Virtueller Blick auf Vesta
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
11. März 2011
Unregelmäßig geformt, mit einer leichten Delle am Südpol und sehr vielen
Einschlagskratern - so stellen sich Forscher den Asteroiden Vesta vor.
Die Sonde Dawn wird ihn im Sommer nach fast vier Jahren Flug
erreichen. Am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und in
Amerika bereitet man sich mithilfe einer Simulation auf die Ankunft
vor.

Ausschnitt aus der Animation des
virtuellen Asteroiden Vesta.
Bild: DLR |
Für die Planetenforscher ist die Reise zu Vesta auch eine Reise in
die Vergangenheit, da sich der Asteroid nach der Entstehung des
Sonnensystems kaum verändert hat. "Es ist das erste Mal, dass wir so nah
an einen so alten Himmelskörper gelangen", sagt Prof. Ralf Jaumann vom
DLR-Institut für Planetenforschung. "Mit Vesta haben wir die Chance zu
lernen, was passierte, als sich aus einer Staubwolke die ersten Planeten
bildeten."
Entdeckt wurde der Asteroid am 29. März 1807 von dem deutschen Astronom
Heinrich Olbers. Spektralmessungen mit Teleskopen von der Erde aus
zeigen, dass der Himmelskörper ebenso wie die erdähnlichen Planeten
vermutlich eine feste Kruste aus Gesteinen unterschiedlicher
Zusammensetzung, einen Mantel und einen Kern hat. Kurz nach der
Entstehung des Asteroiden vor 4,6 Milliarden Jahren muss Vesta jedoch
vollkommen geschmolzen gewesen sein. In den folgenden 50 Millionen
Jahren kühlte Vesta ab und die Gesteine trennten sich nach ihrer
unterschiedlichen Dichte, wobei das schwere Material nach innen
wanderte. "Nach diesem Prozess geschah auf Vesta allerdings nicht mehr
viel", erklärt Planetengeologe Jaumann.
Hinzu kommt, dass auf der Erde sehr wahrscheinlich bereits etliche
kleine Stücke des Asteroiden gefunden wurden. Vor allem in der Sahara
und der Antarktis stießen die Forscher auf Meteoriten, deren chemische
Zusammensetzung mit den Bestandteilen von Vesta übereinstimmen. Dies
legen zumindest die Spektralanalysen nahe, die von der Erde aus bei
Vesta sowie den entdeckten Meteoriten durchgeführt wurden. "Wir sind
ziemlich sicher, dass wir Proben von Vesta hier auf der Erde haben",
erklärt Jaumann.
Die Planetenforscher gehen davon aus, dass einst ein anderer Asteroid
mit Vesta zusammenprallte und bei diesem gewaltigen Zusammenstoß nicht
nur ein 13 Kilometer tiefer Krater auf Vesta, sondern auch 50 neue
kleine Asteroiden entstanden und etliche kleine Bruchstücke ihren Weg
zum Teil bis auf die Erde fanden. Bisher können aus der Vielzahl von
Meteoriten auf der Erde nur wenige eindeutig dem Mond, Mars und eben
Vesta zugeordnet werden, der Ursprung aller anderen ist jedoch ungewiss.
Dass man einige Proben eindeutig Vesta zuordnen kann, ist ein Glücksfall
für die Sonnensystemforschung.
Angetrieben von einem Ionen-Triebwerk bringt die Sonde Dawn der
amerikanischen Weltraumbehörde NASA deshalb drei verschiedene
Instrumente zum Asteroidenhauptgürtel zwischen Mars und Jupiter: Neben
einem Mapping Spectrometer der italienischen Raumfahrtagentur
Agencia Spaziale Italia (ASI) und einem vom Los Alamos National
Laboratory gebauten Gammastrahlen- und Neutronendetektor ist ein
deutsches Kamerasystem, die so genannte Framing Camera, mit an
Bord. Sie soll im August zunächst aus einer Umlaufbahn in rund 2400
Kilometer Entfernung den Asteroiden aufzeichnen und die Daten liefern,
die am DLR-Institut für Planetenforschung zu einem vorläufigen
3D-Geländemodell verarbeitet werden.
