Wie die kleinsten Galaxien wachsen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
24. Februar 2014
Galaxien wachsen, so zumindest die allgemein akzeptierte
Theorie der Astronomen, indem sie mit anderen Galaxien verschmelzen oder sich
kleinere Systeme einverleiben. Jetzt ist es gelungen, das bislang kleinste
Produkt einer solchen Verschmelzung aufzuspüren. Eine Satellitengalaxie der
Andromedagalaxie entstand offenbar durch die Verschmelzung zweier noch kleinerer
Systeme.
Künstlerische Darstellung der
Verschmelzung zweier Vorläufergalaxien zur
Zwerggalaxie Andromeda II.
Bild: N. C. Amorisco & M. Høst (Niels Bohr
Institute) and ESO / Digitized Sky Survey 2 |
Galaxien wachsen, indem sie sich kleinere Galaxien einverleiben oder mit
anderen Galaxien verschmelzen. Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen das bisher
kleinste Beispiel für das Produkt einer solchen Galaxienverschmelzung
identifiziert: die Zwerggalaxie Andromeda II (AndII), eine Satellitengalaxie der
Andromedagalaxie. Anhand der Bewegung der Sterne in der Galaxie machten die
Forscher zwei unterschiedliche Sterngruppen ausfindig: die Sterne der
ursprünglichen AndII-Zwerggalaxie und Sterne einer anderen Zwerggalaxie, die mit
AndII verschmolzen sein muss.
Die Entdeckung der kleinsten bekannten Galaxienverschmelzung begann mit einer
Anomalie: Eine US-amerikanische Astronomengruppe unter der Leitung von Marla
Geha hatte die Geschwindigkeiten von mehr als 700 Sternen in und um AndII
vermessen. AndII, so zeigte sich dabei, dreht sich nicht nur sehr viel schneller
als andere Galaxien desselben Typs. Sie drehte sich auch auf eine gänzlich
ungewöhnliche Art: Nicht analog zu einem Rad, das sich um seine Achse dreht,
sondern in einer Art Taumelbewegung senkrecht zur Symmetrieachse.
Die Anomalie veranlasste die Astronomen dazu, die Daten an drei Kollegen
weiterzureichen, die große Erfahrung im Modellieren der Sternbewegungen in
Galaxien besitzen: Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomy, Wyn
Evans von der Universität Cambridge, und Nicola Amorisco von der Universität
Kopenhagen. Amorisco, Evans und van de Ven analysierten die
Sterngeschwindigkeiten sorgfältig mit einer von ihnen zuvor entwickelten Methode
und fanden eine Erklärung für die anomale Rotation: Bei AndII scheint es sich um
das Ergebnis einer Verschmelzung zweier noch kleinerer Galaxien zu handeln.
Die ungewöhnliche Rotation stammt aus jener Phase, in der die kleinere der
Zwerggalaxien die größere vor dem Verschmelzen umkreiste. "Durch eine
sorgfältige Untersuchung der Bewegungen von mehr als 700 Einzelsternen konnten
wir zeigen, dass es sich um zwei unterschiedliche Gruppen von Sternen handelt:
Die Sterne der ursprünglichen Zwerggalaxie und Sterne in einem so genannten
Sternstrom, einer Art Gürtel aus Sternen, der sich um die Zentralregionen von
AndII wickelt", erklärt van de Ven.
Interessanterweise hatte bereits 2007 eine Untersuchung der Verteilung der
Sterne in AndII die Autoren zu der Spekulation geführt, AndII könnte der
Überrest einer Galaxienverschmelzung sein - Anhaltspunkt war damals die
ungewöhnliche Form einer bestimmten Gruppe sehr alter Sterne in der Galaxie. Die
Entdeckung des Sternstroms stellt diese Behauptung nun auf eine solide
Grundlage.
Derartige Sternströme sind die charakteristischen Überreste einer kleineren
Galaxie, die von einer größeren Galaxie eingefangen wurde. Man hat solche Ströme
in unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, und in einer ganzen Reihe weiterer
größerer Galaxien gefunden - aber nie in einer Galaxie mit einer Masse von
weniger als einer Milliarde Sonnenmassen.
Die Masse von AndII ist deutlich geringer: Sie liegt bei nicht mehr als der
zehnmillionenfachen Masse der Sonne. "Bislang haben Astronomen lediglich Spuren
der späteren Stadien der Galaxienevolution gefunden - Fälle, in denen mindestens
eine der beteiligten Galaxien bereits recht massereich und damit ihrerseits aus
einer Serie früherer Verschmelzungen hervorgegangen war. Dies hier ist das erste
Beispiel für eine Verschmelzung in einer sehr kleinen Galaxie", so Amorisco.
"In dem allgemein akzeptierten Modell der Galaxienentwicklung ist dies
der Anfang der Wachstumskette: kleine Zwerggalaxien, die mit noch kleineren
Zwergen verschmelzen. Aber bis jetzt hatte noch nie jemand ein Beispiel für eine
Verschmelzung derart leichter Galaxien gefunden", ergänzt Van de Ven.
Amorisco, Evans und van de Ven hoffen, dass die nächsten Entdeckungen dieser
Art nicht lange auf sich warten lassen. "Wir wissen, dass andere Astronomen über
ähnliche Beobachtungsdaten für Zwerggalaxien verfügen", so Van de Ven. "Mit
unserer Untersuchungsmethode sollte es möglich sein, auch in diesen anderen
Daten nach Sternströmen zu suchen. Und vielleicht finden wir dabei ja sogar noch
leichtere Verschmelzungsprodukte?"
Aber selbst das jetzt veröffentlichte eine Beispiel ist ein guter Hinweis
darauf, dass die herkömmlichen Modelle der Galaxienentwicklung so falsch mit
ihrer Erklärung nicht liegen, wo die kleinen und die ganz kleinen Galaxien
herkommen. Über ihre Studie berichten die Astronomen jetzt in einem Fachartikel
in der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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