Neutrino-Oszillation gilt als nachgewiesen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
17. Juni 2015
Zum fünften Mal haben Wissenschaftler in den Daten des
OPERA-Experiments die Umwandlung eines Myon-Neutrinos in ein Tau-Neutrino
nachweisen können. Damit gilt das Phänomen der sogenannten
Neutrino-Oszillationen als belegt. Dessen Existenz war lange Zeit vermutet
worden und sollte mit dem OPERA-Experiment nachgewiesen werden.
Der OPERA-Detektor: Ein Koloss von 4.000
Tonnen mit etwa 20 Metern Länge, zehn Metern Höhe
und zehn Metern Breite, um die kaum nachweisbaren
Elementarteilchen zu entdecken.
Foto: OPERA / Universität Bern [Großansicht] |
Neutrinos können die Erde fast ohne Widerstand durchqueren. Sie sind ungeladen
und interagieren praktisch gar nicht mit ihrer Umgebung. Deshalb sind die Spuren
dieser winzigen Elementarteilchen auch nur sehr schwer aufzuspüren. Für
Teilchenphysiker sind Neutrinos allerdings von großem Interesse. Es gibt sie in
drei verschiedenen Arten: Elektron-, Myon- und Tau- Neutrinos, die sich
ineinander verwandeln können.
Die Umwandlung eines Myon- in ein Tau-Neutrino wurde erstmals 2010 im
internationalen OPERA-Experiment beobachtet. Nun hat das OPERA-Team eine fünfte
solche Beobachtung gemeldet - damit ist die für Teilchenphysik statistisch
erforderliche sogenannte "5 Sigma"-Stufe erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass
es sich beim beobachteten Signal um etwas anderes handelt als die Umwandlung
eines Myon- in ein Tau-Neutrino, liegt nun nur noch bei 1:3,5 Millionen. Mit dem
Beleg dieser Umwandlung findet das OPERA-Experiment damit seinen erfolgreichen
Abschluss.
Die Umwandlung von Neutrinos galt lange als Spekulation. 1998 wurde erstmals
nachgewiesen, dass Myon-Neutrinos aus der kosmischen Strahlung in einer
geringeren Anzahl die Erde erreichen als erwartet. Tatsächlich verwandeln sich
die vermeintlich "fehlenden" Neutrinos aber in Tau-Neutrinos, wie das jetzige
Ergebnis belegt. "Der Nachweis dieser sogenannten Neutrino-Oszillationen ist
wichtig für unser Verständnis von der Entstehung des Universums", so Antonio
Ereditato, Leiter des Labors für Hochenergiephysik (LHEP) und Direktor der
Albert Einstein Centers für Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern.
Eines der größten, noch ungeklärten Rätsel der Wissenschaft sei bis heute, warum
beim Urknall mehr Materie als Antimaterie erzeugt wurde. Neutrino-Oszillationen
können möglicherweise wichtige Hinweise auf den zugrundeliegenden Mechanismus
dieser Asymmetrie liefern und damit das Verständnis über die Entstehung des
Universums verbessern. "Mit dieser wichtigen Entdeckung beenden wir ein langes
wissenschaftliches Abenteuer auf bestmögliche Weise", sagt Ereditato, der das
OPERA- Experiment 1997 mit zwei weiteren Physikern, Kimio Niwa und Paolo Strolin,
vorgeschlagen hatte.
Das OPERA-Experiment (Oscillation Project with Emulsion tRacking Apparatus) ist
in einem Untergrund-Labor im Gran Sasso-Massiv bei Rom stationiert. Der Detektor
zum Nachweis von Neutrinos ist ein Koloss von 4.000 Tonnen, der aus 1-Millimeter
dicken Bleiplatten besteht. Zwischen den Bleiplatten befinden sich dünne Filme
aus Photoemulsion, um die Spuren der Teilchen nachzuweisen, die bei einer
Interaktion mit dem Detektor entstehen. Die Filme werden schließlich an
computergesteuerten Mikroskopen am Labor für Hochenergiephysik (LHEP) der
Universität Bern ausgewertet.
Die Neutrinos kamen aus Genf, wo das CERN einen Strahl von Myon-Neutrinos mit
einem Teilchenbeschleuniger erzeugte und in Richtung des Gran-Sasso-Labors
losschickte. Auf der Flugstrecke von 731 Kilometern sollte sich ein Teil der
ausgesandten Myon-Neutrinos in Tau-Neutrinos umwandeln. 2010 wurde das erste
Tau-Neutrino im OPERA-Detektor beobachtet, gefolgt von weiteren Beobachtungen
2012, 2013 und 2014. Mit der fünften Beobachtung gilt die Umwandlung nun als
belegt.
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