Kleiner Sensor für kleine Satelliten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Würzburg astronews.com
25. März 2015
Moderne Satelliten werden immer leistungsfähiger und
kleiner. Gleiches gilt für alle Komponenten, die auf ihnen zum Einsatz kommen.
Wissenschaftler der Universität Würzburg arbeiten an einem Sensor, der Pico- und
Nanosatelliten Informationen über ihre Lage im Weltraum liefert. Ein erstes
Modell soll noch in diesem Jahr ins All starten.

Ein Modell des Würzburger Star-Trackers
STELLA.
Foto: Gunnar Bartsch |
Das Prinzip ist alt: Schon die Wikinger haben sich bei ihren Fahrten
über das Meer an Sternbildern orientiert und so den Kurs bestimmt. An
Sternbildern orientiert sich auch ein Sensor, der heute Satelliten Informationen
über ihre Lage im Weltraum liefert. "Star-Tracker" heißen diese Geräte im
Fachjargon. "Ein Star-Tracker ist im Prinzip eine Kamera, kombiniert mit einem
Computer und einem Speicher", erklärt Hakan Kayal, Professor für
Raumfahrttechnik an der Universität Würzburg.
Mit der Kamera nimmt der Sensor ein Foto vom Sternenhimmel auf; dieses Bild
vergleicht er mit einem Katalog der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Dort sind
insgesamt 6.800 Sterne gespeichert und nach ihren Helligkeitswerten
klassifiziert. Anhand dieser Daten und der eigenen Aufnahme ist der
Sensorrechner in der Lage, die Ausrichtung des Satelliten auf seiner Bahn um die
Erde exakt zu bestimmten.
In einem neuen Forschungsprojekt arbeiten Kayal und sein wissenschaftlicher
Mitarbeiter Oleksii Balagurin jetzt daran, neuartige Soft- und
Hardware-Technologien für Miniatur-Sternsensoren zu entwickeln und zu testen.
Zum Einsatz sollen diese Sternsensoren auf sogenannten Pico- und Nanosatelliten
kommen - also auf Satelliten, die nur wenige Kilogramm schwer und
dementsprechend klein sind. Das Vorhaben wird vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie (BMWi) mit rund 325.000 Euro finanziert.
"Wo ist das Problem?", könnte sich der Laie bei diesem Vorhaben fragen.
Kleine Kameras, große Speicher und schnelle Rechner tragen heutzutage viele
Menschen in Form von Smartphones in ihren Hosentaschen. Was auf der Erde
funktioniert, lässt sich allerdings nicht mal eben auf die Situation in einer
Erdumlaufbahn übertragen. "Wir stehen vor einem Multiparameter-Problem", erklärt
Balagurin. Soll heißen: Bei der Entwicklung ihres Sternsensors müssen die
Wissenschaftler zahlreiche Faktoren berücksichtigen, die sich wechselseitig
beeinflussen.
Weit oben auf der Liste dieser Parameter stehen die Größe und das Gewicht des
Star-Trackers. Wenn der Satellit selbst nur so groß wie ein Fußball ist, darf
der Sensor nicht das Format einer Spiegelreflexkamera besitzen. Wichtig ist auch
der Energieverbrauch. Schließlich hilft der beste Sensor nichts, wenn seine
Batterie nach zwei Wochen leer ist, die Mission aber zwei bis drei Jahre dauern
soll.
Die Empfindlichkeit und Genauigkeit der Kamera, die Größe der Datenbank, die
Datenrate und der Aufbau der Schnittstelle sind weitere Parameter, die beim Bau
des Sensors bedacht werden müssen.
Was die Angelegenheit zusätzlich verkompliziert: Kein Satellit gleicht dem
anderen. Dementsprechend ist es auch nicht möglich, einen Standardsensor zu
entwickeln, der auf verschiedenen Modellen zum Einsatz kommen kann. Das führt
bei der Entwicklung zu einem schrittweisen Annäherungsprozess an die optimale
Kombination von Eigenschaften.
