Maximal halb so viel Masse wie gedacht?
von Stefan Deiters astronews.com
12. Juli 2010
Neutrinos, diese sehr leichten und äußerst schwer
aufzuspürenden Elementarteilchen, könnten weniger als die Hälfte der Masse
besitzen, die man bislang für möglich gehalten hatte. Dies ist das Ergebnis
eines umfangreichen, mehr als 700.000 Galaxien umfassenden Surveys. Trotz ihrer
geringen Masse sollten Neutrinos nämlich einen erheblichen Einfluss auf die
Materieverteilung im All haben.
Simulation der Materieverteilung im
Universum. Oben ist ein Fall mit masselosen
Neutrinos, unten einer mit einer Neutrinomasse
von 1,9 eV dargestellt. Obwohl die
Anfangsbedingungen gleich waren, unterscheidet
sich die Materieverteilung deutlich.
Bild: Shankar Agarwal und Hume Feldman,
University of Kansas
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Neutrinos gehören mit zu den leichtesten und am schwersten zu fassenden
Elementarteilchen. Auch wenn in jeder Sekunde unzählige Neutrinos durch uns
hindurch strömen, spüren wir von ihnen nichts - alle Materialien durchdringen
sie ungehindert. Ihre Entdeckung und Untersuchung macht dies nicht gerade
einfach. Trotzdem spielen sie in den Theorien der Physiker eine entscheidende
Rolle. Sie könnten auch dazu beitragen, das Dunkelmaterieproblem zu lösen, wenn
ihre Masse denn groß genug wäre.
Doch die Masse von Neutrinos lässt sich bislang nur sehr ungenau bestimmen.
Angeben können Wissenschaftler nur bestimmte Massengrenzen. Außerdem ist man
sich einig darüber, dass Neutrinos auf jeden Fall eine geringe Masse haben
müssen. Mit Hilfe einer umfangreichen Durchmusterung von Galaxien, dem mehr als
700.000 Galaxien umfassenden MegaZ DR7-Survey, konnten Forscher nun den
Massenbereich der Neutrinos weiter eingrenzen. Danach sieht es so aus, als wäre
ihre Masse bislang um mindestens das Doppelte zu hoch eingeschätzt worden.
Obwohl Neutrinos sehr leicht sind und äußerst selten mit Materie
wechselwirken, sollten sie wegen ihrer hohen Zahl einen Einfluss darauf haben,
wie die Materie im Universum verteilt ist. Genau dies haben sich die
Wissenschaftler angesehen: Die dreidimensionale Verteilung der Galaxien im
MegaZ DR7-Survey ergab, dass sich diese am besten mit einer deutlich
geringeren Neutrinomasse in Einklag bringen lässt.
Alles verrät diese umfassende Galaxiendurchmusterung den Forschern allerdings
nicht über die Neutrinos. Das liegt auch daran, dass man drei verschiedene
Varianten von Neutrinos kennt - Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos. Sie könnten
alle eine unterschiedliche Masse haben. Mit MegaZ lässt sich daher nur
die Summe der Masse aller drei Neutrinoarten abschätzen - auf unter 0,28
Elektronenvolt. Dies ist die bislang geringste obere Massengrenze für die
Neutrinomasse.
Eine untere Massengrenze lässt sich aus MegaZ nicht ableiten.
Gegenwärtig liegen die Werte hier bei 0,05 Elektronenvolt für das massereichste
Neutrino. Hätten alle Neutrinos tatsächlich nur diese Masse, würden sie bereits
ein Prozent der Gesamtmasse des Universums ausmachen. Dies erklärt auch ihren
Einfluss auf die Materieverteilung im Weltall.
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