Die Quelle des Materials für neue Sterne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
14. Januar 2020
Woher stammt das Material in den Spiralarmen der
Milchstraße, aus dem sich letztendlich neue Sterne bilden? Die Analyse von
Eigenschaften des galaktischen Magnetfelds lieferte nun Hinweise dafür, dass das
dünn verteilte sogenannte Warme Ionisierte Medium (WIM) die Quelle für das Gas
und den Staub ist, der die Sternentstehung ermöglicht.
Ausschnitt der THOR-Durchmusterung in der
Nähe des Sagittariusarms der Milchstraße.
Bild: J. Stil/University of Calgary/MPIA [Großansicht] |
Die Milchstraße ist eine Spiralgalaxie, eine scheibenförmige
Sterneninsel im Kosmos, in der sich die meisten hellen und jungen Sterne in
Spiralarmen anhäufen. Dort entstehen sie aus dem dichten Interstellaren Medium
(ISM), das aus Gas (insbesondere Wasserstoff) und Staub (mikroskopische Körper
mit hohen Anteilen an Kohlenstoff und Silizium) besteht und sich auf Bildern als
dunkles Band vor dem Sternenhintergrund abhebt.
Damit stetig neue Sterne entstehen können, muss laufend Material in die
Spiralarme gespült werden, welches den Vorrat an Gas und Staub wieder auffüllt.
Eine Gruppe von Astronomen der Universität Calgary in Kanada, des
Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und anderen
Forschungseinrichtungen konnte nun zeigen, dass der Nachschub von einer deutlich
heißeren Komponente des ISM stammt, die gewöhnlich die gesamte Milchstraße
einhüllt. Dieses "Warme Ionisierte Medium" (WIM) hat eine mittlere Temperatur
von 10.000 Grad.
Energiereiche Strahlung von heißen Sternen führt dazu, dass das
Wasserstoffgas des WIM größtenteils ionisiert ist. Die jetzt vorgestellten
Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das WIM sich in einem schmalen Bereich
nahe eines Spiralarms verdichtet und allmählich unter Abkühlung hineinfließt.
Dem dichten WIM auf die Spur gekommen sind die Wissenschaftler durch die
Vermessung der sogenannten Faradayrotation, einem Effekt, der nach dem
englischen Physiker Michael Faraday benannt ist. Dabei ändert sich die
Polarisationsrichtung von linear polarisierter Radiostrahlung, wenn sie durch
ein Plasma, also durch ionisiertes Gas, läuft, das von einem Magnetfeld
durchzogen ist. Man spricht von polarisierter Strahlung, wenn das elektrische
Feld nur in einer Ebene schwingt.
Gewöhnliches Licht ist nicht polarisiert. Das Ausmaß der Richtungsänderung
der Polarisation hängt zudem von der beobachteten Wellenlänge ab. Im Rahmen der
jetzt vorgestellten Studie konnte das Team ein ungewöhnlich starkes Signal in
einem eher unscheinbaren Bereich der Milchstraße ermitteln, der sich unmittelbar
an der Seite des Sagittarius-Arms der Milchstraße anschmiegt, die dem
galaktischen Zentrum zugewandt ist. Der Spiralarm selber sticht in den Bilddaten
durch starke Radiostrahlung heraus, die von eingebetteten heißen Sternen und
Supernova-Überresten erzeugt wird.
Die stärkste Verschiebung der Polarisation findet sich jedoch außerhalb
dieser markanten Zone. Daraus folgern die Astronomen, dass die erhöhte
Faradayrotation nicht innerhalb dieses aktiven Teils des Spiralarms entspringt.
Demnach stammt es von verdichtetem WIM, welches wie das Magnetfeld zu einer
weniger offensichtlichen Komponente des Spiralarms gehört.
Die Analyse basiert auf der THOR-Durchmusterung (The HI/OH Recombination Line
Survey of the Milky Way), die seit einigen Jahren am MPIA erstellt und in der
ein großer Bereich der Milchstraße bei mehreren Radiowellenlängen beobachtet
wird. Polarisierte Strahlungsquellen wie weit entfernte Quasare oder
Neutronensterne dienen als "Sonden" zur Bestimmung der Faradayrotation.
Somit können die Astronomen nicht nur die ansonsten schwierig zu vermessenden
Magnetfelder in der Milchstraße ausfindig machen, sondern die Struktur und
Eigenschaften des heißen Gases ergründen. "Das starke Signal in einem eher
unauffälligen Bereich der Milchstraße hat uns sehr überrascht", sagt Henrik
Beuther vom MPIA, der das THOR-Projekt leitet. "Diese Ergebnisse zeigen uns,
dass es bei der Erforschung der Struktur und der Dynamik der Milchstraße immer
noch viel zu entdecken gibt."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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