LISA Pathfinder erfolgreich gestartet
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
3. Dezember 2015
Mit einem Tag Verspätung ist die ESA-Sonde LISA Pathfinder
am frühen Morgen an Bord einer Vega-Trägerrakete in eine Erdumlaufbahn
gebracht worden. Die Sonde soll in den kommenden Monaten
Technologien testen, die für das weltraumbasierte
Gravitationswellenobservatorium eLISA benötigt werden. Zunächst aber
muss sie ihren Einsatzort erreichen.

Der Start der Sonde LISA Pathfinder an Bord
einer Vega-Trägerrakete.
Bild:
ESA-Stephane Corvaja, 2015 [Großansicht] |
Die ESA-Mission LISA Pathfinder wurde heute früh an Bord einer Vega-Trägerrakete
von Europas Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana aus gestartet. Ihr Ziel
ist die Demonstration von Technologien zur weltraumgestützten Beobachtung von
Gravitationswellen, also der von Albert Einstein in seiner Allgemeinen
Relativitätstheorie vorhergesagten Verzerrungen der Raumzeit.
Mit LISA Pathfinder soll nun komplexe Technologie getestet werden, die
zur weltraumgestützten Erfassung von Gravitationswellen erforderlich ist.
Herzstück der Mission sind zwei identische, jeweils 46 mm breite, als Testmasse
fungierende Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung, die 38 cm voneinander
entfernt sind und von sämtlichen externen und internen Einflüssen mit Ausnahme
der Schwerkraft abgeschirmt werden müssen.
Mit LISA Pathfinder werden diese Würfel in einen in dieser Perfektion
im Weltraum bisher unerreichten gravitationellen freien Fall versetzt und ihre
jeweiligen Positionen zueinander mit extremer Präzision überwacht. Diese
Messungen sind die Grundlage für künftige Weltraumobservatorien für
Gravitationswellen, die als wichtige Ergänzung zu den bereits am Erdboden
laufenden Forschungstätigkeiten zum Aufspüren dieser Wellen sind. Mit der
Kombination von boden- und weltraumgestützten Experimenten, die jeweils auf
unterschiedliche, Gravitationswellen aussendende Quellen reagieren, eröffnen
sich neue Perspektiven zur Erforschung energiereicher Phänomene im Universum.
Der Start der Vega-Trägerrakete erfolgte um 5.04 Uhr MEZ. Etwa sieben
Minuten später wurde nach der Abtrennung der ersten Raketenstufen die Oberstufe
der Vega ein erstes Mal gezündet, um LISA Pathfinder auf eine
niedrige Umlaufbahn zu bringen. Etwa eine Stunde und 40 Minuten darauf erfolgte
eine zweite Zündung. Um 6.49 Uhr MEZ wurde das Raumfahrzeug von der Oberstufe
abgetrennt, woraufhin das Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt die
Steuerung übernahm.
In den kommenden zwei Wochen wird die Sonde ihre Bahnhöhe mithilfe von sechs
Triebwerkszündungen immer weiter anheben. Die letzte Zündung dient der
Einbringung in die Einsatzumlaufbahn um den Lagrange-Punkt L1 herum, einen
stabilen virtuellen Punkt, der sich in etwa 1,5 Millionen Kilometern Entfernung
von der Erde Richtung Sonne befindet. Diese Bahn wird LISA Pathfinder
voraussichtlich 10 Wochen nach dem Start Mitte Februar erreichen, um nach
letzten Funktionstests Anfang März ihre sechsmonatige wissenschaftliche Mission
aufzunehmen.
Im Laufe des Flugs zu ihrem Einsatzorbit werden die beiden Würfel im Inneren von
den Haltemechanismen, die sie während des Starts und Flugs schützen, gelöst. Die
letzten Mechanismen werden erst bei der Ankunft am Lagrange-Punkt L1
freigegeben, wonach die beiden Körper nicht mehr mechanisch mit dem sie
umgebenden Raumfahrzeug in Berührung kommen werden. Mit einem komplexen System
von Laserstrahlen, die von den beiden Würfeln reflektiert werden, kann dann
gemessen werden, wie perfekt die beiden in den freien Fall versetzt wurden, und
zwar auf ein Milliardstel Millimeter genau – eine im Weltraum bisher unerreichte
Präzision.
