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Daten aus dem All zeigen Schädigung des Waldes
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
8. September 2025
Das DLR hat die frei zugängliche Webanwendung EO Wald
vorgestellt, die mithilfe von Satellitendaten die massiven Waldschäden in
Deutschland seit
2017 sichtbar macht. Die interaktiven Karten sollen Forstwirtschaft, Kommunen und
Politik beim Erkennen von Ursachen und beim Einleiten von Maßnahmen zum Erhalt
des Waldes unterstützen. An weiteren Datensätzen wird bereits gearbeitet.

Die Karte zeigt die Kronendachverluste in der
Mittelgebirgsregion Harz – im Zeitraum September
2017 bis September 2024, mit einer räumlichen
Auflösung von zehn Metern. Die Farbskala
visualisiert den Zeitpunkt des Kronendachverlusts
in Monatsschritten von schwarz (September 2017)
bis gelb (September 2024). Intakte Waldflächen
sind grün dargestellt. In dieser Zeit wurde der
Wald vor allem durch Stürme (2018) sowie durch
Hitze und Dürre mit anschließendem
Schädlingsbefall (2019-2022) geschädigt.
Foto: DLR (CC
BY-NC-ND 3.0) [Gesamtansicht] |
Der Baumbestand in Deutschland schrumpft weiter dramatisch: Mehr als 900.000
Hektar Fläche gingen seit Herbst 2017 verloren. Das entspricht 8,5 Prozent der
gesamten deutschen Waldfläche. Die Verluste haben sich seit 2021 somit fast
verdoppelt, als über 500.000 Hektar in nur drei Jahren verloren gingen, wie das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) damals nachwies. Ein
besorgniserregender Trend, der sich in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich
fortsetzen wird. Um Forst- und Holzwirtschaftende zu unterstützen, hat das DLR
den Kronendachverlust mittels Satellitendaten für ganz Deutschland kartiert und
eine Webanwendung dazu entwickelt: "EO Wald" zeigt die Bestandsverluste seit
September 2017 im Monatsrhythmus, mit einer Auflösung von zehn Metern.
Für das
Management von Wäldern ist es wichtig, den Zeitpunkt der Verluste zu kennen
sowie die Entwicklungen über lange Zeiträume zu verfolgen. Die interaktiven
Karten von EO Wald sind frei zugänglich. Sie können die Holzwirtschaft, Kommunen
und die Politik dabei unterstützen, zeitnah auf Ereignisse zu reagieren und
adäquate Maßnahmen zur Wiederaufforstung zu ergreifen. Ziel ist es, eine
wirtschaftliche und nachhaltige Waldentwicklung zu ermöglichen. Dies ist auch
hinsichtlich des globalen Wandels bedeutend. Als grüne Lunge der Erde
gewährleisten gesunde Wälder eine hohe Aufnahme von Kohlenstoff und sind resilienter gegenüber klimatischen Extremereignissen.
"Umwelteinflüsse und
Schädlingsbefall haben in unseren Wäldern deutliche Spuren hinterlassen. Durch
die Nutzung von Satellitendaten können wir in kurzen zeitlichen Abständen und
hoher räumlicher Auflösung das Kronendach der Wälder erfassen. In unserem neuen
Webdienst EO Wald haben wir die raum-zeitliche Dynamik der Kronendachverluste
visualisiert", erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla,
Vorstandsvorsitzende des DLR. "Mit dieser großflächigen Verarbeitung von
Massendaten hin zu einer breiten Palette an Informationsprodukten unterstützen
wir Forst- und Wirtschaftsbetriebe, sowie andere öffentliche Stakeholder in
ihrer Arbeit. So können Waldschäden gezielt quantifiziert und prognostiziert
werden. Daraus abgeleitete Maßnahmen helfen, unsere Wälder zu schützen und zu
erhalten."
Ungewöhnlich starke Dürreperioden, Hitzewellen und Stürme haben Deutschlands
Wälder in den vergangenen Jahren zugesetzt. Die gestressten Bäume sind zudem
anfällig für Schädlinge, so dass vielerorts Bäume absterben und teilweise
großflächig notgefällt werden müssen. Mit Laien-verständlich aufbereiteten
Karten eröffnet EO Wald dazu einzigartige Einblicke. Das neue Datenportal wurde
am Earth Observation Center des DLR entwickelt und im Rahmen des Projekts ForstEO validiert. EO Wald bietet Ansichten und Vergleiche auf Pixelebene sowie
auf Ebene der Bundesländer, Landkreise und Gemeinden. Eine Zeitachse zeigt den
prozentualen Anstieg der Kronendachverluste im jeweils ausgewählten Gebiet pro
Monat. Nutzerinnen und Nutzer können die Zeiträume auch anpassen oder bestimmte
Gebiete im monatlichen, saisonalen sowie jährlichen Überblick betrachten.
Dank
der räumlich und zeitlich hohen Auflösung lässt sich auf den Karten
nachvollziehen, wo es wann zu welchen Verlusten kam. Dies hilft auch, die
Ursachen besser zu identifizieren. Verluste, die sich zum Beispiel kreisförmig
ausbreiten, deuten auf Schädlinge hin, geometrische Flächen hingegen auf Ernten.
