Zahlreiche neue Gammapulsare entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
12. Januar 2017
Im Rahmen des Projekts Einstein@Home wurden jetzt innerhalb
eines Jahres mehr als ein Dutzend neuer schnell
rotierender Neutronensterne in den Daten des Gammasatelliten Fermi
entdeckt. Auf einem einzelnen Computer hätte die Suche mehr als tausend Jahre
gedauert. Unter den aufgespürten Pulsaren befinden sich auch einige
ungewöhnliche Exemplare.
Ein Gammapulsar ist ein kompakter
Neutronenstern, der in seinem extrem starken
Magnetfeld geladene Teilchen auf hohe
Geschwindigkeiten beschleunigt.
Bild: NASA / Fermi/Cruz de Wilde [Großansicht] |
"Es gibt drei Gründe, warum wir so viele neue Pulsare entdeckt haben: die
gewaltige Rechenleistung, die Einstein@Home bereit stellte, unsere Entwicklung
neuer und effizienterer Suchmethoden, und die Nutzung von kürzlich verbesserten
Fermi-Daten. Alles zusammen ergab eine beispiellos hohe Empfindlichkeit
für unsere große Durchmusterung von mehr als 100 Quellen des Fermi-Katalogs",
sagt Dr. Colin Clark vom Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik.
Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen und
bestehen aus exotischer und extrem dichter Materie. Sie haben einen Durchmesser
von etwa 20 Kilometern und "wiegen" so viel wie rund eine halbe Million Erden.
Aufgrund ihrer starken Magnetfelder und schnellen Eigendrehung strahlen sie
gerichtet Radiowellen und energetische Gammastrahlen ab – ähnlich eines
kosmischen Leuchtturms. Wenn diese Strahlen ein- oder zweimal pro Umdrehung in
Richtung Erde zeigen, wird der Neutronenstern als pulsierende Radio- oder
Gammastrahlungsquelle sichtbar – als sogenannter Pulsar.
Dieses periodische Pulsieren von Gammapulsaren aufzuspüren ist sehr
schwierig. Im Schnitt detektiert das Large Area Telescope (LAT) an Bord
des Fermi-Satelliten nur zehn Photonen pro Tag von einem typischen
Pulsar. Um das Pulsieren nachzuweisen, müssen Daten von vielen Jahren analysiert
werden, während der sich der Pulsar milliardenfach um die eigene Achse drehen
kann. Für jedes einzelne Photon muss genau bestimmt werden, während welcher
Phase der weniger als einer Sekunde dauernden Rotation es abgestrahlt wurde. So
müssen die Astronomen Jahre überspannende Datensätze mit sehr feiner Auflösung
durchkämmen, damit ihnen kein Signal entgeht.
Die Rechenleistung für diese "Blindsuchen" – bei denen wenig bis keine
Information über die Pulsare vorab bekannt ist – ist enorm. Vorherige ähnliche
Blindsuchen spürten 37 Gammapulsare in Fermi-LAT-Daten auf. Einstein@Home macht
sämtliche Entdeckungen mit Blindsuchen in den vergangenen vier Jahren. Das
Projekt hat so insgesamt 21 Gammapulsare entdeckt – mehr als ein Drittel aller
in solchen Blindsuchen gefunden Objekte.
Mit der Hilfe von Zehntausenden Freiwilligen aus aller Welt, die ungenutzte
Rechenleistung auf ihren Computern zuhause für Einstein@Home spendeten, konnte
das Team eine groß angelegte Durchmusterung durchführen. Insgesamt benötigte
diese Suche eine Rechenzeit von rund 10.000 Jahren CPU-Kern-Zeit. Mit einem
einzelnen Heim-PC hätte sie mehr als 1000 Jahre gedauert. Einstein@Home schaffte
es binnen eines Jahres, obwohl nur ein Teil der Rechenleistung des Projekts
dafür eingesetzt wurde.
Die Forschenden wählten aus 1000 unidentifizierten Quellen im Fermi-LAT
Third Source Catalog ihre Ziele nach der Ähnlichkeit ihrer
Energieverteilung der Gammastrahlung mit der von Pularen aus. Für jedes der 118
ausgewählten Objekte setzten sie neue hocheffiziente Methoden ein, um ein
verstecktes Pulsieren in den registrierten Gammaphotonen zu entdecken.
"Bislang haben wir 17 neue Pulsare in den 118 Gammastrahlungsquellen
identifiziert, die wir mit Einstein@Home untersucht haben. Die neue
Veröffentlichung enthält 13 von diesen Entdeckungen", sagt Clark. "Wir wussten,
dass sich viele unidentifizierte Pulsare in den Fermi-Daten verstecken
mussten. Aber es ist immer sehr aufregend tatsächlich einen von ihnen zu
entdecken und gleichzeitig sehr befriedigend zu verstehen, was seine
Eigenschaften sind."
Frühere Einstein@Home-Suchen hätten rund die Hälfte der Entdeckungen
verpasst, aber die neuen verbesserten Suchmethoden machten nun den
entscheidenden Unterschied. Die meisten Entdeckungen sind so wie die
Wissenschaftler erwarteten: relativ junge Gammapulsare, die vor einigen zehn-
oder hunderttausend Jahren in Supernovae geboren wurden. Zwei von ihnen drehen
sich jedoch langsamer als alle anderen bekannten Gammapulsare.
Langsam rotierende junge Radiopulsare geben in der Regel weniger
Gammastrahlung ab als schneller rotierende. Diese schwächeren Objekte zu
entdecken ist daher hilfreich, um die gesamte Population der Gammapulsare zu
erfassen. Ein weiterer neu entdeckter Pulsar erfuhr einen starken "glitch", eine
plötzliche Beschleunigung seiner sonst extrem gleichmäßigen Rotation mit
unbekannter Ursache. Diese Phänomen ist von anderen jungen Pulsaren bekannt,
allerdings noch nicht genau verstanden. Es könnte mit Neuanordnungen der Materie
im Inneren der Neutronensterne zusammenhängen.
"Einstein@Home hat 118 unidentifizierte pulsarähnliche Quellen aus dem
Fermi-LAT-Katalog untersucht", sagt Prof. Dr. Bruce Allen, Direktor von
Einstein@Home und Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. "Colin
hat gezeigt, dass 17 von diesen in der Tat Pulsare sind und ich würde wetten,
dass viele von den verbleibenden 101 es ebenfalls sind, die sich aber in
Doppelsternsystemen befinden, für die uns derzeit noch die notwendige
Empfindlichkeit fehlt. In der Zukunft wird Einstein@Home mit verbesserten
Methoden auch diesen nachspüren und ich bin zuversichtlich, dass wir zumindest
einige von ihnen finden werden."
Über ihren Fund berichtet das Team in einem Fachartikel, der in The Astrophysical Journal erscheinen
wird.
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