Eisiger Staubball statt schmutziger Schneeball
Redaktion / MPG
astronews.com
14. Oktober 2005
Kometen, so kann man in jedem Astronomiebuch nachlesen, sind nichts weiter
als schmutzige Schneebälle. Zumindest im Fall von Tempel 1 aber scheint dies
nicht ganz den Tatsachen zu entsprechen: Als die NASA nämlich ein Projektil auf
den Kometen schoss, war in dem Auswurf mehr Staub als Wasser enthalten, wie die
europäische Kometensonde Rosetta entdeckte.
Entwicklung des Kometenstaubs. Links ist das Bild des Kometen
vor dem Einschlag zu sehen, rechts ein Bildausschnitt zehn
Minuten vor dem Einschlag sowie 21 Stunden und 47 Stunden
danach. Die projizierte Richtung zur Sonne ist nach oben, die
Bewegungsrichtung des Kometen und des Projektils sind
eingezeichnet. Bild: Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung [Großansicht] |
Als die NASA am 4. Juli 2005 ein Projektil in den Kometen Tempel 1 schoss, um
Kometenmaterial in den Weltraum zu schleudern, da verfolgten Wissenschaftler das
Ereignis unter anderem mit Hilfe der OSIRIS-Kameras an Bord der ESA-Kometensonde
Rosetta, die unter Federführung des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung entwickelt worden waren.
Die Kameras filmten den Kometen
von fünf Tagen vor dem Einschlag bis zehn Tage nach dem Einschlag. Aus den
OSIRIS-Messungen des Auswurfs schließen Forscher jetzt, dass der Komet mehr
Staub als Wasser enthält. Die Wissenschaftler berichten darüber in den aktuellen
Ausgaben der Zeitschriften Nature und Science.
Die Max-Planck-Forscher beobachteten die Folgen des Einschlags des 380 Kilogramm
schweren Kupfer-Projektils, das mit einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro
Sekunde in die Kometenoberfläche gerast war und verglichen die Daten mit denen
der normalen Koma - des "Schweifs" - des Kometen vor und nach dem Ereignis.
Die
Koma besteht vor allem aus Wasserdampf und Staub, die durch Sonneneinstrahlung
von der Oberfläche des Kometen abgelöst werden. Das Eis geht dabei in den
gasförmigen Zustand über, ohne zu verflüssigen; es "sublimiert". Die frei
werdenden Moleküle werden schneller, reißen die Staubteilchen mit und
beschleunigen sie zusätzlich.
Der Staub in der Koma ist sichtbar, da er das Sonnenlicht reflektiert. Der
beim Einschlag freigesetzte Staub wurde mit der Telekamera von OSIRIS mit einer
Auflösung am Kometen von 3.000 Kilometern beobachtet. In den Stunden und Tagen
nach dem Einschlag zeigte sich der zusätzliche Staub durch einen
Helligkeitszuwachs in der Koma des Kometen. Es bildete sich zunächst eine Wolke,
die aufgrund der Geometrie des Auswurfs aus dem Krater halbkreisförmig war.
Später wurde der Staub durch den Strahlungsdruck der Sonne von der Sonne weg
beschleunigt. Aufgrund der Entfernung der Staubwolke vom Kern in verschiedenen
Bildern kann man die Geschwindigkeit des Staubs abschätzen: Die Staubteilchen
entfernten sich mit einer typischen Geschwindigkeit von ca. 110 m/s vom Kern,
die schnellsten Teilchen mit mindestens 300 m/s.
Der Anstieg der Helligkeit durch den beim Einschlag erzeugten Staub dauerte
ungefähr 40 Minuten. Es wird vermutet, dass ein Großteil des Materials den
Kometenkern beim Einschlag als eishaltige Staubkörner verlassen hat. Danach
waren die einzelnen Körner dem Sonnenlicht ausgesetzt und sublimierten. Der
Staub in den Körnern zerbröselte bei diesem Prozess. Mehr Staub hat eine größere
Oberfläche und reflektiert so mehr Sonnenlicht; so steigt die Helligkeit an.
Die Wassermoleküle werden durch die ultraviolette Strahlung der Sonne zerlegt,
größtenteils in OH und H. Die OH-Radikale fluoreszieren und konnten daher mit
der Weitwinkelkamera von OSIRIS gemessen werden. Daraus wurde die beim Einschlag
erzeugte Menge von Wasser berechnet. Sie ist mit 4.500 Tonnen deutlich geringer
als die geschätzte Gesamtmasse der Staubteilchen, die aus der Helligkeit des
Staubes bestimmt wird. Die Forscher vermuten daher, dass die Vorstellung vom
Kometen als einem "schmutzigen Schneeball" aus den 1950er Jahren wohl korrigiert
werden sollte - Tempel 1 hat sich eher als "eisiger Staubball" entpuppt.
Die Kameras gaben noch weiteren Einblick ins Innere des Kometen: Das
Molekül-Radikal CN kommt im Auswurf des Einschlags relativ zum Wasser etwas
häufiger vor als in der normalen Koma vor und nach dem Einschlag. Daraus lässt
sich schließen, dass sich das Innere des Kometenkerns chemisch anders
zusammensetzt als seine Oberfläche. Und: In den Stunden und Tagen nach dem
Einschlag wurde keine erhöhte Aktivität des Kometen Tempel 1 entdeckt. Die
Forscher vermuten daher, dass die bei Kometen häufig beobachteten
Helligkeitsausbrüche nicht von Meteoriteneinschlägen verursacht werden.
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