Suche nach Leben in der Stratosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
13. November 2018
Im Rahmen der Projekts BEXUS sind Mitte Oktober wieder zwei
Forschungsballone von Kiruna aus in eine Höhe von rund 27 Kilometern
aufgestiegen. Auf den beiden Flügen wurden insgesamt sieben studentische
Experimente durchgeführt, bei denen unter anderem nach Leben in der Stratosphäre
gesucht und neue Methoden zur Erfassung der Erdoberfläche erprobt wurden.

Am 17. Oktober 2018, um 7.44 Uhr MESZ ist der
Stratosphärenballon BEXUS 26 vom schwedischen
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna gestartet.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Sie nennen sich OSCAR Q-LITE, TUBULAR, und IMUFUSION und LODESTAR: Drei
Experimente von Studierenden aus mehreren europäischen Ländern sind Mitte
Oktober mit dem Stratosphärenballon BEXUS 26 vom schwedischen Raumfahrtzentrum
Esrange bei Kiruna gestartet. Der Forschungsballon erreichte während seines
Fluges eine maximale Höhe von rund 27 Kilometern. Am nächsten Tag startete BEXUS
27 mit vier weiteren Experimenten. Drei der insgesamt sieben Studententeams der
BEXUS-Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der
Schwedischen Raumfahrtbehörde SNSA stammen von deutschen Hochschulen.
Bei dem Experiment IMUFUSION der Hochschule Nordhausen spielt die Verwendung
von spezieller Sensorik eine entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um eine
extrem zuverlässige Elektronikbaugruppe, die permanent Sensordaten erfasst und
abspeichert. Gemessen werden zum Beispiel Winkelgeschwindigkeit, Beschleunigung,
Luftdruck, Temperatur, Magnetfeld und Position. Anschließend werden die
Navigations- und Klimadaten zu einem Flugprofil vereint. Die ausgewerteten Daten
ermöglichen dann selbst bei Ausfall des GPS-Systems eine sehr genaue Berechnung
der Flugbahn. Eine große Herausforderung sind das Zusammenführen und die
Prozessierung der Sensordaten in Echtzeit bei extremen Bedingungen, wie den
niedrigen Außentemperaturen von bis zu minus 80 Grad Celsius und dem geringen
Luftdruck in großer Höhe. Die Konstruktion soll zukünftig Anwendung bei der
Navigation von Flugzeugen, aber auch von Schiffen finden.
Studierende der Universität Hasselt in Belgien haben mit OSCAR Q-LITE
(Optical Sensors based on CARbon materials: Quantum Lightweight ITEration) ein
extrem sensitives, Diamant-basiertes Magnetometer entwickelt und getestet, das
eine sehr genaue Navigation in der Luft- und Raumfahrt ermöglicht. Die Vorzüge
von OSCAR Q-LITE sind seine kompakte Bauweise, das geringe Gewicht und die
extrem hohe Präzision. Die Sensoreinheit kann als dreidimensionaler
Magnetkompass verwendet werden.
Um Atmosphärenforschung geht es bei dem Experiment TUBULAR vom Team der
Technischen Universität Luleå. Das Team testete einen Technologiedemonstrator
zum Einsammeln von Luftproben in der oberen Tropo- und unteren Stratosphäre. Die
schwedische Entwicklung ist in der Lage, während des Fluges kontinuierlich
Proben zu nehmen, ohne sie zu vermischen. Die Untersuchung der Treibhausgase
Kohlenstoffdioxid, Methan und Kohlenstoffmonoxid soll dabei helfen, die Prozesse
von Treibhauseffekt und die Klimaerwärmung besser zu verstehen.
