Weiterer Erdbeobachter im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. April 2016
Die Flotte der europäischen Sentinel-Satelliten im
Erdorbit hat seit der vergangenen Nacht ein neues Mitglied. Von Kourou aus
startete der Satellit Sentinel-1B in eine Erdumlaufbahn. Gemeinsam mit
Sentinel-1A wird er künftig die Erde mit Radarinstrumenten überwachen.
An Bord der Sojus-Rakete war zudem eine Mission zur Überprüfung des
Äquivalenzprinzips.
Sentinel-1B wird nun zusammen mit seinem
Zwillingssatelliten Sentinel-1A die Erde bei Tag
und Nacht überwachen und unter anderem Daten für
Klimaforschung, Seefahrt und den Umweltschutz
liefern. Die Satelliten fliegen auf dem gleichen
Orbit, aber um 180 Grad versetzt.
Bild: ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Mit zwei Augen sieht man besser - das gilt auch für die beiden Radar-Augen
der Sentinel-1-Mission: Am 25. April 2016 ist um 23.02 Uhr MESZ der
Erdbeobachtungssatellit Sentinel-1B mit einer Sojus-Trägerrakete
vom europäischen Raumfahrtzentrum in Kourou in Französisch-Guyana ins All
gestartet. Der Start war ursprünglich bereits für den vergangenen Freitag
geplant, war aber - unter anderem wegen des Wetters - mehrfach verschoben
worden.
Zusammen mit seinem Zwillingssatelliten Sentinel-1A wird er
Landmassen und Ozeane überwachen und selbst kleinste Umweltveränderungen
registrieren können. Der deutsche Anteil an der Mission von Europäischer Union
und der europäischen Weltraumagentur ESA wird vom Raumfahrtmanagement des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln der Bundesregierung
finanziert. Mit an Bord war gestern zudem die französische
Kleinsatellitenmission MICROSCOPE, welche die Grundlagen der Allgemeinen
Relativitätstheorie überprüfen will (astronews.com berichtete).
Um 23.26 Uhr MESZ wurde Sentinel-1B auf seiner Umlaufbahn in 693
Kilometern Höhe ausgesetzt. Mit bisher unerreichter Genauigkeit wird er dort
zusammen mit seinem baugleichen Zwillingssatelliten Sentinel-1A, der
bereits im April 2014 ins All gestartet war, die Land- und Meeresökosysteme auf
der Erde überwachen: Millimetergenau registriert das Duo Umweltveränderungen und
zeichnet diese auf.
So können die Satelliten etwa das Abschmelzen von Gletschereis, den Wandel
der Landnutzung oder den Zustand der Regenwälder über einen langen Zeitraum
dokumentieren. Mindestens sieben Jahre lang wird jeder der beiden Satelliten
Daten sammeln. Eine der Aufgaben ist die Überwachung des Meereises. "Die
Radarinstrumente der Satelliten sind so genau, dass sie zur Erstellung
hochpräziser Eiskarten verwendet werden", erklärt Dr. Helmut Staudenrausch vom
DLR Raumfahrtmanagement. "Sentinel-1-Satelliten beobachten auch die
Position von Eisbergen und ermöglichen Vorhersagen zur Eisbedeckung der Ozeane.
Damit sind die Daten nicht nur für die Klimaforschung interessant, sondern
sorgen insbesondere auch dafür, dass Schiffspassagen durch polare Gewässer
sicherer werden."
Besaß der erste Sentinel-Satellit bereits eine Wiederholrate von
zwölf Tagen - das heißt alle zwölf Tage kann jeder Punkt der Erde kartiert
werden - so reduziert sich diese Zeit durch die Verstärkung von Sentinel-1B
nun auf ganze sechs Tage. Damit können auch kurzzeitige
Umweltbeeinträchtigungen, wie etwa Ölfilme auf dem Meer, in der dafür
notwendigen Frequenz verfolgt werden. Auch im Katastrophenfall liefern sie so
schnelle Hilfe: Durch aktuelle Karten von Überflutungs- und Erbebengebieten
unterstützen sie die Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit vor Ort.
Entscheidend dabei ist, dass die Sentinel-1-Satelliten mit ihren
Radarinstrumenten in der Lage sind, die Erdoberfläche bei Tag und Nacht und
sogar durch Wolkenschichten hindurch zu beobachten. Das an Bord befindliche
Laser Communication Terminal (LCT) sorgt dabei über das Europäische
Datenrelaissystem EDRS für besonders schnelle und sichere Datenübertragung zum
Boden. Damit können die Daten in nahezu Echtzeit beim Nutzer zur Verfügung
stehen, auch wenn der Sentinel-1-Satellit selbst keinen Kontakt zur
Bodenstation hat.
Mit Sentinel-1B ist der vierte Satellit aus dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm
von ESA und europäischer Union gestartet. Entwickelt und durchgeführt wird die
Sentinel-1B-Mission von der ESA, die Finanzierung erfolgt in
Kooperation mit der EU. Mit der Datenverarbeitung und -archivierung ist unter
anderem das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum des DLR beauftragt.
Die französische Kleinsatellitenmission MICROSCOPE (MICRO Satellite
à traînée Compensée pour l'Observation du Principe d'Equivalence) will eine der
grundlegenden Annahmen der Einsteinschen Relativitätstheorie überprüfen: das
Äquivalenzprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass im Vakuum alle Massen gleich
schnell fallen. "Das Rätsel der Gleichheit von schwerer und träger Masse fordert
immer genauere Experimente", erläutert Prof. Dr. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand
für Raumfahrtforschung und -technologie und als Wissenschaftler am
MICROSCOPE-Experiment beteiligt. "Bisher wurden alle Experimente auf der Erde
durchgeführt, wo wir allerdings nur begrenzte Möglichkeiten haben."
MICROSCOPE ist die erste Weltraummission, die das Äquivalenzprinzip
überprüfen soll - und dies mit hundertfach größerer Genauigkeit, als das bisher
mit Labor-Experimenten auf der Erde möglich ist. Damit hinterfragt die Mission
die Grundlagen unseres physikalischen Weltbildes und untersucht, ob und wo sich
erste Unstimmigkeiten zu den theoretischen Vorhersagen zeigen.
Das Herzstück von MICROSCOPE ist die Experimentanlage, die zwei
Beschleunigungsmesser enthält. Darin befinden sich jeweils zwei zylinderförmige
Testmassen. Das erste Messgerät beinhaltet verschiedenartige Zylinder: einen aus
Titan und einen aus einer Platin-Rhodium-Legierung. In rund 700 Kilometern Höhe
werden Satellit und Experiment die Erde umkreisen und sich dabei in
Schwerelosigkeit, also im freien Fall befinden.
Das Messinstrument soll überprüfen, ob die beiden Massen im freien Fall
unterschiedlich stark beschleunigt werden. Sollte dies der Fall sein, dann wäre
das Äquivalenzprinzip nur begrenzt gültig. Der zweite Beschleunigungsmesser
dient lediglich zur Kontrolle: Er enthält zwei Zylinder aus demselben Material.
Bei korrektem Ablauf des Experiments bewegen sich beide Testmassen genau gleich
schnell. MICROSCOPE ist eine Kleinsatellitenmission, die von der französischen
Raumfahrtagentur CNES (Centre National d'Études Spatiales) in Kooperation mit
Instituten in Deutschland durchgeführt wird.
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