Simulierte Marsmission beginnt morgen
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
30. März 2009
Bis Menschen sich wirklich auf den Weg zum Mars machen,
werden noch einige Jahrzehnte vergehen. Morgen beginnt aber in Russland
zumindest schon einmal eine simulierte Marsmission. Im Rahmen des Projektes
Mars500 sollen sechs Menschen für 105 Tage isoliert von der Außenwelt in
einer Containeranlage leben und dabei verschiedene Aspekte eines Marsflugs
trainieren.

Die Mars500-Isolationskammer im IBMP in Moskau
besteht aus mehreren Modulen. Der Wohn- und
Arbeitsbereich ist in der langen Röhre (links)
untergebracht, die künstliche Marsoberfläche
oberhalb davon (rechts).
Foto: DLR [Großansicht] |
Im Mittelpunkt der Isolationsstudie Mars500 steht die Frage: Wie kann die
physische und psychische Leistungsfähigkeit eines Menschen unter den extremen
Bedingungen eines Fluges zum Mars erhalten werden? Das höchst ambitionierte
Isolationsexperiment startet am 31. März 2009 im Institut für Biomedizinische
Probleme (IBMP) der russischen Akademie der Wissenschaften: Sechs Menschen
werden für die Dauer von 105 Tagen in einen Container eingeschlossen, um
verschiedene Aspekte eines simulierten Marsfluges zu trainieren.
Gemeinsam mit dem IBMP und der Europäischen Weltraumorganisation ESA ist das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durch eine Reihe von Experimenten
und durch finanzielle Förderung maßgeblich an der Studie Mars500 beteiligt.
Unter den Teilnehmern ist neben vier Russen und einem Franzosen auch der
Deutsche Oliver Knickel, ein 28-jähriger Bundeswehr-Offizier aus Eschweiler bei
Aachen.
Die bei Mars500 vorherrschenden Rahmenbedingungen bilden eine einzigartige
Testumgebung. Erstmals wird eine so genannte elektronische Nase, ein tragbares
Gas-Sensorsystem zum Aufspüren mikrobakterieller Verunreinigung, seine
Einsatztauglichkeit unter Beweis stellen. Ziel der hier federführend beteiligten
Forschungszentren - IBMP, DLR und UFT (Zentrum für Umweltforschung und
nachhaltige Technologien der Universität Bremen) - ist es, das Gerät für den
Einsatz im russischen Segment der Internationalen Raumstation ISS zu
qualifizieren. Im Inneren der russischen Vorläufer-Station MIR hatten
Wissenschaftler zahlreiche, teilweise mutierte Bakterien- und Pilzarten
nachgewiesen. Diese befanden sich hauptsächlich auf kalten Materialoberflächen,
in deren Umgebung Kondenswasser vorhanden war. Zerstörte Glas-, Kabel- und
Plastikteile waren die Folge.
Gerade bei einer Langzeitmission, zum Beispiel zum Mars, würde das
unkontrollierte Wachstum solcher Kulturen ein gravierendes Problem darstellen.
Die von der Firma Airsense Analytics mit finanzieller Förderung durch das DLR
entwickelte elektronische Nase könnte ein Lösungsansatz sein: Sie ist in der
Lage, Gerüche zu erlernen und wiederzuerkennen. Sie liefert objektive Ergebnisse
im Minutentakt.
Auch der menschliche Organismus ist bei einer bemannten Weltraummission von
entscheidender Bedeutung. Daher gibt es bei Mars500 hierzu ein eigenes
Experiment: Die Zufuhr von Nahrungsmitteln und der Stoffwechsel der
Versuchspersonen wird vollständig überwacht und dokumentiert. Wissenschaftler
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg führen eine
Langzeituntersuchung zum Salz- und Flüssigkeitshaushalt des menschlichen Körpers
durch. Weitere Experimente beschäftigen sich, darauf aufbauend, unter anderem
mit dem Einfluss der Salzzufuhr auf den Blutdruck in Abhängigkeit von Stress und
Arbeitsplan.
Der zu erwartende Erkenntnisgewinn in der Weltraummedizin kommt auch Patienten
auf der Erde zugute. Wissenschaftler des DLR aus Köln und Hamburg sowie der
Deutschen Sporthochschule Köln sind an diesem Versuch ebenso beteiligt wie an
Untersuchungen des Knochenstoffwechsels unter eingeschränkter Aktivität und der
psychophysiologischen Leistungsfähigkeit unter Extrembedingungen. Den
Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem gehen Mediziner der
Ludwig-Maximilians-Universität München auf den Grund.
Die Entfernung zwischen der Erde und dem Mars schwankt zwischen 56 und rund
400 Millionen Kilometern. Selbst bei einer günstigen Konstellation müsste eine
Hin- und Rückreisezeit von insgesamt knapp 500 Tagen einkalkuliert werden, ein
einmonatiger Forschungsaufenthalt auf dem Roten Planeten nicht mitgerechnet.
Eine solche bemannte Mission, die in circa zwanzig bis dreißig Jahren Realität
werden könnte, stellt höchste Anforderungen an die Crew: Abgesehen von langen
Schwerelosigkeits- und kurzen Hyperschwerkraftphasen sowie dem Einfluss
kosmischer Strahlung, die im Rahmen der Mars500-Mission nicht untersucht werden,
müsste der Verlust der visuellen Bindung an die Erde kompensiert und
lebenswichtige Entscheidungen wegen des verzögerten Funkkontakts zum Boden
autonom getroffen werden. Zudem müssten die Astronauten in der Lage sein, die
technischen Systeme ihres Raumschiffs ohne Lieferung zusätzlicher Ausrüstung
selbst zu warten.
Bei dem Container, der am 31. März bezogen wird, handelt es sich um ein
röhrenförmiges Modularsystem mit einer Wohn- und Arbeitsfläche von 180
Quadratmetern. Hinzu kommen Kühl- und Gefrierzellen für die Nahrungsmittel, die
größtenteils von deutschen Zulieferern zur Verfügung gestellt werden sowie eine
kleine Quarantänestation. Es herrscht normaler Luftdruck, das Gravitationsfeld
ist unbeeinflusst. Jedem Probanden steht eine Kabine von drei Quadratmetern
Grundfläche einschließlich eines schmalen Betts zur Verfügung. Der Funkverkehr
zur "Bodenstation" und zurück erfolgt mit bis zu 40-minütiger Verzögerung.
Darüber hinaus ist es den Teilnehmern gestattet, E-Mails und Videobotschaften zu
versenden.
Zwölf Teilnehmer - die sechsköpfige Containercrew und eine als Bodencrew
fungierende Ersatzmannschaft in gleicher Stärke – trainieren bis kurz vor dem
Start alle wesentlichen Arbeitsschritte. Parallel laufen abschließende
medizinische und psychologische Checks. Die Containercrew besteht aus folgenden
Mitgliedern: Oliver Knickel (Deutschland), Cyrille Fournier (Frankreich), Sergey
Ryazanskiy, Aleksey Baranov, Aleksey Shpakov und Oleg Artemiev (Russland).
Zusätzlich fungieren von europäischer Seite die Franzosen Cedric Mabilotte und
Arc´hanmael Gaillard als Ersatz beziehungsweise als Teil der Bodencrew.
Voraussichtlich im Dezember 2009 soll das Experiment mit einer realitätsnahen
Flug- und Aufenthaltsdauer auf dem Mars von 520 Tagen in die zweite Runde gehen.
Eigens hierfür werden derzeit eine Mars-Landeeinheit und eine virtuelle
Marsoberfläche konstruiert.
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