Jupitersonde vor Transport zum Startplatz
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
23. Januar 2023
Die Raumsonde JUICE wird derzeit in Toulouse für den
Transport zum europäischen Weltraumbahnhof Kourou vorbereitet. Die Sonde soll im
April mit einer Ariane-5-Trägerrakete starten und nach der Ankunft im
Jupitersystem im Juli 2031 den Planeten und insbesondere seine Eismonde aus der
Umlaufbahn um Jupiter und später speziell um den Mond Ganymed untersuchen.

Die Jupitersonde JUICE soll insbesondere die
Eismonde des Jupiter erforschen.
Bild: ESA / ATG medialab (Sonde); NASA / JPL
/ DLR (Jupiter, Monde) [Großansicht] |
Im April wird eine der letzten Ariane-5-Trägerraketen vom europäischen
Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana abheben. An Bord wird die Sonde
JUpiter ICy Moons Explorer, kurz JUICE, sein. Ziel der bisher größten
Planetenmission der europäischen Weltraumorganisation ESA ist der Jupiter mit
seinen großen Eismonden Ganymed, Callisto und Europa. JUICE wird sie ab dem Jahr
2031 aus der Nähe untersuchen. Unter der Eiskruste der Monde befinden sich
wahrscheinlich Ozeane, in denen sogar Leben existieren könnte.
Zunächst muss JUICE aber von Europa nach Südamerika transportiert werden.
Zurzeit befindet sich die noch nicht betankte, leer 2450 Kilogramm schwere
Raumsonde beim industriellen Hauptauftragnehmer Airbus Defence and Space im
südfranzösischen Toulouse, wo diese am 20. Januar 2023 den Medien vorgestellt
wurde, ehe sie für den Transport nach Kourou verpackt wird. Der Transport über
den Atlantik wird Anfang Februar per Frachtflugzeug erfolgen.
In Kourou wird die Sonde dann auf die Ariane-5-ECA-Trägerrakete platziert und
mit einer Schutzverkleidung – dem sogenannten Fairing – umhüllt. Betankt wiegt
die JUICE-Sonde dann fünf Tonnen. Das Startfenster für die achtjährige Reise zum
Jupiter öffnet sich im April. JUICE ist die erste Mission der L-Klasse im Cosmic-Vision-Programm
der ESA, dabei steht das "L" für "Large". Mit diesem Programm soll
herausgefunden werden, wie das Sonnensystem "funktioniert", wie die Planeten
entstanden sind und unter welchen Voraussetzungen Leben entstehen kann, das wir
bis heute nur auf der Erde kennen.
Ein großes Projekt ist JUICE mit seiner umfangreichen wissenschaftlichen
Nutzlast, und groß ist das Ziel Jupiter schon aufgrund der Tatsache, dass der
größte Planet des Sonnensystems fünfmal so weit von der Sonne entfernt ist wie
die Erde, mit 140.000 Kilometern einen zehnmal so großen Durchmesser und 318-mal
so viel Masse wie unser Heimatplanet hat und von insgesamt 79 Monden umkreist
wird. Von diesen sind die vier größten – Ganymed, Callisto, Io und Europa – von
enormem wissenschaftlichem Interesse. Sie werden nach ihrem Entdecker Galileo
Galilei (1564-1641) auch die "Galileischen Monde" genannt.
Io, der innerste der Vier, wird von den Gezeitenkräften des Planeten so stark
durchgewalkt, dass im Gesteinsmantel bei Temperaturen von weit über tausend Grad
Celsius permanent Magma entsteht und das geschmolzene Gestein von großen
Vulkanen an die Oberfläche befördert wird. Der schwefelgelbe Io ist der
vulkanisch aktivste Körper im Sonnensystem. Von innen nach außen folgen die drei
Trabanten Europa, Ganymed und Callisto. Ganymed ist mit einem Durchmesser von
5262 Kilometern der größte Mond im Sonnensystem; Europa und Io sind mit unter
4000 Kilometer Durchmesser etwa so groß wie der Erdmond, Callisto ist mit 4821
Kilometer Durchmesser der drittgrößte Mond in unserem Planetensystem.
Europa benötigt für einen Umlauf um Jupiter doppelt so lange wie Io, Ganymed
viermal so lange. Das bedeutet, dass diese drei Monde immer wieder wie an einer
Perlenschnur aufgereiht in einer Linie stehen. Dadurch entstehen
Resonanzeffekte, die im Zusammenspiel mit der gewaltigen Gravitation und den von
Jupiter ausgehenden Gezeitenkräften Wärme auch im Inneren von Europa und Ganymed
entstehen lassen. Das bewirkt, dass unter den bis zu minus 160 Grad kalten
Eiskrusten dieser Monde genug Wärme vorhanden ist, um Wasser in mehr als 700
Millionen Kilometer Entfernung zur Sonne am Gefrieren zu hindern und tiefe
Wasserschichten zu erhalten, sogenannte subkrustale Ozeane.
Bei Europa könnte es sein, dass der Ozean unter dem nur wenigen Kilometer
dicken Eispanzer sogar über 100 Kilometer tief ist. Das würde bedeuten, dass
unter der Oberfläche von Europa mehr Wasser vorhanden ist als in allen Ozeanen
der Erde zusammen. Auch im Inneren Callistos könnte sich ein Ozean befinden, wie
bei Ganymed haben Magnetfeldmessungen hier deutliche Hinweise geliefert. Ganymed
wie Callisto könnten gleich mehrere Wasserschichten haben, allerdings dann in
größerer Tiefe.
