Wie Schwarze Löcher mittlerer Masse entstehen könnten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
28. September 2023
Schwarze Löcher mittlerer Masse könnten das Bindeglied
zwischen stellaren und den supermassereichen Schwarzen Löchern darstellen.
Bislang allerdings weiß man noch nicht einmal sicher, ob solche Schwarzen Löcher
überhaupt existieren. Mithilfe von umfangreichen Computersimulationen fand ein
Team nun zumindest theoretisch mögliche Entstehungsszenarien.
Ein Sternhaufen aus den
Dragon-II-Simulationen. Die orangefarbenen und gelben Punkte
stellen sonnenähnliche Sterne dar, während die blauen Punkte
für Sterne mit der 20- bis 300-fachen Masse der Sonne stehen.
Das große weiße Objekt in der Mitte ist einen Stern mit einer
Masse von etwa 350 Sonnenmassen, der in Kürze kollabieren und
ein Schwarzes Loch mittlerer Masse bilden wird. Bild:
M. Arca Sedda (GSSI) [Großansicht] |
Schwarze Löcher mittlerer Masse (im Englischen "intermediate-mass black holes",
kurz IMBHs) sind mysteriöse Objekte: Sollten sie existieren, könnten sie das
Bindeglied zwischen den beiden Extremen der Schwarzen Löcher sein: Am massearmen
Ende beobachten wir stellare Schwarze Löcher, Überbleibsel von
Supernova-Explosionen massereicher Sterne am Ende ihrer Lebenszeit. Auf der
anderen Seite finden wir Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien, die
millionen- oder sogar milliardenfach massereicher sind als unsere Sonne. Die
Entstehung und das Wachstum dieser Objekte stellen für die moderne Astronomie
immer noch ein faszinierendes Rätsel dar, vor allem, weil es keinen eindeutigen
Beweis für die Existenz von IMBHs gibt. Astronomen vermuten, dass sie in dichten
und eng gedrängten Sternhaufen zu finden sind.
"Schwarze Löcher mittlerer Masse sind schwer zu beobachten", erklärt Manuel
Arca Sedda vom Gran Sasso Science Institute in L'Aquila in Italien.
"Die derzeitigen Grenzen der Beobachtungsmethoden erlauben es uns nicht, die
Gruppe dieser Schwarzen Löcher mit Massen zwischen 1000 und 10.000 Sonnenmassen
auf diese Weise zu erforschen. Außerdem bereiten sie den Forschenden
hinsichtlich der möglichen Mechanismen, die zu ihrer Entstehung führen,
Kopfzerbrechen."
Um diesen Nachteil zu überwinden, hat ein internationales Team unter der
Leitung von Arca Sedda und Albrecht Kamlah vom Max-Planck-Institut für
Astronomie in Heidelberg eine einzigartige Serie von hochauflösenden numerischen
Simulationen von Sternhaufen durchgeführt, die als DRAGON-II Cluster-Datenbank
bekannt ist. Dabei entdeckten die Astronominnen und Astronomen einen möglichen
Mechanismus zur Bildung von mittelschweren Schwarzen Löchern in jungen, dicht
besiedelten und massereichen Sternhaufen.
Die Simulationen mussten eine Abfolge komplexer Wechselwirkungen zwischen
typischen Einzel- und Doppelsternen berechnen, die zu Kollisionen führen und
immer massereichere Sterne bilden, die sich schließlich zu Schwarzen Löchern
entwickeln. In diesem Stadium können sie weitere massereiche Sterne und Schwarze
Löcher in sich aufnehmen, was zu Schwarzen Löchern von mehreren hundert
Sonnenmassen führt. Wie sich herausstellt, führt kein einzelner Weg zu solch
einem Objekt. Stattdessen findet sich eine komplexe Palette von Wechselwirkungen
und Verschmelzungsereignissen.
Bis zu einer Million Sterne bevölkerten die simulierten Sternhaufen, die
einen Anteil an Doppelsternhaufen zwischen zehn und 30 Prozent aufweisen. "Die
simulierten Sternhaufen spiegeln die realen Exemplare, die in der Milchstraße,
den Magellanschen Wolken und verschiedenen Galaxien in unserem lokalen Universum
beobachtet wurden, sehr gut wider", erklärt Kamlah. Indem sie das weitere
Schicksal eines solchen Schwarzen Lochs in diesen Simulationen nachzeichneten,
identifizierten die Astronomen eine turbulente Periode, die durch heftige
Austauschprozesse mit anderen Sternen und stellaren Schwarzen Löchern
gekennzeichnet ist und zu seinem schnellen Ausstoß aus dem elterlichen
Sternhaufen innerhalb von ein paar hundert Millionen Jahren führen kann. Dieses
Ereignis begrenzt effektiv sein weiteres Wachstum.
Die Modelle zeigen, dass kleinere Schwarze Löcher mittlerer Masse auf
natürliche Weise aus energiereichen Wechselwirkungen zwischen Sternen innerhalb
von Sternhaufen entstehen. Ihre Tendenz, größere Massen als einige hundert
Sonnenmassen zu erreichen, hängt jedoch von der Dichte oder dem Massereichtum
der Umgebung ab. Dennoch bleibt ein zentrales wissenschaftliches Rätsel
ungelöst: ob diese mittelschweren Schwarzen Löcher als Bindeglied zwischen ihren
kleineren stellaren Verwandten und den kolossalen supermassereichen Schwarzen
Löchern dienen. Diese Frage bleibt vorerst unbeantwortet, aber die Studie
eröffnet einen Raum für konkrete Vermutungen.
"Wir brauchen zwei Zutaten für genauere Ergebnisse", erklärt Arca Sedda.
"Einerseits einen oder mehrere Prozesse, die in der Lage sind, Schwarze Löcher
im mittleren Massenbereich zu bilden und andererseits die Fähigkeit, sie in der
ursprünglichen Umgebung zu halten." Die Studie stellt strenge Anforderungen an
die erste Komponente und gibt einen klaren Überblick darüber, welche Prozesse
zur Bildung von Schwarzen Löchern beitragen können. Die Berücksichtigung
massereicherer Sternhaufen, die mehr Doppelsterne enthalten, könnte in Zukunft
helfen, die zweite Zutat zu erhalten, was wiederum hohe Anforderungen an die
zukünftigen Simulationen stellt.
Interessanterweise könnten Sternhaufen, die in der Frühzeit des Universums
entstanden sind, die geeigneten Eigenschaften besitzen, um das Wachstum von
Schwarzen Löchern über mittlere Massen hinaus aufrechtzuerhalten. Zukünftige
Beobachtungen solch alter Sternhaufen, zum Beispiel mithilfe des James Webb
Space Telescope und der Entwicklung neuer theoretischer Modelle, könnten
dabei helfen, die Beziehung zwischen mittelschweren und supermassereichen
Schwarzen Löchern zu entschlüsseln.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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