Alte Beobachtungen und die Sonnenaktivität
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
24. Juni 2022
Einem Göttinger Forscher ist es gelungen, vergangene
Aktivitäts- und Helligkeitsschwankungen der Sonne zu rekonstruieren - durch die
Auswertung historischer Beobachtungen. Die neuen Daten liefern auch Hinweise
darauf, wie stark die Aktivität und die Helligkeit der Sonne in vergangenen
Zeiten variiert hat – und ob dies das Klima auf der Erde beeinflusste.

Aus historischen Fotografien der Sonne wie
diesen konnte Theodosios Chatzistergos erstmals
ein Archiv der Sonnenaktivität erstellen, das auf
Beobachtungen von Sonnenfackeln beruht und das
gesamte 20. Jahrhundert umfasst. Das ober Bild
wurde am 11. Juni 1935 in Kyoto (Japan)
aufgenommen, das rechte am 1. Januar 1969 in
Catania (Italien).
Bild: MPS (T. Chatzistergos) [Großansicht] |
Um den Einfluss der Sonne auf das irdische Klima zu verstehen, braucht es
mehr als eine Momentaufnahme. Vielmehr ist es nötig, soweit wie möglich
zurückzuschauen – sowohl auf die Klimaveränderungen, die sich auf der Erde
vollzogen haben, als auch auf die wechselhafte Aktivität der Sonne. Allerdings
ist solare "Geschichtsforschung" dieser Art knifflig: Die entscheidende Größe,
die Intensität der Sonnenstrahlung, die außerhalb der Erdatmosphäre auftrifft,
kann erst seit 1978 mithilfe von Satelliten gemessen werden. Zum Glück offenbart
sich die Aktivität unseres Sterns auf vielfältige Weise. Ursächlich für die
Schwankungen der Strahlungsintensität ist ein ständiges Entstehen und
Verschwinden dunkler und heller Bereiche, genannt Sonnenflecken und -fackeln,
auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne. Beide Phänomene werden vom dynamischen
Magnetfeld der Sonne angetrieben und treten häufig auf, wenn die Sonnenaktivität
hoch ist; in Zeiten geringer Aktivität kommen sie deutlich seltener vor.
Die dunklen Sonnenflecke sind mit einfachen optischen Hilfsmitteln von der
Erde aus erkennbar; ihre Anzahl zeichnen Astronominnen und Astronomen seit 1609
auf. Die Sonnenfackeln hingegen lassen sich schwerer greifen. Ihren Einfluss auf
Schwankungen der Strahlungsintensität der Sonne detailliert und über einen
möglichst langen Zeitraum zu berücksichtigen, ist Ziel der Arbeiten von Dr.
Theodosios Chatzistergos vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
(MPS). Sonnenflecken und -fackeln zeigen sich oft in enger zeitlicher und
räumlicher Nachbarschaft. In bisherigen Rechnungen wurde deshalb oft angenommen,
dass sich aus historischen Aufzeichnungen von Sonnenflecken auf die Anzahl und
Fläche der Sonnenfackeln schließen lässt.
"In perfektem Gleichtakt verläuft das Zusammenspiel von Sonnenflecken und
Sonnenfackeln jedoch nicht", gibt Chatzistergos zu bedenken. Deutlich genauere
Informationen zum Auftreten von Sonnenfackeln liefern Aufnahmen der Sonne, bei
denen violettes Licht einer speziellen Wellenlänge betrachtet wird. Es wird von
ionisierten Kalzium-Ionen in den besonders heißen Regionen oberhalb der
Sonnenfackeln emittiert. Messungen dieser Art gibt es seit 1892, allerdings
nicht durchgängig von ein und demselben Observatorium.
Chatzistergos ist es gelungen, die verschiedenen Sonnenfackel-Datensätze aus
fast allen Regionen der Erde zu sammeln und zu vereinen und so erstmals als
langfristiges Archiv solarer Aktivität nutzbar zu machen. Entstanden ist ein
Datenschatz, der das Verhalten der Sonne über das gesamte 20. Jahrhundert
abbildet. Aus Daten dieser Art lassen sich die Magnetfelder an der Oberfläche
der Sonne und daraus die Intensitätsschwankungen der Sonne berechnen. Wie der
Forscher bereits zeigen konnte, stimmen diese Berechnungen für die vergangenen
Jahrzehnte gut mit den tatsächlich im Weltraum gemessenen
Intensitätsschwankungen überein.
Chatzistergos hat an der National and Kapodistrian University in Athen und an
der Queen Mary University in London Astronomie und Astrophysik studiert und sich
in seiner Abschlussarbeit mit den Monden und Ringen des Saturns beschäftigt.
Während seiner Promotion am MPS, die er 2017 abschloss, wandte er sich der Sonne
und speziell der Rekonstruktion ihrer historischen Helligkeitsschwankungen zu.
Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt am INAF Osservatorio Astronomico
die Roma forscht Chatzistergos seit Mitte 2020 wieder am MPS.
Das Scientific Committee on Solar-Terrestrial Physics (SCOSTEP), ein
Gremium des internationalen Wissenschaftsrats (ISC), des weltweit größten
Dachverbands nationaler und internationaler Wissenschaftsvereinigungen, hat
Chatzistergos nun mit dem diesjährigen Distinguished Young Scientist Award
ausgezeichnet. SCOSTEP bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
unterschiedlichster Disziplinen zusammen, die die Beziehung zwischen Sonne und
Erde erforschen. Alle zwei Jahre verleiht das Gremium den SCOSTEP
Distinguished Young Scientist Award an eine Nachwuchswissenschaftlerin oder
einen Nachwuchswissenschaftler für bedeutende Beträge zu diesem Forschungsfeld.
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