Durch die genauen zeitlichen Informationen lassen sich verschiedene Ereignisse
exakt verorten wie zum Beispiel Waldbrände, Sturmereignisse oder gezielte
Maßnahmen zum Ausbau von Infrastruktur. Die Winteraufnahmen der Satelliten
offenbaren den Großteil der Verluste: In der kalten Jahreszeit findet die
reguläre, aber auch die schadgetriebene Holzernte statt. Das Holz weist dann
eine gute Qualität auf, und der gefrorene Waldboden ist weniger empfindlich
gegenüber den schweren Erntemaschinen. Zusätzlich fordern Winterstürme herbe
Verluste, da sie weitflächig und gerade auch den gesunden Baumbestand treffen
können. Um solche Entwicklungen zu beobachten und zu verstehen, sind die
satellitenbasierte Fernerkundung und kontinuierliches Monitoring unverzichtbar.
Das DLR ist deutschlandweit führend im Bereich der Big-Data-Analyse von großflächigen Erdbeobachtungsdaten und deren Veredelung zu
einer breiten Palette an Informationsprodukten. Für die Berechnung der
Kronendachverluste nutzten die Forschenden unter anderem Daten der
Sentinel-2-Satelliten des europäischen Copernicus-Programms sowie der
amerikanischen Satelliten Landsat-8 und -9. "Mit EO Wald sind wir auf eine
'wissenschaftliche Zeitreise' gegangen. Für den Beobachtungszeitraum von 2017
bis 2024 haben wir mehrere zehntausend Datensätze im Monatsrhythmus analysiert
und für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht. Ich freue mich besonders, dass wir
auch schon mit Behörden und ersten Anwendern im Austausch sind", erklärt
Projektleiter Dr. Frank Thonfeld vom Earth Observation Center des DLR. So
wird der EO-Wald-Datensatz bereits von den Bayerischen Staatsforsten AöR sowie
der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft genutzt.
Extreme Wetterereignisse wie ungewöhnlich starke Dürre-
und Hitzeperioden werden in Hinblick auf den globalen Wandel weiter zunehmen.
Die in Deutschland dominierenden Fichtenwälder etwa haben durch die trockene
Hitze und die dadurch begünstigten Borkenkäfer-Populationen bereits drastische
Verluste erlitten – diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren
voraussichtlich fortsetzen. Für das Waldmanagement ist es daher essenziell,
solche Trends vorherzusehen. Langjährige Satellitendaten-Zeitreihen ermöglichen
es, die großen Waldgebiete kontinuierlich zu beobachten und Veränderungen zu
erkennen. Das gilt für natürliche Prozesse ebenso wie für geplante und
ungeplante Eingriffe durch den Menschen.
Um die Waldschäden der letzten Jahre
aufzuarbeiten, waren etwa außergewöhnlich großflächige Holzeinschläge notwendig.
Solche Verluste wirken sich auf das gesamte Ökosystem des Waldes aus und
beeinflussen unter anderem Mikroklima, Wasserhaushalt, Oberflächenabfluss,
Grundwasser-Neubildung, Wasserqualität und Biodiversität. Darüber hinaus müssen
auch die Folgen des Klimawandels genauer quantifiziert werden. Mit EO Wald
verfügen Entscheidungsträger nun über eine wissenschaftliche Datengrundlage, um
geeignete Strategien zum Schutz und Aufbau der Wälder zu erstellen.
Beim Umbau eines Waldes und der Wiederaufforstung
ist besondere Weitsicht gefragt: Welche Baumarten trotzen den gegenwärtigen
Klimabedingungen? Und sind sie auch in 60 bis 80 Jahren den dann herrschenden
Bedingungen gewachsen? In Deutschland wurden nach dem Zweiten Weltkrieg
vorrangig Fichten als wichtigster Holzlieferant aufgeforstet, nicht selten
standortfremd. Mit ihrer ähnlichen Alters- und Wuchsstruktur sind sie als
Monokultur wenig widerstandsfähig. Die bisherigen Daten machen deutlich, dass
Reinkulturen von Fichten, Kiefern und Buchen besonders gefährdet sind.
Mischwälder hingegen sind resilienter und weisen eine bessere Risiko-Verteilung
auf.
Biodiversität und eine gemischte Waldstruktur mit jungen wie auch alten
Bäumen sind also ein Schlüssel für gesunde Wälder. Bei gleichzeitiger
wirtschaftlicher Nutzung stellt das eine große Herausforderung dar, da es
mehrere Jahre bis Jahrzehnte dauert bis ein neuer Wald entsteht. Zur Bewältigung
dieser Herausforderungen, gibt die neue Datenplattform einen Überblick über die
Kronendachverluste.
Ein möglicher Wiederbewuchs ist in den Karten nicht
berücksichtigt, denn dazu sind die Jungpflanzen während des siebenjährigen
Beobachtungszeitraums noch zu klein. Der Zustand der Wälder wird jedoch durch
hochauflösende Erdbeobachtungssatelliten wie Sentinel-1 und Sentinel-2 laufend
erfasst. Die Forschenden am Earth Observation Center des DLR arbeiten
daher bereits an neuen Datensätzen und wollen ihren Webdienst künftig erweitern.
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