Die Staubscheibe um einen alternden Stern
von Stefan Deiters astronews.com
9. März 2016
Astronomen haben mithilfe des Very Large Telescope
Interferometer die bislang detaillierteste Ansicht einer Staubscheibe um einen
alternden Stern gewinnen können. Dadurch lassen sich deren Eigenschaften mit denen
ähnlicher Scheiben um junge Sterne vergleichen. Die Forscher halten es sogar für
möglich, dass sich auch um alte Sterne neue Planeten bilden.

Blick auf die Himmelsregion, in der sich der
Stern IRAS 08544-4431 befindet sowie ein mit dem
VLTI gewonnenes Bild der Staubscheibe um den
Stern.
Bild: ESO / Digitized Sky Survey 2 / Davide
De Martin [Großansicht] |
Planeten bilden sich in Scheiben aus Gas und Staub um gerade entstandene
Sterne. Diese protoplanetaren Scheiben bestehen aus Material, das von der
Entstehung des Sterns übrig geblieben ist. Doch nicht nur um junge Sonnen lassen
sich solche Strukturen beobachten: Auch alternde Sterne, die sich am Ende ihres
nuklearen Lebens zu Roten Riesen aufblähen, können Staubscheiben ausbilden,
die eine gewisse Ähnlichkeit zu den protoplanetaren Scheiben aufweisen. Gespeist
werden diese Scheiben aus dem Material, das der Stern in heftigen stellaren
Winden ins All bläst.
In unserer Umgebung finden sich zahlreiche junge Sterne, deren protoplanetare
Scheiben bereits detailliert untersucht worden sind. Bei den älteren Sternen mit
Staubscheiben sah das bisher anders aus: Die infrage kommenden Exemplare waren
bislang zu weit entfernt, um sie genauer analysieren zu können.
Das hat sich nun geändert: Michel Hillen und Hans Van Winckel vom
Instituut voor Sterrenkunde im belgischen Löwen haben mithilfe des Very
Large Telescope Interferometer (VLTI) des Paranal-Observatoriums der
europäischen Südsternwarte ESO einen alten Doppelstern ins Visier genommen, der
rund 4.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Segel des Schiffs liegt.
Der Doppelstern mit der Katalogbezeichnung IRAS 08544-4431 besteht aus einem
Roten Riesenstern und einem weniger entwickelten normalen Stern. Der Rote Riese
hat bereits Material ins All abgestoßen, das sich in einer Staubscheibe um den
Stern gesammelt hat. "Durch die Kombination des Lichts von mehreren Teleskopen
des Very Large Telescope Interferometers konnten wir Bilder mit einer
erstaunlichen Schärfe gewinnen", erläutert Teammitglied Jacques Kluska von der Exeter University. "Es ist so, als hätten wir ein Teleskop mit einem Durchmesser
von 150 Metern verwendet. Die Auflösung war so groß, dass wir Größe und Form
einer Ein-Euro-Münze aus einer Entfernung von 2.000 Kilometern hätten erkennen
können."
Beim Very Large Telescope Interferometer können mehrere Teleskope auf dem
Gipfel des Paranal zusammengeschaltet werden. Die Schärfe der so gewonnenen
Bilder erlaubte es den Astronomen im Fall von IRAS 08544-4431 den
Zentralstern aus den Ansichten herauszurechnen, um dadurch erstmals die Scheibe
um den Roten Riesen im Detail studieren zu können.
Auffälligstes Merkmal der Scheibe war ein deutlich erkennbarer Ring, dessen
innerer Rand gut mit der Position übereinstimmt, die man für eine Staubscheibe
erwarten würden: Material, was sich noch näher am Stern befindet, sollte wegen
der starken Strahlung des Sterns verdampfen.
"Überrascht hat uns auch ein schwächeres Leuchten, das eventuell von einer
kleineren Akkretionsscheibe um den Begleitstern stammt", erklärt Hillen. "Wir
wussten, dass es sich um einen Doppelstern handelt, hatten aber nicht damit
gerechnet, den Begleiter auch direkt sehen zu können." Grund dafür, dass die
inneren Bereiche des Systems so gut erkennbar sind, sei auch der neue Detektor,
den die Astronomen für ihre Beobachtungen mit dem VLTI verwenden konnten.
Die Staubscheibe um den jetzt untersuchten alternden Stern unterscheidet
sich, so das Urteil der Wissenschaftler, nicht sonderlich von den Scheiben, die
man um junge Sterne beobachtet hat. Ob dies bedeutet, dass sich auch in den
Staubscheiben um alte Sterne Planeten bilden können, was praktisch für eine
zweiten Planetengeneration sorgen würde, wollen die Astronomen nicht
abschließend beurteilen, halten dies aber zumindest für eine faszinierende
Möglichkeit.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
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