BEXUS 27 stieg mit einem anderen wissenschaftlichen Fokus in die Stratosphäre
auf. Die vier Experimente an Bord befassten sich mit der Suche nach Leben in der
Atmosphäre und der Vermessung von Erde und Stratosphäre. Das Team WHB (Die
Wirkung der Höhenlage auf Bakteriensporen) der FH Aachen will in der
Stratosphäre der Polarregion nach mikrobiellen Lebensformen suchen. Die
Diversität der mikrobiellen Fauna in der Stratosphäre, vor allem in den
Polarregionen, ist nahezu unbekannt. Die besonderen Bedingungen mit veränderter
UV-Strahlung in den nördlichen Breitengeraden machen diese arktische Region
einzigartig. Mithilfe einer speziellen Experimentvorrichtung sollten in einer
Höhe von etwa 30 Kilometer Mikroben eingesammelt werden. Die große
Herausforderung dabei war es, die Proben sauber einzusammeln, ohne dass diese
kontaminiert werden. Die Proben werden anschließend im Labor untersucht. Die
Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Polarregion als Lebensraum sowie den
Einfluss extremer Umgebungen auf Mikroben besser zu verstehen.
QUEST (Quad-spectral Unaided Experimental Scanner of Topography) nennt sich
das Experiment, das an der Universität Würzburg entstanden ist. Mit ihrer
Konstruktion wollen die Studentinnen und Studenten einen Beitrag zur
satellitengestützten Erdbeobachtung leisten. Spezielle Sensoren sollen dabei die
Oberflächenstruktur der Erde autonom untersuchen. Mithilfe von Sensordaten und
Kameramessungen werden Übersichtsbilder der Erdoberfläche erstellt, bei denen
zwischen Schnee, Wasser, Pflanzen, Gestein und Wolken eigenständig unterschieden
wird. Dafür hat das Team einen Algorithmus entwickelt, der wiederverwendet und
sogar angepasst werden kann, um zukünftig als Teil eines autonomen Systems bei
interplanetaren Missionen zum Einsatz zu kommen.
Das schwedische Team LODESTAR (high aLtitude experiment On cosmic raDiation
inducEd defectS in CIGS solar cells wiTh high precision meAsuRements) der
Universität Uppsala untersuchte den Einfluss kosmischer Strahlung auf spezielle
Solarzellen (CIGS-Solarzellen), die bei geringer Masse eine große
Energieausbeute erzielen. Diese Zellen sind daher sehr interessant für die
Weltraumanwendung.
Das Experiment des Teams LUSTRO (Light and Ultraviolet Strato- and
Tropospheric Radiation Observer) von der Technischen Universität Warschau
beabsichtigte, während des Ballonflugs die ultravioletten Strahlungsmuster in
der Troposphäre und unteren Stratosphäre zu untersuchen. Die Messung der
erhöhten UV-Strahlung in der Stratosphäre von Satelliten und Bodenstationen aus
ist auf kleine Bereiche beschränkt. Das Experiment ergänzt solche Messwerte mit
weiteren Daten, um die Reflektion und Absorption der UV-Strahlung durch die
Atmosphäre zu bestimmen. Die Studierenden haben hierfür ein kostengünstiges
Gerät entwickelt, das zukünftig auch auf Satelliten Anwendung finden kann.
Das deutsch-schwedische Programm BEXUS (Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht es Studierenden, Forschungsvorhaben unter
Weltraumbedingungen zu konzipieren, zu bauen und während eines Fluges mit einem
Höhenballon zu erproben. Das DLR Raumfahrtmanagement in Bonn sowie die
Europäische Weltraumorganisation ESA und das Swedish National Space Agency
SNSA schreiben den Wettbewerb jedes Jahr aufs Neue aus. Die nächsten
BEXUS-Stratosphärenballone werden im Herbst 2019 aufsteigen.
Jeweils die Hälfte der Ballon-Nutzlasten steht für Experimente von
Studierenden deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die
schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat ihren Anteil auch für Studierende der
übrigen ESA-Mitgliedsstaaten geöffnet. Die deutschen Studententeams erhalten
technische und logistische Unterstützung vom Zentrum für Angewandte
Raumfahrttechnik und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen. Die Flüge werden von
EuroLaunch, einem Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MoRaBa) und
dem Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC,
durchgeführt.
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