Würzburger Minisatellit im All erfolgreich
Redaktion / DLR
astronews.com
15. Dezember 2005
UWE-1, der erste deutsche Minisatellit, ist seit über sechs Wochen
erfolgreich im Erdorbit unterwegs, wo er unter anderem helfen soll, das Internet
weltraumtauglich zu machen. Entwickelt wurde der Wunderwürfel von Studenten der
Universität Würzburg. Dort träumt man schon von einer ganzen Flotte von
Minisatelliten und arbeitet bereits an Plänen für UWE-2 und UWE-3.

UWE-1 beim Vibrationstest. Dabei wurde die Beschleunigung eines
simulierten Raketenstarts in alle drei Achsen gemessen. Foto:
Lehrstuhl für Technische Informatik /
Universität Würzburg |
Klein aber oho, das ist UWE: Nicht einmal ein Kilogramm
Masse bringt der von Studenten an der Universität Würzburg
gebaute Raumflugkörper auf die Waage. Als Huckepack-
Fracht des ESA-Studentensatelliten SSETI gelangte er am 27.
Oktober 2005 in den Erdorbit. Seit Wochen macht er Furore
und die glücklichen Erbauer stolz.
Die Reise begann am 27. Oktober 2005 vom nordrussischen
Kosmodrom Plesetsk.
Um 10.52 Uhr Ortszeit startete eine
Trägerrakete vom Typ Kosmos 3M mit insgesamt neun
Nutzlasten aus Russland, Europa und Asien an Bord. Bereits
nach einer halben Stunde war der Würzburger Kleinstsatellit
dort, wo er seine Kraft unter Beweis stellen sollte: auf einer
sonnensynchronen Umlaufbahn in 686 Kilometer Höhe. Nach der erfolgreichen
mehrwöchigen Inbetriebnahme sendet er nun kontinuierlich Daten, die weltweit von
Radioamateuren empfangen werden.
UWE steht für "Universität Würzburgs
Experimentalsatellit". Mit seinen Abmessungen von
10 mal 10 mal 10 Zentimetern ist der kleine Würfel aus
Würzburg nicht größer als ein Notizblockkasten und
enthält trotzdem alle Funktionen eines kompletten
Satelliten.
Raumflugkörper in dieser Größe und mit ungefähr
einem Kilogramm Masse werden auch als Picosatelliten oder – ihrer Form wegen – als
Cubesats bezeichnet. Sie sind für Universitäten und
Hochschulen eine kostengünstige Möglichkeit,
Studenten an die Praxis der Weltraumforschung und das Systemdesign von
Satelliten heranzuführen.
Mit dem gleichen Ziel wurde an der Universität Würzburg UWE-1 kreiert, der erste
deutsche Picosatellit. Unterstützung bekamen die Würzburger dabei von Sponsoren
wie der ESA, dem Solarzellenhersteller RWE Solutions, dem Raumfahrtkonzern EADS
Astrium, dem Dienstleistungsunternehmen IABG sowie von weiteren Firmen.
Unter der Leitung von Professor Klaus Schilling haben 15 Studenten aus fünf Ländern
einen fränkischen Zauberwürfel entwickelt. UWE-1 soll ja nicht nur Telemetriedaten
über seinen Gesundheitszustand senden, der bislang exzellent ist. Das
Studententeam verfolgt drei anspruchsvolle Ziele: Es möchte mit der
Datenübermittlung neue und zuverlässigere Übertragungstechniken von
Satellitendaten für das Internet erproben, Hochleistungs-Solarzellen unter
Weltraumbedingungen testen, sowie Miniaturisierungstechniken, energiesparende Hardware und leistungsfähige Opensource-Software für das Betriebssystem der
Borddatenverarbeitung erproben.
Der Gedanke ist faszinierend: an jedem beliebigen Punkt der Erde Daten eines
Satelliten sowohl abrufen als auch zu ihm senden zu können. Die Infrastruktur dafür
ist bereits weltweit verfügbar – das Internet. Die angewendete
Übertragungstechnologie hat jedoch ihre Grenzen. Daten werden im Internet als
Häppchen in Form von Datenpaketen von Server zu Server weitergereicht, bis sie ihr
Ziel erreicht haben und dort wieder zusammengefügt werden. Dazu müssen die
Pakete in elektronische "Briefumschläge" mit Adressen und weiteren Angaben
gepackt werden.
