Irdische Bakterien auf Titan?
von Stefan
Deiters
astronews.com
27. März 2006
Könnten Bakterien von der Erde durch Asteroideneinschläge
ins All und dann auf vermeintlich lebensfreundliche Planeten und Monde unseres
Sonnensystems gelangt sein? Ein kanadischer Wissenschaftler hat diese Frage
untersucht. Das Ergebnis: Der Saturnmond Titan wäre für irdische Bakterien, die
Huckepack auf einem Meteoriten reisen, leicht zu erreichen.

Gelangten durch Asteroiden-Einschläge irdische
Bakterien auf andere Himmelskörper? Bild: NASA / Don
Davis |
Die so genannte Panspermia-Theorie wird schon seit einiger Zeit unter
Astrobiologen diskutiert: Könnte primitives Leben von anderen Welten per
Meteorit auf die Erde oder den Mars gelangt sein? Stammt das Leben auf der Erde
also aus dem Weltall? Dass diese These zumindest einen realen Hintergrund hat,
beweisen unzählige Meteoritenfunde. Einige dieser Meteoriten stammen nämlich,
wie umfangreiche Analysen im Labor ergeben haben, von Mond und Mars (astronews.com
berichtete). Bei einem gewaltigen Asteroideneinschlag gelangten diese
Gesteinsbrocken dann ins All und landeten schließlich auf der Erde.
Auf einer Konferenz im texanischen Houston stellte Brett Gladman von der
University of British Columbia im kanadischen Vancouver nun eine Studie vor,
die den genau umgekehrten Fall betrachtet: Könnte das Leben von der Erde auch
ins All transportiert worden sein und sich dann auf potentiell
lebensfreundlichen Planeten oder Monden in unserem Sonnensystem entwickelt
haben?
Damit überhaupt Gestein die Erde verlassen kann, bedarf es schon eines gehörigen
Einschlags: Gladman glaubt, dass mindestens ein Asteroid mit einem Durchmesser
zwischen zehn und 50 Kilometern auf der Erde einschlagen müsste, damit Brocken
von ausreichender Größe und Energie ins All geschleudert werden. Nur diese
können der Anziehungskraft der Erde auch entkommen. In Frage käme dafür
beispielsweise der Einschlag, der für das Sterben der Dinosaurier vor 65
Millionen Jahren verantwortlich war.
Das Forscherteam hat nun die Folgen solcher Einschläge am Computer simuliert und
verfolgt, bis wohin die Brocken von der Erde gelangen könnten. Jeder dieser
Treffer, so die Wissenschaftler, würde rund 600 Millionen Gesteinsbrocken in
eine Umlaufbahn um die Sonne befördern. Einige könnten sogar auf
Geschwindigkeiten von mehr als sechs Kilometern pro Sekunde beschleunigt werden
und so Jupiter und Saturn in rund einer Million Jahren erreichen.
Rund 100 Brocken von jedem Einschlag würden es, so Gladmans Berechnungen, bis
zum Jupitermond Europa schaffen, der unter seiner Eiskruste flüssiges Wasser
beherbergen könnte. Allerdings würden die Meteoriten kurz vor der Ankunft bei
Europa durch die gewaltige Anziehungskraft des Gasriesen auf Geschwindigkeiten
von bis zu 40 Kilometern pro Sekunde beschleunigt und daher mit einer solchen
Wucht auf Europa einschlagen, dass die Bakterien wohl kaum eine Überlebenschance
hätten.
Günstiger für irdische Bakterien sähe es allerdings auf dem Saturnmond Titan
aus, den nach den Simulationen rund 30 Brocken pro Asteroideneinschlag erreichen
sollten. Hier würde die Einschlaggeschwindigkeit nur 11 Kilometer pro Sekunde
betragen. Das ist eine geringere Geschwindigkeit als die der meisten Meteore,
die in die Erdatmosphäre eintreten. Zudem würden die irdischen Meteoriten in der
dichten Atmosphäre des Titan abgebremst, so dass eine unbeschadete Landung der
Bakterien auf dem Saturnmond möglich sein sollte.
Wie zäh Bakterien sein können, zeigte sich erst kürzlich, als man entdeckte,
dass Bakterien sogar die Columbia-Katastrophe überlebt haben. Nur eines
ist unklar: Würden sich irdische Bakterien auf Titan überhaupt wohl fühlen? Der
Saturnmond ist mit einer fremden Atmosphäre und Temperaturen von minus 179 Grad
Celsius alles andere als eine einladende neue Heimat.
|