Erste Ergebnisse des simulierten Marsflugs
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. Februar 2011
Halbzeit für die Mars500-Mission: Nach einem 250-tägigen
virtuellen Flug zum Mars werden drei Crewmitglieder am 12. Februar 2011
auf einem simulierten Roten Planeten landen. Die vergangenen Monate
nutzten deutsche Wissenschaftler unter anderem für eine bislang
einmalige Ernährungsstudie. Erste Ergebnisse wurden heute vorgestellt.
Bis zum 8. Februar 2011 fand die Ernährung unter
deutscher Regie statt: Der Wissenschaftler Dr.
Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg
entwickelte mit seinem Team detaillierte
Ernährungspläne für die erste Hälfte der Mission,
von nun an werden unter russischer Regie bis zum
Ende der Mission im November 2011 Astronautenkost
sowie russische und koreanische Produkte auf dem
Speiseplan der Crew stehen.
Foto: ESA / DLR [Großansicht] |
"Die insgesamt elf deutschen Experimente wurden bisher mit hoher
Genauigkeit professionell durchgeführt", freut sich Peter Gräf vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), zuständig für die
deutsche Projektleitung. Wenn der Russe Alexandr Smoleevsky und der
Italiener Diego Urbina am 14. Februar in ihren Raumanzügen aus dem
Landemodul steigen, haben sie bereits eine lange Zeit der Isolation
hinter sich gebracht: Ihre virtuelle Reise zum Mars startete am 3. Juni
2010, als sich hinter ihnen die Luke für das längste jemals
durchgeführte Weltraum-Simulationsexperiment schloss. Es findet im
Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) statt.
"Alle sechs Crew-Mitglieder befinden sich in sehr guter körperlicher
Verfassung", erklärt Gräf. 550 Quadratmeter groß ist das "Raumschiff",
in dem die sechs Männer aus Russland, Europa und China leben. Dabei
befolgen sie nicht nur einen strikten Zeitplan, der genaue Vorgaben für
Experimente, Wartungsarbeiten und Fitnesstraining gibt. Auch der
Ernährungsplan für die "Kosmonauten" ist genau geplant.
Bis zum 8. Februar 2011 fand die Ernährung unter deutscher Regie statt:
Der Wissenschaftler Dr. Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg
entwickelte mit seinem Team detaillierte Ernährungspläne für die erste
Hälfte der Mission, von nun an werden unter russischer Regie bis zum
Ende der Mission im November 2011 Astronautenkost sowie russische und
koreanische Produkte auf dem Speiseplan der Crew stehen.
Die elf deutschen Experimente der Mars500-Mission werden durch
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über das DLR
gefördert. Für die beteiligten Wissenschaftler ist die Mission bisher
sehr erfolgreich verlaufen. Die lang andauernde Isolation der
Crewmitglieder unter kontrollierten Bedingungen, die Monotonie im
Alltag, aber auch der hohe Leistungsdruck schaffen Bedingungen, die für
die Forschung einzigartig und von großem Vorteil sind.
"Selbst bei gesunden Probanden führte eine verminderte Kochsalzzufuhr in
der Nahrung zu einer deutlichen Senkung des Blutdrucks", erklärt Dr.
Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg. Dies belege, dass
salzreduzierte Ernährung nicht nur für Nieren- und Bluthochdruckkranke
von Nutzen sei, sondern auch bei Gesunden langfristig Schlaganfall,
Herzinfarkt und Arteriosklerose vorbeugen könne.
Titze hatte bei dieser weltweit längsten Stoffwechselstudie den
"Kosmonauten" die tägliche Kochsalzzufuhr über die Monate hinweg
schrittweise heruntergesetzt, während alle anderen Nahrungsbestandteile
konstant gehalten wurden. Die Ergebnisse des Isolationsexperiments
sollen in Zukunft auch dazu dienen, in klinischen Studien mit den
Mars500-Menüplänen den Blutdruck unter Alltagsbedingungen zu
senken. Parallel dazu untersuchen Wissenschaftler des DLR-Instituts für
Luft- und Raumfahrtmedizin unter anderem die Zusammenhänge von
Salzzufuhr und Knochenhaushalt sowie die Ausbreitung von Keimen in einem
geschlossenen Lebensbereich.
Aufschluss gab das Mars500-Projekt den Wissenschaftlern auch
über die Auswirkungen von Stress auf das menschliche Immunsystem: "Die
ersten vorläufigen Studienergebnisse deuten auf eine Modulation und
Hemmung bestimmter Zellantworten hin, die in der Infektabwehr bedeutsam
sind", sagt Prof. Alexander Choukèr von der
Ludwig-Maximilians-Universität München. Ziel seiner Untersuchungen ist
es, das Zusammenspiel von Gehirn und Immunsystem bei Stress-Reaktionen
besser zu verstehen.
Die positiven Effekte von Sport stellte Dr. Stefan Schneider von der
Deutschen Sporthochschule Köln bei den Mars500-Probanden bisher
fest. "Es zeigt sich eine deutliche Verbesserung der kognitiven
Leistungsfähigkeit." Außerdem habe der Sport zu einem deutlichen Anstieg
der Selbstsicherheit beigetragen. Wie hoch die kognitive
Leistungsfähigkeit der "Kosmonauten" war, testeten die Forscher unter
anderem mit einem iPod an Bord.
Erste Ergebnisse liegen auch bereits vor für die Untersuchung der
zirkadianen Rhythmen des Menschen, das heißt der biologischen und
psychischen Vorgänge im Körper, die nach einem natürlichen Rhythmus,
häufig einer Tageslänge, verlaufen. Die Forscher vermuteten, dass gerade
bei Langzeitflügen diese Rhythmen beispielsweise durch verminderte
physische Aktivität, das Beengtsein oder auch die Veränderung des
Hell-Dunkel-Zyklus beeinträchtigt würden.
Die ersten Messungen der Körperkerntemperatur während der Isolation
bestätigten dies: "Die vorläufigen Ergebnisse deuten daraufhin, das zwar
die zirkadiane Rhythmik zunächst erhalten bleibt, aber die Breite der
Schwankungen der Körperkerntemperatur deutlich abgeschwächt werden",
zieht Prof. Dr. Hanns-Christian Gunga von der Charité Berlin Bilanz.
Für die sechs Kosmonauten geht die Reise noch weiter: Nach drei
Spaziergängen auf der simulierten Marsoberfläche kehren Aleksandr
Smoleevsky, Diego Urbina und Wang Yue am 27. Februar aus dem Landemodul
wieder in die Raumstation zurück. Anschließend dauert der Rückflug noch
einmal acht Monate, bis sich am 5. November 2011 dann wieder die Luke
zur Außenwelt öffnen wird.
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