänomen
geht auf die Allgemeines Relativitätstheorie von Albert Einstein zurück.
Das Licht so entfernter Galaxien wird durch die Expansion des Universums ins
Rote verschoben, so dass auch junge und heiße Sterne in solchen Systemen, die
eigentlich bläulich-weiß erscheinen müssten, im infraroten Bereich des Spektrums
zu beobachten sind. Aus diesem Grunde wird der Hubble-Nachfolger, das
James Webb
Space Telescope, auch für diesen Wellenlängenbereich optimiert sein.
Über ihre Beobachtungen berichteten die Astronomen jetzt in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
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