Neues Messverfahren spricht für Mittelklasse
von Stefan Deiters astronews.com
18. Mai 2007
Mit einer neu entwickelten Methode haben Astronomen ein weiteres
Indiz für die Existenz von Mittelklasse-Schwarzen Löchern gefunden. Dieser
bislang umstrittene Typ liegt in einem Massenbereich zwischen den aus der
normalen Entwicklung massereicher Sterne folgenden stellaren Schwarzen Löchern
und den supermassereichen Löchern im Zentrum von Galaxien. Der Fund gelang mit
Daten des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton.
So stellt sich ein Künstler ein Schwarzes Loch
der Mittelklasse vor, das Ursache für eine sehr
leuchtkräftige Röntgenquelle ist.
Bild:
NASA |
Die elegante Methode zur Bestimmung der Masse von Schwarzen
Löchern wurde erstmals 1998 von Lev Titarchuk vorgeschlagen, der derzeit am
NASA Goddard Space Flight Center arbeitet. Sie basiert auf einem bestimmten
Zusammenhang zwischen der Masse eines Schwarzen Lochs und der Akkretionsscheibe
um diese Schwerkraftfalle. In sogenannten Akkretionsscheiben sammelt sich das
Material, bevor es endgültig in das Schwarze Loch stürzt.
Erhöht sich die Rate, mit der ein Schwarzes Loch Material anzieht, kommt es
zu einem Phänomen, das Titarchuk gern mit einem Verkehrsstau vergleicht:
Material staut sich in einer heißen Region, deren Entfernung vom Schwarzen Loch
direkt mit dessen Masse in Verbindung steht. Je massereicher das Schwarze Loch
ist, desto weiter ist diese heiße Stauregion vom Schwarzen Loch entfernt und
desto länger ist die Umlaufdauer des heißen Gases.
In seinem Modell bringt der Wissenschaftler das heiße, sich aufstauende Gas
in Verbindung mit Intensitätsschwankungen im Röntgenbereich. Diese Schwankungen
sind fast regelmäßig und werden von den Forschern als quasi-periodische
Oszillationen (QPO) bezeichnet, die man bei vielen Schwarzen Löchern
beobachten kann. Das Auftreten der Oszillationen verrät sich auch durch einfach
vorhersagbare Änderungen im Spektrum des Systems, da sich das Gas entsprechend
dem "Hunger" des Schwarzen Lochs aufheizt oder abkühlt. Messungen mit dem
Rossi X-Ray Timing Explorer (RXTE) der NASA haben die enge Beziehung
zwischen der Frequenz der QPOs und den Spektren der Schwarzen Löcher inzwischen
bestätigt.
Zusammen mit seinem Kollegen Nikloai Shaposhnikov hat Titarchuk seine Methode
an drei stellaren Schwarzen Löchern getestet und gezeigt, dass die aus den QPO
berechnete Masse gut mit der Masse übereinstimmt, die mit anderen Verfahren
ermittelt wurde. In einer aktuellen Arbeit haben Shaposhnikov und Titarchuk sich
das System Cygnus X-1 vorgenommen, das in rund 10.000 Lichtjahren Entfernung im
Sternbild Schwan liegt. Es handelt sich hierbei um ein Doppelsternsystem, aus
einem blauen Überriesen und einem massereichen, aber unsichtbaren Begleiter.
Die Masse dieses Begleiters, ein stellares Schwarzes Loch, bestimmten die
Astronomen nun mit der QPO-Methode auf 8,7 Sonnenmassen - mit einer
Fehlertoleranz von 0,8 Sonnenmassen. Andere Verfahren hatten eine Masse von rund
zehn Sonnenmassen für das Schwarze Loch geliefert. "Diese Übereinstimmung gibt
uns sehr viel Zuversicht, dass unsere Methode funktioniert", so Shaposhnikov.
"Sie kann helfen, die Masse von Schwarzen Löchern zu bestimmen, wenn andere
Verfahren nicht zur Verfügung stehen", ergänzt Titarchuk.
Tod Strohmayer und Richard Mushotzky, beide auch vom Goddard Space Flight
Center, haben zusammen mit vier Kollegen und unabhängig von Shaposhnikov
und Titarchu das Verfahren auf Daten angewandt, die mit Hilfe des europäischen
Röntgenteleskops XMM-Newton gewonnen wurden. Dabei stießen sie eher
zufällig auf ein Schwarzes Loch mittlerer Masse. Schwarze Löcher gibt es - nach
allgemein akzeptierter Theorie - in zwei verschiedenen Größenklassen: die
stellaren Schwarzen Löcher, die nach dem Kollaps eines massereichen Sterns
entstehen, und Massen zwischen vielleicht fünf und 20 Sonnenmassen aufweisen und die
supermassereichen Schwarzen Löcher, die sich im Zentrum der meisten Galaxien
finden und mehrere Millionen bis Milliarden Sonnenmassen haben.
Schwarze Löcher mit einer Masse, die zwischen diesen beiden Extremen liegen,
wurden schon des Öfteren vorgeschlagen, sind aber nach wie vor umstritten.
Sie werden unter anderem als Erklärung für sehr leuchtkräftige Röntgenquellen (Ultra
Luminous X-ray (ULX) sources) gehandelt, für die man bislang keine
befriedigende Lösung gefunden hat. Strohmayer und seinen Kollegen konnten nun
zeigen, dass sich hinter der sehr
leuchtkräftigen Röntgenquelle NGC 5408 X-1, die in der irregulären Galaxie NGC
5408 liegt, ein Schwarzes Loch mit der 2.000-fachen Masse unserer Sonne
verbirgt. "Das ist eine der besten Indizien bislang für die Existenz für ein
Schwarzes Loch mittlerer Masse", so Strohmayer. NGC 5408 liegt rund 16 Millionen
Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Zentaur.
Alles würde, so die Wissenschaftler, darauf hindeuten, dass ein
Mittelklasse-Schwarzes Loch Ursache für diese Röntgenquelle in NGC 5408 ist. "Wir
haben noch zwei weitere Methoden ausprobiert, um die Masse des Schwarzen Lochs
zu bestimmen", erzählt Mushotzky, "und alle drei Methoden stimmen bis auf einen
Faktor zwei überein. Wir haben zwar keinen endgültigen Beleg dafür, dass es sich
hier um ein Mittelklasse-Schwarzes Loch handelt, aber die Beweislast spricht
doch sehr dafür."
Ein Astronom aus dem Team hält allerdings im Fall von NGC 5408 X-1 ein
Schwarzes Loch mit einer Masse in der Region von 100 Sonnenmassen für
wahrscheinlicher, doch auch dies läge weit über der normalen Masse für stellare
Schwarze Löcher, wie etwa Cygnus X-1 eines ist.
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