Kosmischer
Teilchenbeschleuniger entdeckt
Redaktion
astronews.com
5. November 2004
Ständig wird die Erde von hochenergetischen nuklearen Teilchen bombardiert. Über
die Quelle dieser so genannten kosmischen Strahlung gab es bislang nur
Spekulationen. Nun hat das unlängst in Betrieb genommene HESS-Teleskop in Namibia
erstmals die Explosionswolke einer Supernova als Quelle dieser Partikel
identifiziert.

Gamma-Bild des Supernova-Überrests RX J1713.7-4946 im Sternbild
Scorpio (Bild oben), erzeugt mit den H.E.S.S.-Teleskopen (unten). Hierbei handelt es
sich um die erste astronomische Aufnahme, die im Licht der
Teraelektronenvolt-Gammastrahlung gemacht werden konnte. Die
lineare Farbskala der Säule rechts ist in Einheiten der Zahl von
gemessenen Gamma-Ereignissen. Das Objekt hat einen zweifach größeren
Durchmesser als der Mond am Himmel. Bild/Foto: Max-Planck-Institut für Kernphysik
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Die Erdatmosphäre wird ständig von einem Strom hochenergetischer nuklearer
Teilchen aus dem Weltraum, der "kosmischen Strahlung", getroffen. Doch trotz
intensiver Suche ist es bisher nicht gelungen, die Quellen dieser Teilchen zu
finden. Man vermutet sie in Sternexplosionen, den so genannten Supernovae.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg um Prof.
Heinrich Völk und Prof. Werner Hofmann haben jetzt derartige Supernovae im Licht
hochenergetischer Gammastrahlung untersucht - gemeinsam mit Kollegen aus
deutschen Universitäten, ausländischen Forschungsinstituten aus Frankreich und
anderen europäischen Ländern sowie aus Namibia, Südafrika und Armenien.
Dabei gelang ihnen mit dem gerade in Betrieb genommene H.E.S.S.-Teleskop (High
Energy Stereoscopic System) in Namibia, eine derartige Quelle der Kosmischen
Strahlung nachzuweisen. Die Gammastrahlung kommt aus der Explosionswolke einer
Supernova und ist - wie erwartet - auf deren äußere Schale konzentriert. Dieser
Fund bestätigt die Meldung einer japanisch-australischen Gruppe, die erste
Anzeichen einer solchen Quelle vor einigen Jahren veröffentlicht hatte.
Mit dem
H.E.S.S.-Teleskop war es nun zum ersten Mal möglich, ein räumlich hoch
aufgelöstes Gamma-Bild dieser Quelle zu erzeugen. Diese hat die doppelte Größe
des Vollmonds am Himmel, ihr Energie-Spektrum ist konsistent mit den heutigen
Vorstellungen über die Beschleunigung atomarer Teilchen in den Überresten von
Supernovae. Die Forscher veröffentlichten ihre Entdeckung in der aktuellen
Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
Die Kosmische Strahlung wurde 1912 von dem österreichischen Physiker Viktor
F. Hess entdeckt, der dafür 1936 den Nobelpreis erhielt. Diese Teilchenstrahlung
trifft nicht nur auf die Raumfahrzeuge außerhalb der Atmosphäre, sondern dringt
zum kleineren Teil bis hinunter zum Erdboden vor. Auf ihrem Weg erzeugt sie
Störsignale in allen technischen Geräten, die gegen ionisierende Strahlung
empfindlich sind, und ist ein Langzeit-Risiko für das Personal auf
interkontinentalen Flügen.
Allgemein gilt die ionisierende Wirkung der
Kosmischen Strahlung über das gesamte Erdalter hinweg als einer der Motoren, die
durch genetische Veränderungen in Pflanzen und Tieren die Entwicklung des Lebens
auf der Erde vorantreiben. Zugleich zeigen Beobachtungen der Gammastrahlung aus
der uns umgebenden Galaxis, der Milchstrasse, dass die Kosmische Strahlung
praktisch überall existiert.