Das geschieht mittels der TCP/IP-Protokolle.
Unter Weltraumbedingungen treten aber häufiger Störungen der Übertragungen oder
ein Überschreiten der maximalen Zeitspanne für die Empfangsbestätigung auf. Das
Standard-Transportprotokoll TCP interpretiert das als Verlust und wiederholt damit
das Senden der Daten. Dadurch kommt es dann zu einem Stau auf der
Datenautobahn. Die Würzburger Wissenschaftler und Studenten wollen nun mit
weiter entwickelten Protokollen diese Fehleinschätzung vermeiden und damit das
Internet für die Zusammenarbeit mit Satelliten fit machen.
Bei Bodenstationen denkt man zunächst an riesige Räume,
voll gestopft mit Computern und Bildschirmen, wie sie von
der ESA oder der NASA her bekannt sind. Auch hier gilt in
Würzburg das Prinzip "small is beautiful": UWE-1 wird in
Würzburg von einem Seminarraum aus überwacht. Lediglich
die Antennenanlage auf dem Dach des Institutsgebäudes
zeigt, dass hier Satellitendaten empfangen und gesendet
werden. Das jeweilige Studententeam nimmt von hier
zweimal täglich Verbindung zu seinem Baby auf. Die
Würzburger gehen von einer fünfjährigen Betriebszeit aus.
Aber vielleicht funktioniert der Satellit sogar noch länger.
Weitere Daten kommen von den weltweit verteilten Cubesat-Bodenstationen sowie von der internationalen Gemeinde der Funkamateure,
die ihre empfangenen Datensätze per E-Mail nach Würzburg schicken. Ein
Forschungsziel ist auch die Informatik für die Vernetzung vieler kostengünstiger
Bodenstationen über Internet weiterzuentwickeln, um hier ständigen Datenaustausch
mit mehreren Picosatelliten durchführen zu können. Auf diese Art und Weise
dürfte in den nächsten Jahren eine riesige Datenbasis zur Auswertung und
Weiterentwicklung der Software entstehen.
Mit Begeisterungsstürmen wurde in Würzburg die überaus erfolgreiche Arbeit des
fränkischen Metallwürfels honoriert.
"Es war in den ersten Tagen ein unbeschreibliches Gefühl, Signale von einem Gerät
fast 700 Kilometer über der Erdoberfläche zu empfangen, an dem man selbst
mitgewirkt hat", resümiert Bernhard Herbst, der wesentlich an der Entwicklung der Onboard-Software beteiligt war. Wie er, sind die hochmotivierten Studenten stolz auf
das Erreichte. Schließlich haben sich die Mühen gelohnt: die monatelange Arbeit,
oftmals bis spät in die Nacht hinein sowie an Wochenenden.
"Unser Ziel, Studenten an die praktische Arbeit eines komplexen Projektes
heranzuführen, sich dabei im Team zu organisieren sowie Verantwortung zu
übernehmen, haben wir erreicht", freut sich Professor Schilling. Und er ergänzt:
"Die
Studenten waren von Anfang an mit Begeisterung dabei und konnten so
Kompetenzen im System-Engineering erwerben, die ihnen bei ihrer weiteren
beruflichen Entwicklung sicher von Nutzen sein werden."
Auf Bernhard Herbst wartete dann noch eine besondere Überraschung. Unterstützt
durch die ESA konnte er das Projekt im Oktober dieses Jahres auf dem 56.
Internationalen Astronautischen Kongress (IAF) in Fukuoka (Japan) vorstellen.
Ebenfalls mit Erfolg.
UWE-1 soll keine Eintagsfliege bleiben. Derzeit arbeiten Doktoranden an
Aufgabenstellungen für UWE-2 und UWE-3.
Die nächste Generation wird sicher hochwertige Forschungsinstrumente an Bord
haben und über winzige Antriebssysteme verfügen, um kleine Bahnänderungen
vornehmen zu können. In späteren Jahren stellt sich Professor Schilling einen
ganzen Schwarm von Picosatelliten vor, die miteinander kommunizieren können und
als Träger von Sensoren dienen. Im Zusammenwirken sollen sie hochempfindliche
Systeme für astronomische Forschungen oder die Fernerkundung der Erde
ermöglichen.
Mit anderen Worten: Die Voraussetzungen sind geschaffen, dass auch in den
kommenden Jahren immer wieder neue Studentengruppen von Würzburg aus den
Weltraum erobern können.
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