"Wenn man beispielsweise mit der Optik anfängt, legt man damit die
Grenzmagnitude fest - also die Helligkeit, die Sterne mindestens haben müssen,
damit sie von der Kamera gesehen werden", erklärt Balagurin. Ist der Wert der
Grenzmagnitude zu hoch, findet die Kamera nur wenige Sterne und somit
möglicherweise kein geeignetes Muster, das sie mit dem ESA-Katalog vergleichen
könnte. "Dann müssten wir entscheiden, ob wir die Empfindlichkeit erhöhen oder
die Optik so verändern, dass wir ein größeres Aufnahmefeld erhalten", sagt der
Projektleiter.
Und so ziehe in der Regel eine Entscheidung Konsequenzen für eine Vielzahl
weiterer Parameter nach sich, was die Suche nach dem Optimum deutlich
verkompliziert. Diesen Suchprozess zu automatisieren, ist ebenfalls Teil des
Forschungsprojekts. Kayal und Balagurin wollen einen Algorithmus entwickeln, der
ihnen diesen "Annäherungsprozess" abnimmt – oder diesen zumindest deutlich
verbessert.
Mit ihrer Arbeit fangen die beiden Wissenschaftler nicht bei Null an: Einen
Sternsensoren haben sie bereits zwischen 2009 und 2012 entwickelt. Er soll, wenn
alles klappt, Ende dieses Jahres mit einem rund 30 Kilogramm schweren Satelliten
der Technischen Universität Berlin auf eine Umlaufbahn um die Erde geschickt
werden.
Dabei konnten sie auch reichlich Erfahrungen im Bereich der
Materialwissenschaften sammeln - schließlich muss der Sensor für seine Reise
durch den Erdorbit unter anderem strahlungs- und schockresistent sein,
Temperaturwechsel von minus 40 bis plus 100 Grad Celsius verkraften und im
Vakuum funktionieren. Hilfe fanden die beiden Wissenschaftler bei diesem Teil
der Arbeit übrigens im benachbarten Technischen Betrieb der Universität
Würzburg. Deren Mitarbeiter hätten sie hervorragend unterstützt, so Kayal.
Eine spätere wirtschaftliche Verwertung des Würzburger Star-Trackers ist nach
Aussage von Kayal nicht ausgeschlossen. Die Möglichkeiten dafür würden derzeit
überprüft. Ein Markt dafür sei jedenfalls vorhanden: "Nanosatelliten werden von
Tag zu Tag besser; immer mehr von ihnen werden auf Raketen in den Orbit
geschickt", sagt Kayal. Und je besser die Satelliten werden, desto
anspruchsvoller könnten ihre Missionen ausfallen. "Dann sind auch interplanetare
Missionen beispielsweise zu Mond, Mars oder Jupiter denkbar", so Kayal.
Bis es soweit ist, müssen die Satelliten allerdings über eine wichtige
Funktion verfügen: Autonomie. Schließlich sollten sie in der Lage sein, auf
plötzliche Ereignisse selbstständig zu reagieren, wenn sie mehrere Millionen
Kilometer von der Erde entfernt sind und die Signale zur Bodenstation auf der
Erde und wieder zurück einfach zu lange dauern würden.
Auch daran arbeiten die Würzburger Raumfahrttechniker: Im Rahmen des Projekts
ASAP (Autonomes Sensor- und Autonomes Planungssystem) entsteht zum Beispiel
derzeit ein neues System, das unvorhersehbare, kurzzeitige Leuchtphänomene wie
Meteoreintritte in die Erdatmosphäre eigenständig an Bord von Nanosatelliten
detektieren und aufzeichnen kann.
Und im Rahmen des Projektes ADIA (Autonomes Diagnosesystem für Satelliten)
entwickeln sie ein System, das selbständig in der Lage ist, sich anbahnende oder
bereits aufgetretene Fehler an Bord von Satelliten zu analysieren und Ursachen
festzustellen. Damit könne wertvolle Zeit bei der Erkennung und Behebung von
Problemen gewonnen werden, was zur Erhöhung der Betriebssicherheit von
Satelliten beitragen kann, so Kayal.
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