Poröser Brocken aus Gestein und Staub
von Stefan Deiters astronews.com
25. Mai 2012
Durch Auswertung verschiedener Beobachtungen ist es einem
amerikanischen Astronomen nun gelungen, die Masse eines erdnahen Asteroiden
recht genau zu bestimmen. 1999 RQ36 ist danach wohl kaum mehr als eine lockere
Ansammlung aus Gestein und Staub. Der Asteroid erhält 2019 Besuch von der
NASA-Mission OSIRIS-REx, die auch eine Bodenprobe zur Erde
zurückbringen soll.
Radaraufnahmen des Asteroiden 1999 RQ36, die am
23. September 1999 mit dem
Goldstone-Radioteleskop in Kalifornien gewonnen
wurden.
Bild: NASA / JPL-Caltech
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Einem amerikanischen Astronom ist es nun gelungen, die Masse eines Asteroiden zu
bestimmen, der bald Ziel einer Probenrückholmission der NASA werden soll. Der
Wissenschaftler nutzte dazu die Beobachtungen mehrerer Observatorien und stellte
zudem detaillierte Berechnungen an. Eine wichtige Rolle dabei spielte der
sogenannte Jarkowski-Effekt, der dazu führen kann, dass sich die Bahn eines
Asteroiden über viele Jahre leicht verändert.
Für seine in der vergangenen Woche auf einer Konferenz in Japan vorgestellte
Studie musste Steve Chesley von der Near-Earth Object Programm Office
am Jet Propulsion Laboratory der NASA zunächst den genauen Orbit von
1999 RQ36 bestimmen. Dies ist alles andere als einfach, weil man dabei nicht nur
den Einfluss sämtlicher Objekte in der Nähe berücksichtigen muss, sondern auch
etwaige Bahnänderungen, für die der Asteroid selbst verantwortlich ist - so
winzig diese auch sein mögen.
Auf Grundlage von detaillierten Beobachtungen des Asteroiden mit dem Arecibo-Radioteleskop
und einem Radioteleskop im kalifornischen Goldstone aus den Jahren 1999, 2005
und 2011 und genauen Daten über die gravitativen Effekte von Sonne, Mond,
Planeten und anderen Asteroiden bestimmte Chesley, um wie weit der Asteroid von
seiner theoretisch berechneten Bahn in den vergangenen zwölf Jahren abgewichen
ist. Chesley kam auf einen Wert von rund 160 Kilometern.
Die einzige schlüssige Erklärung dafür ist die Annahme, dass der Asteroid selbst
seinen Orbit beeinflusst hat und zwar durch ein Phänomen, das unter Astronomen
als Jarkowski-Effekt bekannt ist. Dieser nach einem russischen Ingenieur
benannte Effekt beschreibt die Ablenkung eines Asteroiden, die sich durch die
Absorption von Sonnenlicht durch den Brocken und die anschließende Abstrahlung
von Wärme ins All ergibt. Der Effekt ist äußerst gering und deswegen nur schwer
zu messen.
"Im Höchstfall, wenn der Asteroid den geringsten Abstand zur Sonne hat, ist die
Jarkowski-Kraft die auf 1999 RQ36 wirkt, nicht größer als die Kraft, die drei
Weintrauben ausüben würden", vergleicht Chesley. "Wenn man aber von der Kraft
von drei Weintrauben spricht, die die Bahn eines Objektes mit einer Masse von
Millionen Tonnen beeinflussen soll, wird klar, dass es viele und sehr genaue
Berechnungen über einen langen Zeitraum bedarf, um hier einen Effekt zu sehen.
Glücklicherweise liegen dank des Arecibo-Observatoriums Daten aus einem
Zeitraum von zwölf Jahren vor, so dass wir das messen konnten."
Einen weiteren wichtigen Beitrag lieferten schließlich Infrarotbeobachtungen von
1999 RQ36, die 2007 mit dem Weltraumteleskop Spitzer gemacht wurden.
Daraus konnte Chesley die Temperatur des Asteroiden bestimmen und zudem
ermitteln, wie stark die Oberfläche von 1999 RQ36 von einer isolierenden Schicht
aus feinem Material bedeckt ist, die eine Schlüsselrolle für die Stärke des
Jarkowski-Effekts spielt.
Mit all diesen Daten konnte der Wissenschaftler dann die Masse des Brockens
bestimmen. "1999 RQ36 wiegt etwa 60 Millionen Tonnen und hat einen Durchmesser
von einem halben Kilometer", so Chesley. "Das bedeutet, seine Dichte ist
vergleichbar mit der von Wasser, so dass der Asteroid eine sehr poröse
Ansammlung von Gestein und Staub sein dürfte."
Wie weit diese Analyse zutreffend ist, wird sich - wenn alles nach Plan läuft -
Ende des Jahrzehnts herausstellen: 2016 will die NASA nämlich die Mission
Origins Spectral Interpretation Resource Identification Security - Regolith
Explorer (OSIRIS-REx) starten, die ab Oktober 2019 den Asteroiden 1999 RQ36
für bis zu 505 Tage untersuchen soll. Die Sonde wird auch eine Gesteinsprobe
sammeln, deren Ankunft auf der Erde dann für September 2023 erwartet wird.
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