"Dann schrauben wir uns langsam auf eine Höhe von 660 Kilometern
hinunter", erklärt DLR-Wissenschaftler Dr. Thomas Roatsch, der für die
Planung und Prozessierung der dreidimensionalen Vesta-Aufnahmen
zuständig ist. "Von dort aus können wir noch detailliertere Bilder mit
einer Auflösung von 60 Metern pro Bildpunkt aufnehmen." Zum Ende des
Besuchs bei Vesta kreist Dawn dann in nur noch 200 Kilometer
Entfernung von der Asteroidenoberfläche. Während dieser Phase bestimmt
der Gammastrahlen- und Neutronendetektor die chemische Zusammensetzung
des Himmelkörpers, und Vestas Schwerefeld wird bestimmt, um die innere
Struktur des Asteroiden zu enthüllen.
Mit der Animation des virtuellen Asteroiden Vesta stellten die
DLR-Wissenschaftler nun ihre Stereo-Software auf die Probe. "Wir haben
diese Software zwar schon für Mond, Mars und Merkur eingesetzt, aber
jede Mission hat nun einmal ihre Eigenheiten", sagt Roatsch. Für die
virtuelle Übung erhielten die Forscher von Nick Mastrodemos vom Jet
Propulsion Laboraty der NASA "simulierte" Aufnahmen der
Asteroiden-Oberfläche. Diese wiederum beruhten auf Aufnahmen des
Hubble-Teleskops, das aus dem Weltall heraus aus großer Entfernung auf
Vesta blickt. Mit diesem Material berechneten Roatsch und sein Team,
welche Gestalt Vesta sehr wahrscheinlich haben wird.
Bis Vesta sich jedoch mit Rundungen und Einbuchtungen dreidimensional
als Animation drehte, investierten die DLR-Wissenschaftler einige Wochen
Arbeitszeit. Zeitgleich erarbeitete ein amerikanisches Team des
Planetary Science Institute in Tuscon im US-Bundesstaat Arizona auf
derselben Datenbasis – aber mit einer anderen Methode - ein
dreidimensionales Modell von Vesta. Die Unterschiede zwischen den beiden
entstandenen künstlichen Geländemodellen waren nur geringfügig. "Wir
wissen jetzt, dass unsere Datenverarbeitung die erforderliche
Genauigkeit leisten kann", betont Roatsch.
Allerdings: Den Planetenforschern ist bewusst, dass dies bisher nur
Testläufe für die eigentliche Mission sind. "Wir werden erst dann
wirklich wissen, wie Vesta aussieht, wenn Dawn am Asteroiden
ankommt", sagt auch Carol Raymond, Dawn-Wissenschaftlerin am
Jet Propulsion Laboratory der NASA. Etwa ein Jahr wird die
Sonde um den Asteroiden kreisen und ihn dabei möglichst genau
aufzeichnen und analysieren. Die DLR-Wissenschaftler hoffen dann, Vesta
möglichst komplett kartografieren zu können.
Damit ist die lange Reise der Sonde aber noch nicht beendet: Für sie
geht es weiter zum Asteroiden Ceres, dem kompletten Gegensatz zu Vesta.
Der größte bisher entdeckte Asteroid ist bis zu 450 Millionen Kilometer
– und damit weiter als Vesta – von der Sonne entfernt und besteht unter
seiner Kruste sehr wahrscheinlich aus Gas und zu 25 Prozent aus
gefrorenem Wasser. Flüssigkeiten und Gase sind in dieser Entfernung von
der Sonne nicht verdampft und ins Weltall entwichen. Welche
Oberflächenstruktur der "nasse" Asteroid hat, ist noch unbekannt.
Eventuell hat der Asteroid sogar eine dünne Atmosphärenschicht.
Voraussichtlich im Februar 2015 wird Dawn in die Umlaufbahn von
Ceres schwenken. "Mit der Dawn-Mission werden wir uns ein Bild
davon machen, was in den ersten Millionen Jahren nach der Entstehung der
Planeten geschah", sagt Jaumann. "Wir fliegen sozusagen in die
Morgendämmerung des Sonnensystems."
Die Mission Dawn wird vom Jet Propulsion Laboratory
der NASA geleitet. Die University of California in Los Angeles
ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das
Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in
Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für
Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und
gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der
Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.
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