Milena und Doresa sind im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
22. August 2014
Der Aufbau der europäischen Konkurrenz für das Global
Positioning System (GPS) kommt voran: Von Kourou aus starteten heute die
ersten beiden Galileo-Satelliten der Betriebsphase - Milena
und Doresa - in einen Erdorbit. Zwei weitere Satelliten sollen noch in
diesem Jahr folgen. Erste Datendienste werden ab dem kommenden Jahr verfügbar
sein.
Start des fünften und sechsten
Galileo-Satelliten am Freitag.
Foto: ESA [Großansicht] |
Das europäische Satellitennavigations-System Galileo hat einen
weiteren Meilenstein erreicht: An Bord einer russischen Sojus-Rakete
sind am 22. August 2014 um 14.27 Uhr MESZ Milena und Doresa,
der fünfte und sechste von insgesamt 30 Satelliten, vom europäischen
Raumfahrtzentrum in Kourou in Französisch-Guyana gestartet.
Es sind die beiden ersten Galileo-Satelliten der sogenannten
Aufbauphase. Seit 2011 und 2012 sind bereits vier Satelliten für die
In-Orbit-Validierung des Systems im All. Gegen 18.15 Uhr MESZ wurden die beiden
vom deutschen Raumfahrtunternehmen OHB in Bremen gebauten Navigationssatelliten
dann in ihrem Zielorbit in rund 23.500 Kilometern Höhe ausgesetzt.
"Deutschland ist mit rund 20 Prozent an Galileo beteiligt", erklärt
René Kleeßen, Galileo-Programm-Manager beim Raumfahrtmanagement des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Wir vertreten die deutschen Interessen
bei Galileo im ESA-Programmrat Navigation und beraten das
Bundesverkehrsministerium im europäischen GNSS (Global Navigation Satellite
System)-Ausschuss gegenüber der Europäischen Kommission". Die Europäische
Kommission ist Auftraggeber für das Navigationsprogramm, die europäische
Weltraumagentur ESA verhandelt in ihrem Auftrag die Industrieverträge.
Deutschland ist neben dem Bau der Satelliten auch Standort von einem der
beiden Galileo-Kontrollzentren. Dieses befindet sich beim DLR in
Oberpfaffenhofen. "Deutschland und Italien führen zudem zusammen die Galileo-Betreibergesellschaft
Space Opal", ergänzt René Kleeßen. Das DLR Raumfahrtmanagement ist
außerdem für den Aufbau der deutschlandweiten Galileo-Testgebiete, der
GATEs, verantwortlich. Zusammen mit Geoinformationen und Telekommunikation kann
Galileo vielseitig eingesetzt werden - vom autonomen Fahren im
Straßenverkehr bis hin zur Überwachung von Fischbeständen oder bei Such- und
Rettungsdiensten.
Mit dem Start der beiden ersten OHB-Satelliten ist formal die
Entwicklungsphase von Galileo abgeschlossen: Zur sogenannten
In-Orbit-Validierung zählten die ersten vier Satelliten, die von Airbus
Defense and Space gebaut und im Oktober 2011 und Oktober 2012 gestartet
worden sind. Im März 2013 konnte mit diesen vier Satelliten die erste Position
mit Galileo-Signalen ermittelt werden.
Für die nun beginnende Aufbauphase (FOC, Full Operational Capability) hat die
Europäischen Kommission insgesamt 22 Satelliten bei OHB in Bremen bestellt. Die
nächsten beiden FOC-Satelliten sollen Ende 2014 folgen. "Eigentlich sollte
Galileo schon 2008 voll funktionieren, aber wie bei großen, komplexen
Raumfahrtprogrammen üblich, gab es Verzögerungen. Das GPS-System hat 20 Jahre
mehr Erfahrung, das müssen wir erst mal aufholen", sagt DLR-Programmmanager
Kleeßen.
Zusammen mit dem amerikanischen GPS, dem russischen GLONASS und dem ebenfalls
im Aufbau befindlichen chinesischen Beidou werden in einigen Jahren
weltweit vier Satellitennavigationssysteme existieren. "Die Physik ist überall
gleich - sprich alle Satelliten arbeiten mit ähnlicher Technik, zum Beispiel mit
hochpräzisen Atomuhren. Galileo steht aber im Gegensatz zu GPS, GLONASS
und Beidou unter ziviler Kontrolle", erklärt Luft- und Raumfahrtingenieur
Kleeßen.
Galileo soll insgesamt vier Dienste anbieten: Einen offenen Dienst
mit einer Genauigkeit von etwa vier Metern - zum Vergleich: GPS hat hier nur
eine Auflösung von etwa zehn Metern; einen kommerziellen Dienst mit höherer
Genauigkeit von bis zu einem Meter, einen Dienst mit verschlüsselten Signalen
für autorisierte Nutzer, vor allem Behörden, und einen Such- und Rettungsdienst.
"Die gemessenen Leistungswerte von Galileo sind besser als bei GPS, die
besondere Herausforderung ist aber die Robustheit des Systems," so Kleeßen.
Die ersten Dienste sollen Anfang 2015 nutzbar und bis 2020 vollständig
aufgebaut sein. Die Gesamtkosten für die Entwicklung und den Aufbau von
Galileo liegen bei rund sechs Milliarden Euro. Zusätzlich sind für Betrieb
und Weiterentwicklung des Systems und des europäischen GPS-Ergänzungssystems
EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay System) weitere rund sieben
Milliarden Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020 im Haushalt der Europäischen
Union eingestellt.
Die jetzt gestarteten ersten FOC-Satelliten kosten jeweils rund 40 Millionen
Euro. Neben der OHB System AG als Hauptauftragnehmer der ESA sind acht weitere
deutsche Firmen beteiligt.
Update (23. August 2014): In der Nacht nach dem Start wurde
bekannt, dass die beiden Satelliten offenbar nicht den vorgesehenen Orbit
erreicht haben. Weitere Informationen in dem Artikel:
Galileo: Satelliten auf falschem
Orbit? vom 23. August 2014.
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