Einfluss der UV-Strahlung größer als gedacht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
10. Juli 2015
Die Strahlungsintensität der Sonne ist ein wichtiger
Parameter für Klimamodelle der Erde. Eine neue Studie zeigt nun, dass bei den
Schwankungen der Sonnenhelligkeit der Einfluss der besonders klimawirksamen
ultravioletten Strahlung bislang offenbar unterschätzt wurde. Nach Ansicht der
Forscher ist dies aber kein Hinweis darauf, dass die Sonne auch stärker für die
Erderwärmung verantwortlich ist.

Ein Blick des Solar Dynamics Observatory auf
die aktive Sonne.
Bild: NASA/SDO [Großansicht] |
Die Schwankung der Strahlungsintensität der Sonne im Verlauf mehrerer Jahre
und Jahrzehnte ist ein wichtiger Parameter in Klimamodellen. Forscher unter der
Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen
haben nun gezeigt, dass der Einfluss der besonders klimawirksamen ultravioletten
(UV-)Strahlung in solchen Rechnungen bisher unterschätzt wurde. Statt wie bisher
oftmals angenommen knapp 30 Prozent, trägt die UV-Strahlung etwa 60 Prozent zur
gesamten Schwankung der Sonnenintensität bei.
Anders als bei anderen Herangehensweisen bestimmen die MPS-Forscher die
Intensität der Sonnenstrahlung anhand von magnetischen Vorgängen auf der Sonne
selbst: Sie werten die Anzahl und Leuchtkraft von hellen und dunklen Bereichen
auf der Sonnenoberfläche aus, die sich kontinuierlich verändern.
Wie hell strahlt die Sonne? Und wie hell strahlte sie vor zehn, hundert und
tausend Jahren? Diese Fragen sind für unser Verständnis, wie sich unser Stern
auf das Erdklima auswirkt, von entscheidender Bedeutung - und ausgesprochen
schwer zu beantworten. Dass die Sonne ein veränderlicher Stern ist, dessen
Aktivität einem etwa elfjährigen Zyklus unterliegt, ist zwar seit mehr als
hundert Jahren bekannt. Direkte Messungen der Strahlungsintensität sind jedoch
erst seit Beginn des Weltraumzeitalters möglich.
Entscheidend ist nämlich die Strahlung, die auf die Erdatmosphäre trifft und
sich von dort in ihrer Wirkung bis zum Erdboden fortsetzen kann. Seit 1978
liefern Satelliten entsprechende Messdaten. Da jedoch jeder Satellit ein wenig
anders konstruiert ist und die Empfindlichkeit der Messgeräte mit der Zeit
abnimmt, sind die Daten mitunter schwer zueinander in Beziehung zu setzen. Umso
wichtiger ist es, die Strahlungsintensität der Sonne berechnen und so
möglicherweise auch weiter zurückliegende Werte rekonstruieren zu können.
Bemühungen dieser Art gibt es seit vielen Jahren. Dabei wurden als
Ausgangspunkt meist Messgrößen herangezogen, die sich erfahrungsgemäß parallel
mit der Sonnenintensität verändern. Das Modell der Göttinger Forscher ist das
erste, das stärker physikalische Zusammenhänge auf der Sonne selbst
berücksichtigt. "Wir leiten die Strahlungsintensität der Sonne aus
physikalischen Vorgängen ab, die sich auf ihrer sichtbaren Oberfläche
abspielen", erklärt Natalie Krivova, die Leiterin des Projekts vom MPS. Dafür
ist ein genauer Blick auf die Sonne nötig, wie ihn etwa die NASA-Raumsonde
Solar Dynamics Observatory ermöglicht.
"Der Schlüssel zum Verhalten der Sonne liegt fast immer in ihren stark
veränderlichen Magnetfeldern", erklärt Sami K. Solanki, Leiter der Abteilung
"Sonne und Heliosphäre" am MPS. Diese können an manchen Stellen verhindern, dass
heißes Plasma aus der Tiefe des Sterns an die Oberfläche gelangt. Als Ergebnis
treten Sonnenflecken auf. Das sind dunkle Bereiche auf der sichtbaren
Sonnenoberfläche, die in Zeiten hoher Sonnenaktivität besonders zahlreich sind.
In der Nähe der Sonnenflecken entstehen zudem Sonnenfackeln, besonders hell
leuchtende Bereiche. "Unterm Strich strahlt die Sonne deshalb im
Aktivitätsmaximum trotz der vielen Sonnenflecke heller als sonst", so Krivova.
Die Forscher werten Aufnahmen der Sonnenoberfläche und Messungen der
Magnetfelder aus und nutzen diese als Ausgangspunkt für ihr Modell. "Daten
dieser Art gibt es seit einigen Jahrzehnten", erklärt Krivova. "Die Anzahl der
Sonnenflecken wird jedoch schon seit Jahrhunderten gezählt und aufgezeichnet."
Die Herangehensweise der Göttinger Forscher ermöglicht somit auch einen Blick
in die Vergangenheit unseres Sterns. "Besonders die verlässlichsten Satellitendaten
können wir mit unserem Modell gut rekonstruieren", so Kok Leng Yeo vom MPS.
Von den Ergebnissen anderer Modelle unterscheiden sich die der Göttinger
Forscher vor allem beim Einfluss der UV-Strahlung. Statt wie bisher gedacht
knapp 30 Prozent, trug diese Strahlung in der Zeit von 1992 bis 2004 etwa 60
Prozent zu den gesamten Intensitätsschwankungen der Sonne bei. Abweichende
Ergebnisse anderer Modelle lassen sich, so die neue Studie, vor allem auf
unzuverlässige Messdaten zurückführen.
Insgesamt sind die Intensitätsschwankungen der Sonnenstrahlung klein. Sie
betragen nur den Bruchteil eines Prozents der Gesamtintensität. Die
ultraviolette Strahlung hingegen zeigt größere Schwankungen und gilt zudem als
besonders klimawirksam. Da die Erdatmosphäre diesen Teil der Strahlung zum
Großteil absorbiert, beeinflusst er kritische chemische Reaktionen in den oberen
Luftschichten.
Indirekt können sich diese Prozesse auch auf die Temperaturen an der
Erdoberfläche auswirken. Wie stark sich die höheren UV-Schwankungen auf das
Ergebnis von Klimamodellen und -prognosen auswirkt, ist unklar. "Aus unserer
Sicht ist es wichtig, möglichst akkurate Werte für den Einfluss der Sonne zu
verwenden", so Krivova.
In der Vergangenheit hatten Rechnungen gezeigt, dass die Sonne zwar das Klima
beeinflusst, nicht aber maßgeblich für den starken globalen Temperaturanstieg
der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich ist. "Wir erwarten nicht, dass sich
dieser Trend grundlegend ändert", so Krivova.
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler jetzt in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Journal of Geophysical Research erschienen ist.
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