Herzstück von LISA Pathfinder fertiggestellt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
18. Juni 2015
Nach mehr als zehnjähriger Entwicklungsarbeit ist nun das
Kernstück der hochempfindlichen Nutzlast der LISA Pathfinder-Mission
fertiggestellt worden. LISA Pathfinder soll nach dem für Oktober
vorgesehenen Start im Weltraum wichtige Technologien erproben, die für das für
2034 geplante Gravitationswellen-Observatorium eLISA benötigt werden.

Die Kerneinheit des LISA Technology Package
(in der Mitte) wurde in München in die
LISA-Pathfinder-Raumsonde eingebaut.
Foto: Airbus Defence & Space [Großansicht] |
Fällt ein Stein ins Wasser, so breiten sich von seinem Aufschlagspunkt
Schwingungen in Form von Wellen über die Wasseroberfläche aus. Ähnlich wie der
Stein auf dem Wasser erzeugen auch große Massen, die sich sehr schnell und
ungleichförmig beschleunigt im Weltall bewegen, Wellen. Sie breiten sich im Raum
aus und sollten sich als winzige Längenänderungen der Raumzeit bemerkbar machen.
Diese Gravitationswellen - vom deutschen Physiker Albert Einstein bereits 1916
auf der Grundlage seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt - lassen
uns den "Klang" des Universums "hören" und öffnen so ein neues und unmittelbares
Beobachtungsfenster für exotische Himmelsobjekte. Dazu zählen zum Beispiel
Supernovae, enge Doppelsternsysteme bestehend aus Weißen Zwergen, Kollisionen
von Neutronensternen und Pulsaren und Zusammenstöße von Schwarzen Löchern mit
einigen Sonnenmassen bis hin zu den zentralen Objekten in Galaxienkernen mit der
milliardenfachen Masse der Sonne.
Gravitationswellensignale aus der Zeit unmittelbar nach dem Urknall können uns
mehr über die Entstehung unseres Universums verraten. Wegen der äußerst geringen
Wirkung von Gravitationswellen zweifelte Einstein allerdings daran, dass sie
jemals nachweisbar wären. Bisher ist es auch nicht gelungen, sie direkt zu
messen. Heute - nahezu 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage - steht man jedoch,
davon sind zumindest die Experten überzeugt, kurz davor, ihre "extrem leisen"
Schwingungen "hörbar" zu machen. Ein Nachweis wird in den nächsten Jahren
zunächst vom Erdboden, später aber auch mit eLISA aus dem All erwartet.
Das Weltraumobservatorium eLISA wird aus drei Raumsonden bestehen. Sie
werden ein gleichseitiges Dreieck mit ungefähr zwei Millionen Kilometern
Seitenlänge aufspannen. Das gesamte Dreieck rotiert und wird der Erde auf ihrer
Bahn in zehn bis 25 Millionen Kilometern Abstand in einem sogenannten Driftorbit
folgen. Die einzelnen Sonden werden durch Laserstrahlen miteinander verbunden -
Präzisionsarbeit auf höchstem Niveau.
Durchläuft eine Gravitationswelle die Anordnung der Sonden, kann das
Observatorium ihre Schwingungen im Frequenzbereich zwischen 0,1 MilliHertz bis
0,1 Hertz "hören". Da die Mission äußerst komplex ist und Komponenten eingesetzt
werden, die am Erdboden nicht angemessen getestet werden können, muss die
notwendige Technologie zunächst im Weltraum erprobt werden.
Diese Aufgabe wird LISA Pathfinder übernehmen. Die Bestandteile der
wissenschaftlichen Nutzlast - des sogenannten LISA Technology Package
(LTP) - wurden von mehreren europäischen Ländern entwickelt und von Airbus
Defence & Space in Friedrichshafen zur Gesamtnutzlast zusammengesetzt. Das DLR
hat im Rahmen des ESA-Wissenschaftsprogramms die Entwicklung der Nutzlast
maßgeblich unterstützt. Der deutsche Beitrag wurde dabei wesentlich durch eine
Zuwendung des DLR Raumfahrtmanagements an das Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover gefördert.
Nachdem bereits die Steuerelektronik des LTP in die LISA-Pathfinder-Sonde
eingebaut und getestet worden ist, folgte nun als letzte und wichtigste Einheit
der Nutzlast das sogenannte LTP Core Assembly. Deren Integration ist
inzwischen abgeschlossen und die Einheit zur Montage in die Sonde und zu letzten
Tests von Friedrichshafen nach München ausgeliefert worden. Dort wurde
inzwischen auch dessen Einbau in die Sonde erfolgreich beendet.
In den zwei separaten Vakuumtanks des LTP sollen während des Betriebs der
Mission jeweils eine würfelförmige Testmasse von zwei Kilogramm nahezu frei von
allen inneren und äußeren Störkräften schweben und so eine kräftefreie Bewegung
im Raum demonstrieren. Eine spezielle Gold-Platin-Legierung sorgt dafür, dass
auf die Massen keine magnetischen Kräfte wirken. Eine berührungslose Entladung
mit Hilfe von UV-Strahlung verhindert eine elektrostatische Aufladung.
Eine besondere Herausforderung ist dabei der sogenannte Caging-and-Venting-Mechanismus,
der die Testmassen während der heftigen Vibrationen beim Start schützt, sie
höchst kontrolliert freigibt und sie gegebenenfalls auch wieder einfängt.
Mittels Laserinterferometrie werden die Positionen und die Ausrichtung der
beiden Testmassen relativ zum Satelliten und zueinander mit einer sehr hohen
Genauigkeit von etwa einem hundertmillionstel Millimeter gemessen. Darüber
hinaus werden die Positionen über weitere Sensoren mit geringerer Genauigkeit
erfasst.
Die Messdaten sollen dann mit Hilfe eines "Drag-Free Attitude Control System"
(DFACS) die Sonde so steuern, dass sie stets auf die Testmassen zentriert
bleibt. Die Lage des Satelliten regeln Kaltgas Mikro-Newton-Triebwerke, die für
die Astrometriemission Gaia entwickelt wurden und den Antriebschub
extrem fein und gleichmäßig dosieren können.
Der Start von LISA Pathfinder ist für Oktober 2015 geplant. Diesem wird
sich ein einjähriger Betrieb auf einer Bahn um den Lagrangepunkt L2, etwa 1,5
Millionen Kilometer in Gegenrichtung zur Sonne von der Erde entfernt,
anschließen. Die nach Joseph-Louis Lagrange benannten Punkte sind Orte, in denen
zwischen drei Himmelskörpern ein gravitativer Gleichgewichtszustand eintritt, so
dass eine Raumsonde an diesen Stellen im Idealfall kräftefrei "verharren" kann.
|