Schwarzes Loch aus einer verschluckten Galaxie
von Stefan Deiters astronews.com
17. Februar 2012
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
eine Gruppe von jungen heißen Sternen um das Schwarze Loch HLX-1 nachweisen
können. Sie vermuten nun, dass dieses Schwarze Loch einst das zentrale Schwarze
Loch einer Zwerggalaxie war, die inzwischen nicht mehr existiert. Der Fund
könnte erklären helfen, wie supermassereiche Schwarze Löcher entstanden sind.
Ein Blick auf die Galaxie ESO 243-49. Das
Schwarze Loch HLX-1 ist markiert.
Bild: NASA, ESA und S. Farrell
(University of Sydney, Australia und University
of Leicester, UK) [Großansicht] |
Das jetzt mit Hubble detailliert untersuchte Schwarze Loch befindet
sich in der Nähe des Rands der rund 290 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie
ESO 243-49 und hat in etwa die 20.000-fache Masse unserer Sonne. Dieses
"Mittelklasse-Schwarze-Loch" war 2009 von Sean Farrell vom Sydney Institute
for Astronomy und der University of Leicester mit Hilfe des
europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton als äußerst helle
Röntgenquelle entdeckt worden und trägt daher auch die Bezeichnung HLX-1 (für
Hyper-Luminous X-ray Source 1). Die Strahlung stammt von Material, das
sich vor dem Verschwinden im Schwarzen Loch in einer sogenannten
Akkretionsscheibe auf extreme Temperaturen aufheizt.
Zusammen mit seinem Team hat Farrell HLX-1 nun mit dem Weltraumteleskop
Hubble im ultravioletten, sichtbaren und infraroten Bereich des Lichts und
gleichzeitig mit Hilfe des Satelliten Swift im Röntgenbereich
beobachtet. "Für eine einzigartige Quelle braucht man ein einzigartiges
Teleskop", so Mathieu Servillat vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics, der inzwischen am CEA Saclay in Paris arbeitet und
zum Beobachterteam gehörte. "Hubble lieferte so detaillierte Bilder,
dass wir die Umgebung und den Ursprung dieses Schwarzen Lochs der Mittelklasse
nun verstehen."
Wegen der großen Entfernung konnte jedoch auch Hubble keine
einzelnen Sterne rund um das Schwarze Loch auflösen. Allerdings ließen sich
bereits aus dem Licht des Objektes wichtige Informationen ableiten. So stellten
die Astronomen fest, dass sich die beobachtete Strahlung aus der Region nicht
allein durch die Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch erklären lässt. Von den
Wissenschaftlern durchgeführte Modellrechnungen sprechen vielmehr dafür, dass es
zusätzlich noch einen jungen und massereichen Sternhaufen rund um das Schwarze
Loch geben muss. "Was wir aus den Hubble-Daten sicher sagen können", so
Farrell, "ist, dass wir sowohl die Emissionen aus einer Akkretionsscheibe als
auch die Emissionen von einer Gruppe von Sternen benötigen, um die beobachteten
Farben zu erklären."
Solche jungen Sternhaufen finden sich recht häufig in nahegelegenen Galaxien,
allerdings nicht in jenen Regionen, in denen HLX-1 liegt. Die Wissenschaftler
vermuten daher, dass es sich bei HLX-1 um das zentrale Schwarze Loch einer
Zwerggalaxie handelt, die von der größeren Galaxie eingefangen wurde und mit
dieser verschmolzen ist. Durch die Kollision der Systeme wurde gleichzeitig Gas
komprimiert und so auch neue Sternentstehung angeregt.
Die Astronomen schätzen das Alter des Sternhaufens um HLX-1 auf unter 200
Millionen Jahre. Die meisten Sterne müssen damit nach der Kollision der beiden
Galaxien entstanden sein. Das Schicksal von HLX-1 ist gegenwärtig unklar, da man
seine Bahn noch nicht kennt: Führt diese ins Zentrum von ESO 243-49 könnte es
mit dem dortigen supermassereichen Schwarzen Loch verschmelzen, es wäre aber
auch möglich, dass es sich auf einer stabile Bahn um das Zentrum der Galaxie
befindet. Sicher dürfte allerdings sein, dass es im Laufe der Zeit an
Leuchtkraft verliert, da der Gasvorrat rund um das Schwarze Loch langsam zur
Neige geht.
Der Fund ist für die Wissenschaftler auch deswegen interessant, weil er
einen Hinweis darauf geben könnte, wie supermassereiche Schwarze Löcher, die in
den Zentren fast aller Galaxien vermutet werden, entstanden sind. Diese
Schwarzen Löcher können die millionen- bis milliardenfache Masse unserer Sonne
haben. Stellare Schwarze Löcher, die durch die Supernova-Explosion eines
massereichen Sterns entstehen, bringen es hingegen nur auf einige wenige
Sonnenmassen. Nach einer Theorie könnten sich supermassereiche Schwarze Löcher
durch die wiederholte Verschmelzung von stellaren Schwarzen Löcher und Schwarzen
Löchern der Mittelklasse bilden.
Farrell und Servillat planen weitere Beobachtungen von HLX-1, um noch mehr
über die vermutete Kollision zwischen den beiden Galaxien zu erfahren. Sie
berichten über ihre aktuellen Ergebnisse in der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal Letters.
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