Winzige Galaxien im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
23. Oktober 2015
Mit Unterstützung des Gravitationslinseneffekts ist es Astronomen
nun gelungen, über 250 winzige Galaxien aufzuspüren, die nur 600 bis 900
Millionen Jahre nach dem Urknall existierten. Sie nutzten dazu Beobachtungen des
Weltraumteleskops Hubble. Nach Ansicht der Forscher haben diese winzigen Galaxien
entscheidend zur Entstehung des uns heute vertrauten Universums beigetragen.

Der Galaxienhaufen MACS J0416.1–2403 ist
einer der Haufen, der im Rahmen des Programms
Frontier Fields beobachtet wurde.
Bild: NASA, ESA und das HST Frontier Fields
Team (STScI) [Großansicht] |
Mehr als zwölf Milliarden Jahre benötigte das Licht der winzigen Galaxien
bevor es die Detektoren des Weltraumteleskops Hubble erreichte. Die
mehr als 250
Zwerggalaxien existierten damit nur rund 600 bis 900 Millionen Jahre nach dem
Urknall. Bei der jetzt vorgestellten Entdeckung handelt es sich um eine der größten Ansammlungen
solcher Galaxien, die bislang in dieser Epoche entdeckt wurden.
Durch die Beobachtung von extrem weit entfernten Galaxien werfen Astronomen
praktisch einen Blick in die Vergangenheit: Da das Licht nur mit einer
begrenzten Geschwindigkeit zu uns unterwegs ist, sehen wir in diesen Distanzen
unser Universum und seine Objekte noch in einem sehr jungen Zustand. Das Studium
so entfernter Systeme liefert somit Hinweise auf die erste Phase der Entwicklung
des Universums.
Die jetzt vorgestellte Entdeckung ist aber nicht nur wegen der großen Anzahl
von kleinen Systemen bemerkenswert, die dabei in dieser Epoche aufgespürt
wurden. "Die lichtschwächsten Galaxien, die wir bei diesen Hubble-Beobachtungen
entdeckt haben, sind lichtschwächer als alle anderen Galaxien, die bei sehr
tiefen Hubble-Beobachtungen nachgewiesen werden konnten," erläutert Johan
Richard vom Observatoire de Lyon in Frankreich.
Das Licht dieser Galaxien, so vermuten die Forscher, könnte zudem eine
wichtige Rolle in einer der rätselhaftesten Phasen während der frühen Geschichte
unseres Universums gespielt haben - der Epoche der Reionisation. Diese begann,
als sich der dichte "Nebel" aus Wasserstoffgas, der das frühe Universum
ausfüllte, langsam auflöste. Dies erlaubte es dem ultravioletten Licht sich auch
über größere Entfernungen auszubreiten, das Universum wurde also in diesem
Wellenlängenbereich durchsichtig.
Das ultraviolette Licht der jungen Sterne war für diesen Prozess von großer
Bedeutung, da es das Wasserstoffgas ionisierte und damit für diese Strahlung
erst durchsichtig machte. Die jetzt entdeckten kleinen Galaxien, so ergab die
Untersuchung der Forscher, dürften dabei eine sehr wichtige Rolle
gespielt haben. Sie sorgten somit für den Abschluss der Epoche der Reionisation
rund 700 Millionen Jahre nach dem Urknall. Ab diesem Zeitpunkt war das Universum
dann vollständig durchsichtig.
"Wenn man nur die Beiträge von hellen und massereichen Galaxien
berücksichtigt, reichen diese nicht aus, um das Universum zu reionisieren",
unterstreicht Hakim Atek von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne in der
Schweiz. "Wir müssen auch die Beiträge von einer sehr zahlreichen Population von
lichtschwachen Zwerggalaxien berücksichtigen."
Das Team nutzte für ihre Studie Aufnahmen, die im Rahmen des Programms
Frontier Fields gewonnen wurden. Dabei werden mit Hubble und anderen Teleskopen
sehr tiefe, also langandauernde Beobachtungen von großen Galaxienhaufen gemacht,
bei denen auch noch sehr lichtschwache Galaxien sichtbar werden.
Die Konzentration auf Galaxienhaufen bei diesem Programm hat einen besonderen Grund: Die
Astronomen wollen sich zusätzlich ein als Gravitationslinseneffekt bekanntes
Phänomen zunutze machen. Durch massereiche Objekte wird das Licht entfernterer,
direkt dahinter liegender Systeme so abgelenkt, dass es nicht nur auf typische
Weise verzerrt, sondern auch verstärkt wird. Auf diese Weise lassen sich
Galaxien untersuchen, die ohne diesen Effekt selbst mit Hubble nicht zu
beobachten wären.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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