Neue Hinweise auf den Entstehungsort von Ceres
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
6. September 2024
Der Zwergplanet Ceres könnte seinen Ursprung im Asteroidengürtel haben – und
muss nicht zwingend vom Rand des Sonnensystems "zugewandert" sein.
Darauf deuten helle, ammoniumreiche Ablagerungen im Consus-Krater hin. Grundlage
der jetzt vorgelegten Studie waren Messdaten der
NASA-Raumsonde Dawn, die Ceres mehrere Jahre aus dem Orbit erkundet
hat.
Der Consus-Krater liegt auf der Südhalbkugel
des Zwergplaneten Ceres. Auffälligste Struktur in seinem
Innern ist ein kleinerer Krater ("floor crater") in seiner
östlichen Hälfte. Im Zentrum des Consus-Kraters ragt ein
flacher Zentralberg empor.
Bild: MPS [Großansicht] |
Der Zwergplanet Ceres ist ein außergewöhnlicher "Bewohner" des
Asteroidengürtels. Mit einem Durchmesser von etwa 960 Kilometern ist er nicht
nur der größte Körper zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter; er
zeichnet sich auch – anderes als seine eher schlichten "Mitbewohner" – durch
eine äußerst komplexe und vielseitige Geologie aus. Dies weist auf eine bewegte
Vergangenheit hin, in der sich Ceres über viele Milliarden Jahre veränderte und
weiterentwickelte.
Daten der NASA-Raumsonde Dawn, die Ceres von 2015 bis 2018 aus der
Nähe untersucht hat, haben unter anderem Hinweise darauf geliefert, dass Ceres
bis in jüngste Vergangenheit Schauplatz eines einzigartigen Kryovulkanismus war
– und wahrscheinlich noch immer ist. In mehreren Einschlagkratern finden sich
helle, weißliche Salzablagerungen. Forschende halten sie für Überbleibsel einer
Sole, die über viele Milliarden Jahre aus einer flüssigen Schicht zwischen
Mantel und Kruste an die Oberfläche gedrungen ist. Auch in Aufnahmen und
Messdaten vom Consus-Krater, die das Forscherteam nun so detailliert wie nie
zuvor ausgewertet hat, zeigt sich solch helles Material, allerdings zum Teil in
gelblicherer Färbung.
Der Conus-Krater liegt auf der Südhalbkugel des Zwergplaneten Ceres. Mit
einem Durchmesser von etwa 64 Kilometern zählt er nicht zu den besonders großen
Einschlagkratern. In Aufnahmen des wissenschaftlichen Kamerasystems von Dawn,
das unter Leitung des Göttinger Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
(MPS)entwickelt und gebaut wurde, zeigt sich eine umlaufende Kraterwand, die
etwa 4,5 Kilometer vom Kraterboden in die Höhe ragt und zum Teil nach innen
abgerutscht ist. Als auffälligste Struktur umschließt sie einen kleineren
Krater, der mit einer Fläche von etwa 15 Kilometern mal elf Kilometern die
östliche Hälfte des Consus-Kraterbodens dominiert. Das gelbliche, helle Material
findet sich in vereinzelten Sprenkeln ausschließlich am Rand des kleineren
Kraters und in einem Bereich etwas östlich davon.
Wie die aktuellen Auswertungen von Daten des Kamerasystems und des
Spektrometers VIR nahelegen, ist das gelbliche helle Material im Consus-Krater
reich an Ammonium. Die Verbindung, die sich von Ammoniak durch eine zusätzliches
Wasserstoff-Ion unterscheidet, ist in Form ammoniumreicher Gesteine in Spuren
auf der Ceres-Oberfläche beinahe allgegenwärtig. In der Vergangenheit glaubten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass dieses Gestein nur durch Kontakt
mit Ammonium-Eis in der Kälte am äußeren Rand des Sonnensystems entstanden sein
könne. Nur dort ist gefrorenes Ammonium über längere Zeiträume stabil; in
größerer Nähe zur Sonne verdunstet es rasch. Ceres müsse deshalb am Rand des
Sonnensystems entstanden und erst später in den Asteroidengürtel "umgesiedelt"
sein. Die aktuelle Studie zeigt nun erstmals eine Verbindung auf zwischen
Ammonium und der salzhaltigen Sole aus dem Inneren der Ceres. Der Ursprung des
Zwergplaneten, so argumentiert das Team, müsse deshalb nicht zwingend im äußeren
Sonnensystem liegen. Ceres könnte auch ein echtes Kind des Asteroidengürtels
sein.
Die Forschenden gehen davon aus, dass die Bausteine von Ammonium bereits im
ursprünglichen Baumaterial der Ceres enthalten waren. Da Ammonium sich nicht mit
den typischen Mineralien im Ceres‘ Mantel verbindet, reicherte es sich nach und
nach in einer mächtigen Soleschicht an, die sich global zwischen Mantel und
Kruste des Zwergplaneten erstreckte. Durch kryovulkanische Aktivität stieg die
ammoniumreiche Sole im Laufe der Jahrmilliarden immer wieder auf und das darin
enthaltene Ammonium wechselte nach und nach den "Wirt": Es drang in die
großräumig vorhandenen Schichtsilikate der Ceres-Kruste ein. Schichtsilikate,
die sich durch eine lagenartige Kristallstruktur auszeichnen, sind auch auf der
Erde etwa in tonhaltigen Böden weitverbreitet. In Kontakt mit einer
ammoniumreichen Sole lagern sich bevorzugt Ammonium-Ionen an.
"Das Gestein könnte das Ammonium über viele Milliarden Jahre wie eine Art
Schwamm aufgenommen haben", erklärt MPS-Wissenschaftler Dr. Andreas Nathues,
Erstautor der aktuellen Studie und früherer Leiter des Kamerateams von Dawn.
Vieles spricht dafür, dass die Konzentration des Ammoniums in tieferliegenden
Schichten der Kruste größer ist als nahe der Oberfläche. Die wenigen Stellen auf
der Ceres-Oberfläche, an denen sich außerhalb des Consus-Kraters auffällige
Flecken des gelblich-hellen Materials finden, liegen ebenfalls innerhalb tiefer
Krater. Im Consus-Krater dürfte – wie die aktuelle Studie detailliert zeigt –
der Einschlag, der vor nur 280 Millionen Jahren den kleinen östlichen Krater
schuf, Material aus den tiefliegenden, besonders ammoniumhaltigen Schichten
freigelegt haben.
Bei den gelblich-hellen Sprenkeln östlich des kleineren Kraters handelt es
sich um Material, das der Einschlag aus großer Tiefe herausgeschleudert hat.
"Mit seinen 450 Millionen Jahren ist der Consus-Krater nach geologischen
Maßstäben nicht besonders alt, allerdings ist er einer der ältesten noch
erhaltenen Strukturen auf Ceres. Durch seinen tiefen Aushub verschafft er uns
Zugang zu Prozessen, die sich über viele Milliarden Jahre im Innern der Ceres
abgespielt haben – und ist so eine Art Fenster in die Vergangenheit des
Zwergplaneten", so MPS-Forscher Dr. Ranjan Sarkar, ein Co-Autor der Studie.
Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Journal of Geophysical
Research: Planets veröffentlicht.
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