Bessere Daten in der Vergangenheit
von Stefan Deiters astronews.com
23. Mai 2012
Zu welchem Zeitpunkt müsste man als Kosmologe das Universum
beobachten, um möglichst viel über seine frühe Entwicklung zu erfahren? Dieser
Fragestellung hat sich nun ein amerikanischer Astronom angenommen und ist zu
einem verblüffenden Resultat gelangt: Die besten Daten hätte man vor über 13
Milliarden Jahren gewinnen können - in einer Epoche, die auch heute noch
zugänglich ist.
Die besten
kosmologischen Beobachtungen wären zu einer Zeit
möglich gewesen, in der gerade die ersten Sterne
entstanden.
Bild: Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics |
Unser Universum ist ein äußerst komplexes Gebilde, in dem sich in den
vergangenen 13,7 Milliarden Jahren aus den anfänglichen geringen
Dichtevariationen gewaltige Strukturen wie Galaxien, Galaxienhaufen und
Galaxien-Superhaufen gebildet haben. Durch Beobachtung dieser großräumigen
kosmischen Strukturen und durch Analyse der Strahlung, die uns aus der Frühphase des
Universums erreicht, versuchen sich Kosmologen ein Bild davon zu machen,
wie unser Weltall ursprünglich einmal ausgesehen hat und wie es zu dem wurde,
was es heute ist.
Doch zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte des Universums hätte man
als Kosmologe leben müssen, um möglichst viel über unser Weltall zu erfahren? Ist
heute der beste Zeitpunkt, liegt er einige Milliarden Jahre in der Zukunft oder
ist er bereits verstrichen? Der Kosmologe Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics hat sich mit dieser Frage beschäftigt und ist zu einem
überraschenden Resultat gekommen: Der beste Zeitpunkt wäre rund 500 Millionen
Jahre nach dem Urknall gewesen, also vor über 13 Milliarden Jahren.
Je weiter die Entwicklung des Universums fortschreitet, so die Analyse Loebs,
desto mehr Informationen über das frühe Universum gehen verloren. Aussichtslos
ist die kosmologische Forschung deshalb aber heute noch nicht: "Ich bin froh,
ein Kosmologe in einer kosmischen Epoche zu sein, in der sich noch immer einige
Hinweise über die Anfangszeit des Universums entdecken lassen", so Loeb.
Bei der Bestimmung des optimalen Zeitpunkts gilt es, zwei konkurrierende
Entwicklungen gegeneinander abzuwägen: Im jungen Universum kann man nicht so
weit in seine Umgebung schauen, da das Licht - aufgrund seiner begrenzten
Geschwindigkeit - ja noch nicht so viel Zeit hatte, den Beobachter auf seiner
Welt zu erreichen. Der kosmologische Horizont ist als kleiner. Das ändert sich
dann mit zunehmendem Alter, wenn auch das Licht aus entfernteren Regionen
langsam sichtbar wird.
Gleichzeitig entwickelt sich das Universum aber auch weiter. Es entstehen
gravitativ aneinander gebundene Objekte und diese zerstören auf kleinen Skalen
die Erinnerung an die ursprünglichen Bedingungen. Während sich also die "Sicht"
mit fortschreitendem Alter verbessert, verschlechtern sich die Informationen,
die man aus den Beobachtungen tatsächlich auch ableiten kann. Wann also ist der
optimale Zeitpunkt, um möglichst viel über den ursprünglichen Zustand des Kosmos
zu erfahren? Loebs Analyse ergab, dass dies schon 500 Millionen Jahre nach dem
Urknall der Fall war.
Das ist genau die Zeit, in der die ersten Sterne entstanden sind und dies ist
kein Zufall: Da mit der Entstehung der ersten Galaxien auch Informationen über
das frühe Universum verlorengegangen sind, sollte man sich die Bedingungen im
Universum am besten dann anschauen, wenn die Geburt von Sternen gerade beginnt.
Doch noch ist nicht alles verloren: Astronomen können über diese frühe Epoche
beispielsweise etwas mit Hilfe von Radioteleskopen lernen, die die
charakteristische Strahlung von Wasserstoffgas mit einer Wellenlänge von 21
Zentimetern messen. "21-Zentimeter-Kartierungen sind unsere beste Hoffnung", so
Loeb. "Durch die Beobachtung von Wasserstoff in dieser Entfernung kann man die
Verteilung der Materie in dieser frühen Epoche kartieren."
Für Kosmologen in der fernen Zukunft hingegen, dürfte es deutlich schwieriger
werden: Die beschleunigte Expansion des Universums wird nämlich dafür sorgen,
dass immer mehr Galaxien hinter unseren kosmischen Horizont verschwinden, ihr
Licht uns also irgendwann nicht mehr erreichen kann. Auch die Ausdehnung der gravitativ nicht gebundenen Strukturen, von denen man viel über die Anfangsphase
lernen kann, wird durch die Expansion schließlich so groß, dass sie nicht mehr
zu beobachten sind. Dies dürfte der Fall sein, wenn das Universum zehn- bis
100-mal älter ist als heute.
"Wenn man also etwas über das frühe Universum lernen will, sollte man besser
jetzt beobachten und nicht warten, bis es zu spät ist", so Loeb. Der Kosmologe
hat seine Analyse im Journal of Cosmology and Astroparticle Physics
veröffentlicht.
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