"Die Grundlagenforschung dient dem besseren Verständnis der Welt, in der wir
leben", so ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner. "Die theoretischen
Erkenntnisse Einsteins sind auch heute noch äußerst beeindruckend. LISA
Pathfinder wird uns der Bestätigung einer der Einsteinschen Vorhersagen
näher bringen: der Existenz von Gravitationswellen."
Zentraler Bestandteil des Experiments ist auch das Raumfahrzeug selbst. Mit
winzigen, etwa zehnmal pro Sekunde erfolgenden Triebwerksschüben wird es seine
Position präzisieren und so eine Berührung mit den beiden Würfeln verhindern,
die von jeglichen Fremdeinflüssen abgeschirmt werden müssen, um einzig und
allein der Wirkung der Schwerkraft zu unterliegen.
Wenn LISA Pathfinder diese unglaublich präzisen Messungen und Manöver
durchführen kann, eröffnen sich neue Perspektiven für den Bau eines künftigen
Weltraumobservatoriums, das die kaum wahrnehmbaren, von Gravitationswellen
verursachten Verzerrungen der Raumzeit erfassen soll, die sich voraussichtlich
in Größenordnungen von 10 Milliardstel Millimeter, verteilt auf Entfernungen von
mehreren Millionen Kilometern, bewegen werden.
"Gravitationswellen sind die nächste große Herausforderung für Astronomen.
Mehrere Tausend Jahre lang konnten wir das All lediglich im sichtbaren Licht
beobachten, seit dem vergangenen Jahrhundert immerhin im gesamten
elektromagnetischen Spektrum", erklärte Alvaro Giménez-Cañete, ESA-Direktor für
Wissenschaft und robotische Exploration. "Indem wir nun jedoch Einsteins vor
hundert Jahren gemachte Vorhersagen mit LISA Pathfinder überprüfen,
eröffnet sich uns ein völlig neues Beobachtungsfenster zum Weltraum."
LISA Pathfinder ist praktisch ein physikalisches Labor im Weltraum.
Über einen arbeitsintensiven Zeitraum von sechs Monaten hinweg werden die
Missionswissenschaftler die jeden Tag auf der Erde eingehenden
Missionsbetriebsdaten analysieren, um jeweils die für die Folgetage auf dem
Raumfahrzeug durchzuführenden Experimente zu planen.
"Nach vielen Jahren von Entwicklungen und Erprobungen auf der Erde kommt nun
endlich die Feuertaufe, die wir nur im Weltraum vornehmen können", freut sich
Paul McNamara, ESA-Projektwissenschaftler für LISA Pathfinder. "In
wenigen Wochen werden wir im Weltraum der Natur der Schwerkraft auf den Grund
gehen können. Dies wird uns das nötige Selbstvertrauen geben, um auch den Bau
eines großen Weltraumobservatoriums ins Auge zu fassen, das uns in Zukunft
Einblicke in das gravitative Universum geben wird."
Der Start von LISA Pathfinder war der letzte der fünf Vega-Flüge im
Rahmen des Begleitenden Forschungs- und Technologieprogramms der ESA für Vega
(VERTA), das der Demonstration der Kapazitäten und der Flexibilität des Vega-Trägersystems
dient. Mit dem VERTA-Programm wurde die Vielseitigkeit der Vega unter
Beweis gestellt: Durch Starts von Nutzlasten in verschiedene Umlaufbahnen konnte
die gesamte Palette an möglichen Vega-Starts demonstriert werden.
Sämtliche VERTA-Missionen standen unter der Verantwortung der ESA. Sie trugen
zur Präzisierung und Verbesserung von Konfiguration und Betrieb des Startsystems
bei. Die im Jahr 2015 durchgeführten Vega-Starts (IXV, Sentinel-2A und
LISA Pathfinder) waren der Nachweis für die Kapazität des Systems zur
Erreichung einer Startrate von jährlich drei Missionen. Dies soll, so die ESA,
Vertrauen bei den Kunden schaffen und der Startdienstbetreiberin Arianespace
ermöglichen, ihre Führungsposition in diesem Marktsegment aufrechtzuerhalten.
Die Trägerrakete Vega ist damit vollständig qualifiziert und
einsatzbereit für die kommerzielle Nutzung durch Arianespace.
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