Wasser ist eine Grundvoraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von
Leben. Es ist daher denkbar, dass, verborgen vor den Blicken von
Weltraumkameras, in den subkrustalen Ozeanen der Jupiter-Eismonde Leben
entstanden ist. JUICE wird dies zwar nicht herausfinden, aber detaillierter als
die NASA-Vorläufermissionen Voyager (zwei Vorbeiflüge 1979) und
Galileo (Orbiter, 1995-2003) die Eismonde charakterisieren können, ferner,
ob es die Ozeane wirklich gibt, wie tief sie gelegen sind, wie viel Wasser sie
beinhalten und welche mineralischen Stoffe im Wasser gelöst sein könnten.
Eines der JUICE-Instrumente, mit denen diese und weitere Fragen beantwortet
werden sollen, ist das Kamerasystem JANUS. Hauptaufgabe von JANUS ist die
fotografische Erfassung und Kartierung der Landschaften auf Ganymed und Europa.
Auch sollen die auf den Oberflächen sichtbaren Auswirkungen der Gezeiteneffekte,
die für die subkrustalen Ozeane verantwortlich sind – tektonische Phänomene wie
Spalten und Bergrücken oder spektrale Veränderungen durch unterschiedliche
Minerale infolge von Kryo-(Eis-)Vulkanismus – erfasst und interpretiert werden.
Dazu verfügt das Kamerasystem neben einer hohen räumlichen Auflösung über 13
Spektralkanäle im sichtbaren Licht und nahen Infrarot. Aus der Ferne werden auch
Io sowie zahlreiche der kleinen Monde beobachtet werden. JANUS wurde in Italien,
Deutschland, Spanien und Großbritannien entwickelt, Teile der Hardware im
DLR-Institut für Planetenforschung gebaut.
GALA, das Ganymed Laser-Altimeter, wird die Gezeitendeformation der
Eiskruste Ganymeds messen, um Beweise für die Existenz des globalen inneren
Ozeans zu erbringen. Außerdem entsteht aus einer Zahl von mehreren Millionen
Laufzeitmessungen eine umfangreiche Karte der regionalen und lokalen Topographie
des Mondes, die zu einem globalen Höhenmodell Ganymeds zusammengesetzt werden.
Damit lassen sich Prozesse verstehen, die die einzigartige Oberfläche dieses
Eismondes formten. Zusätzlich wird aus Messungen zu unterschiedlichen Zeiten
während des siebentägigen Umlaufs Ganymeds um Jupiter die Gezeitendeformation
der Gestalt des Trabanten bestimmt.
Aus der Stärke der Deformation an den unterschiedlichen Bahnpunkten können
die Existenz des inneren Ozeans nachgewiesen und die mechanischen Eigenschaften
der darüber liegenden Eisschicht bestimmt werden. Das Experiment wird auch
Messungen an Europa und Callisto aufzeichnen. Erhofft man sich bei Europa
Hinweise zu Wasser dicht unter der Oberfläche, dürfte es bei Callisto in
tieferen Schichten anzutreffen sein. GALA wurde in Verantwortung des DLR
entwickelt und in Zusammenarbeit mit dem Industriepartner HENSOLDT Optronics
GmbH (Oberkochen) sowie Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Japan, der
Schweiz und Spanien gebaut. Es ist das erste Mal, dass ein solches Instrument im
äußeren Sonnensystem zur Anwendung kommt.
Ein weiteres Instrument aus Deutschland an Bord von JUICE ist das
Submillimetre Wave Instrument (SWI), das in der Hauptverantwortung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen liegt. Es wird die
mittleren Atmosphärenschichten des Gasriesen Jupiter sowie die äußerst dünnen
Atmosphären – man spricht hier vielmehr von Exosphären – und Oberflächen der
Galileischen Monde genau ins Visier nehmen. Im Vordergrund stehen dabei die
Bestimmung der Temperaturstruktur, Dynamik und Zusammensetzung der verschiedenen
Schichten der Jupiteratmosphäre, deren Wechselwirkung untereinander, sowie der
internen Struktur Jupiters.
JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der
Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische
Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die
Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete
sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen
Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen
Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen.
Im Juli 2031 wird JUICE den Jupiter erreichen und bis November 2035 insgesamt
35 Mond-Vorbeiflüge absolvieren. Im September 2034 wird die Sonde in eine
elliptische, später kreisförmige Umlaufbahn um Ganymed gelenkt. JUICE ist die
erste Mission, die den Mond eines anderen Planeten umkreisen wird. Bis zum
Missionsende im September 2035 wird JUICE Ganymed etwa 1250-mal umrunden. Sollte
noch Treibstoff vorhanden sein, würden weitere Umläufe in nur 200 Kilometer Höhe
erfolgen, die Messungen in einer Qualität ermöglichen, die für Jahrzehnte den
Maßstab setzen würden.
Am Ende wird die Sonde gezielt zum Absturz auf Ganymed gelenkt und auf dem
steinharten Eis vollständig zerstört. Da der vermutete Ozean im Inneren von
Ganymed schätzungsweise hundert Kilometer tief gelegen ist und die
Nachttemperaturen unter minus 160 Grad Celsius liegen, besteht keine Gefahr,
dass es zu Kontaminationen des Ganymed-Ozeans durch irdische Mikroben kommen
könnte, die auf JUICE als "blinde Passagiere" mitgereist sein könnten.
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