Da die Teilchen der Kosmischen Strahlung zum allergrößten Teil elektrisch
geladen sind, werden sie durch die Magnetfelder im interstellaren Raum
abgelenkt, so dass man aus ihrer Ankunftsrichtung nicht mehr auf ihre
ursprüngliche räumliche Herkunft schließen kann. Um ein "Bild" der
Teilchenquelle erzeugen zu können, muss man also elektrisch neutrale Strahlung,
wie zum Beispiel Gamma-Teilchen, registrieren, die zusammen mit der geladenen
Strahlungskomponente erzeugt werden. Ihre Ankunftsrichtung zeigt wie ein
Lichtsignal auf die Quelle zurück, so dass man diese identifizieren kann.
Deshalb benutzt man seit mehr als zwei Jahrzehnten Teleskope der
Gamma-Astronomie.
Die Heidelberger Max-Planck-Wissenschaftler haben deshalb mit ihren Kollegen
ganz spezielle erdgebundene Gammastrahlungs-Teleskope entwickelt und gebaut, um
unter anderem auch die Quellen der Gammastrahlung aus Supernovae zu finden. Das
erste Experiment dieser Art entstand unter dem Namen "HEGRA" auf La Palma und
besteht aus fünf so genannten Cherenkov-Teleskopen, die ein Objekt gleichzeitig
beobachten. Mit HEGRA gelang der Nachweis einer solchen Quelle in dem
Supernova-Überrest Cassiopeia A im Sternbild Cassiopeia.
Diese Beobachtung
stimmte im Detail mit den Vorhersagen aus theoretischen Berechnungen und den
Erwartungen an Supernova-Quellen überein. Allerdings war bislang kein anderes
Teleskop auf der Nordhalbkugel empfindlich genug, um dieses Resultat zu
bestätigen. Deshalb ist es wichtig, dass man diese Quelle mit neu entstehenden
Teleskopen auf der Nordhalbkugel im Einzelnen untersucht, wie etwa dem
MAGIC-Teleskop auf La Palma, an dem Forscher des Max-Planck-Instituts für Physik
in München maßgeblich beteiligt sind.
Mit dem mittlerweile in Namibia auf der südlichen Halbkugel in Afrika
aufgebauten, zehnmal empfindlicheren Nachfolge-Experiment H.E.S.S., einem
koinzidenten System vom vier wesentlich größeren Teleskopen, war es nun möglich,
schon während der Aufbauphase Ende 2003 den Supernova-Überrest mit dem
Katalognamen RX J1713.7-3946 nicht nur bei sehr hohen Gamma-Energien von etwa 1012
Elektronenvolt (entspricht einem Tera-Elektronenvolt) zu entdecken, sondern
erstmals davon auch eine zweidimensionale Karte mit einer Winkelauflösung im
Bogenminuten-Bereich zu erzeugen (unsere Abbildung).
Der Supernova-Überrest wurde bereits 1996 von Wissenschaftlern des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching mit dem
Röntgen-Satelliten ROSAT bei einer etwa eine Milliarde Mal kleineren Energie
entdeckt. Das neue Gamma-Bild stimmt erstaunlich gut mit den inzwischen auch
verfeinerten Röntgenbildern überein. Da die Gammaquanten nur von geladenen
Teilchen noch höherer Energie erzeugt werden können, zeigt die Entdeckung mit
dem H.E.S.S.-Teleleskop eindeutig, dass in dieser Quelle die geladenen Teilchen
tatsächlich auf Energien von über 100 TeV beschleunigt werden.
Allerdings stellt
sich diese Quelle als ein komplexes astronomisches Objekt heraus. Deshalb bedarf
es noch weiterer Untersuchungen dieser Himmelserscheinung insbesondere im
Radiobereich, um sicher sagen zu können, dass sie nicht nur höchstenergetische
Elektronen, sondern auch nukleare Teilchen dieser Energien erzeugt.
"Das erste Bild eines Supernova-Überrests im Bereich von Tera-Elektronenvolt
ist ein wichtiger Schritt, um die Frage nach dem Ursprung der galaktischen
Kosmischen Strahlung zu beantworten. Gleichzeitig markiert diese Entdeckung den
erfolgreichen Start einer neuen astronomischen Abbildungstechnik bei
Photonenenergien, die um einige zwölf Größenordnungen höher sind als die des
sichtbaren Lichts," sagt Prof. Heinrich Völk, Direktor der Abteilung
"Astrophysik" am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.
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