Mikroquasar als Gammastrahlen-Quelle
Redaktion
astronews.com
8. Juli 2005
Eine unbekannte Quelle hochenergetischer Gammastrahlung haben Wissenschaftler in
unserer Milchstraße entdeckt. Die Forscher vermuten, dass es sich bei dem neuen
Objekt LS5039 um einen Mikroquasar handelt, also einem System aus normalem Stern
und Schwarzen Loch oder Neutronenstern. Jetzt rätseln sie, warum sie überhaupt
Gammastrahlung detektieren konnten.
Himmelskarte der Region um LS5039 im Gammastrahlen-Licht. Die
Farben geben die Intensität der Gammastrahlung an. Der grüne
Stern zeigt die Position von LS5039, wie sie mit Radioteleskopen
bestimmt wurde, und die weiße Ellipse das Zentrum der
Gammastrahlung. In der oberen linken Ecke des Bildes ist eine
weitere von H.E.S.S. entdeckte Quelle hochenergetischer
Gammastrahlung sichtbar, das Objekt HESS J1825-137. Bild:
HESS-Kollaboration |
Die Gamma-Astronomie bei höchsten Energien ist ein ganz junges
Forschungsgebiet. Mit dem H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System)-Instrument
konnte zum ersten Mal eine empfindliche Durchmusterung des zentralen Teils
unserer Milchstraße durchgeführt werden. Dabei wurden viele bis dahin unbekannte
Gamma-Quellen entdeckt.
Bei dem neuen Objekt handelt es sich vermutlich um einen
"Mikroquasar", der aus zwei Sternen besteht, die sich in einem engen Orbit
umeinander bewegen. Der eine ist ein relativ normaler Stern, während der andere
seinen gesamten Energievorrat bereits verbrannt hat und zu einem sehr dichten
Kern kollabiert ist. Je nach Art des Sterns ist aus diesem Kollaps entweder ein
Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch hervorgegangen.
Durch das extreme Schwerkraftfeld dieses Objekts wird Materie von dem
Begleitstern abgesaugt, und fällt in spiralförmigen Bahnen auf den kompakten
Kern. Manchmal ist der Materiefluss so groß, dass der kompakte Kern damit "nicht
mehr fertig wird" und das Material in Form eines gebündelten Materiestrahls
wieder ausstößt, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt.
Das Ganze ähnelt
einer Miniaturausgabe einer aktiven Galaxie - eines Quasars - nur dass das
zentrale Objekt lediglich einige Sonnenmassen "wiegt", statt Milliarden
Sonnenmassen, und dass es in unserer Galaxie angesiedelt ist, statt viele
Millionen Lichtjahre entfernt. Man nennt es deshalb Mikroquasar.
Bisher kennt man nur eine Handvoll solcher Objekte in unserer Galaxis. Eines
davon, LS5039 genannt, wurde jetzt von dem H.E.S.S.-Wissenschaftlerteam als
Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt. Genau genommen weiß man nicht
wirklich, um was für eine Art Stern es sich handelt. Einige seiner Eigenschaften
lassen den kompakten Kern wie einen Neutronenstern erscheinen, andere deuten
eher auf ein Schwarzes Loch hin. Dazu kommt, dass sich der ausgestoßene
Materiestrahl "langsam" bewegt, mit nur 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit:
Sehr schnell für menschliche Begriffe, aber für einen Mikroquasar recht langsam.
Unklar ist auch, wie die Gammastrahlung eigentlich entsteht. Einer der
H.E.S.S.-Wissenschaftler, Dr. Guillaume Dubus von der Ecole Polytechnique,
stellt klar: "Eigentlich sollten wir dieses Objekt gar nicht sehen können. Die
Strahlungsfelder in der Umgebung des kompakten Kerns sind so stark, dass jede
Gammastrahlung sofort wieder absorbiert wird." Dr. Paula Chadwick von der
Universität Durham fügt hinzu: "Es ist fantastisch, eine ganz neue Art von
Gammastrahlungs-Quelle zu finden. Doch wir brauchen weitere Untersuchungen, um
zu verstehen, was in diesem Objekt wirklich vorgeht."
Das H.E.S.S.-Instrument mit seinem großen Gesichtsfeld - entsprechend der
zehnfachen Größe des Mondes - ist ideal geeignet, um neue Quellen kosmischer
Gammastrahlung zu entdecken, da man damit den Himmel absuchen und bisher
unbekannte Arten von Gammaquellen entdecken kann. Dr. Stefan Funk vom
Max-Planck-Institut für Kernphysik meint dazu: "Die Daten aus der
Himmelsdurchmusterung, in der LS5039 entdeckt wurde, sind sicher noch für
weitere Überraschungen gut."
Diese Ergebnisse wurden mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic
System (H.E.S.S.) in Namibia im Südwesten Afrikas erzielt. Dieses System aus
vier Teleskopen mit 13 Metern Durchmesser ist das derzeit empfindlichste
Nachweisinstrument für hochenergetische Gammastrahlen - eine Strahlung, deren
Energie eine Million Million mal energiereicher ist als normales Licht. Diese
hochenergetischen Gammastrahlen sind schwer nachzuweisen; selbst eine starke
Quelle trifft nur etwa ein Strahlungsquant pro Monat und Quadratmeter auf unsere
Atmosphäre. Die Strahlungsquanten werden in der Erdatmosphäre absorbiert; ihr
direkter Nachweis würde daher ein riesiges Satelliteninstrument erfordern.
Die H.E.S.S.-Teleskope benutzen einen Trick, um dieses Problem zu umgehen:
Sie nutzen die Atmosphäre als Nachweismedium. Wenn Gammaquanten absorbiert
werden, senden sie kurze Blitze des so genannten Cherenkov-Lichts aus - ein
blaues Leuchten, das nur einige Milliardstel Sekunden andauert. Dieses Leuchten
wird mit den großen Spiegeln und empfindlichen Photosensoren der
H.E.S.S.-Teleskope aufgefangen. Aus diesen Daten erzeugen die Wissenschaftler
dann Bilder astronomischer Objekte im "Licht" hochenergetischer Gammastrahlen.
Die H.E.S.S.-Teleskope wurden über mehrere Jahre hinweg von einem
internationalen Team aus über 100 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus
Deutschland, Frankreich, England, Irland, der Tschechei, Armenien, Südafrika und
Namibia erbaut und in Betrieb genommen (astronews.com berichtete wiederholt). Im
September 2004 erfolgte ihre offizielle Einweihung durch den namibischen
Premierminister Theo-Ben Gurirab. Schon mit den ersten Daten konnten die
Forscher eine Reihe von wichtigen Entdeckungen machen, darunter das erste
astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle bei allerhöchsten Energien.
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