Neue Theorie könnte Rätsel lösen
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Zürich astronews.com
15. Oktober 2008
Astronomen der Universität Zürich glauben mit Hilfe einer
neuen Theorie über die Entstehung und Entwicklung von Zwerggalaxien ein schon
seit längerem bestehendes Rätsel um diese Galaxien gelöst zu haben. Danach sind
beispielsweise die Magellanschen Wolken die größten Mitglieder einer Gruppe von
Zwerggalaxien, die vor nicht allzu langer Zeit in den Halo der Milchstraße
eingetreten sind.
Simulation: Eine
Gruppe von der Größe der Magellanschen Gruppe
fällt in eine milchstraßenähnliche Galaxie.
Bild: Universität Zürich / ZVG |
Entstehung und Eigenschaften von Zwerggalaxien zu erklären, bereitete
den Astronomen bislang große Schwierigkeiten. "Vor zehn Jahren hat mein Team an
der Universität in Washington herausgefunden, dass unsere kosmologischen Modelle
30 bis 50 mal mehr kleine Objekte vorhersagen, als wir beobachten. Wären die
Zahlen ungefähr gleich gewesen, wäre dem Modell ein schneller Erfolg sicher
gewesen. Gäbe es keine Zwerggalaxien, hätten wir vielleicht einen Weg gefunden,
ihre Entstehung in der Simulation zu unterbinden", erläutert George Lake vom
Institut für Theoretische Physik der Universität Zürich das Problem der
Astronomen. "So aber standen wir vor der Frage: Wie schaffen wir es, die meisten
der Zwerggalaxien an ihrer Entstehung zu hindern, aber nicht alle?"
Die gängigste Theorie, um die Entstehung vieler leuchtender Zwerggalaxien zu
verhindern, ist, dass gewisse Ereignisse im frühen Universum das Gas entfernten,
aus dem sich Sterne hätten formen können. Das erste dieser Ereignisse ist die
globale Erhitzung und Reionisation des Universums, die sich während einer
Milliarde Jahren nach dem Urknall ereignet haben. Gemäß dieser Theorie entgeht
der kleine Anteil der Zwerggalaxien, der sich schnell genug gebildet hatte, der
Zerstörung. "Obwohl dies eine interessante Idee ist, liefert sie keine Erklärung
dafür, dass die meisten Zwerggalaxien Sterne haben, welche viel später
entstanden sind", gibt Lake zu bedenken.
Fragen aufgeworfen hat bisher auch die Formation von Zwerggalaxien:
Zwerggalaxien sind nämlich seltsam gruppiert. "Sie sind kontaktfreudig und
ordnen sich in Gruppen an – sowohl innerhalb unserer Galaxie wie auch in nahe
gelegenen Formationen", erläutert Kollegin Elena D’Onghia, die mit Lake
gemeinsam jetzt einen Fachartikel in der Zeitschrift The Astrophysical
Journal Letters über die Resultate veröffentlicht hat. So seien
beispielsweise sieben der Zwerggalaxien der Milchstraße mit den Magellanschen
Wolken verbunden
Dass sich Galaxien im Universum hierarchisch formen, ist im Universum
nichts Ungewöhnliches. "Der entscheidende Faktor ist jedoch nicht, dass diese
Zwerggruppen Gruppen sind, sondern dass sie einen 'Zwergenführer' oder
'Elternteil' haben. Wenn durch ein Ereignis im frühen Universum Gas aus den
kleinsten Objekten heraus geschleudert wird, führt der Zwergenführer dieses Gas
mit und ermöglicht so den kleinen Kameraden, es zu einem späteren Zeitpunkt
wieder aufzunehmen" erklärt D’Onghia.
Lake und D’Onghia haben all diese Teile des Puzzles zusammengefügt und
vermuten, dass die Magellanschen Wolken die größten Mitglieder einer
Gruppe von Zwerggalaxien sind, welche vor nicht allzu langer Zeit in den dunkeln
Milchstraßen-Halo eintraten. Sieben der elf hellsten Satellitengalaxien unserer
Milchstraße waren Teil dieser Gruppe. Neue Simulationen, die an der Universität
Zürich durchgeführt wurden, zeigen, dass es für Zwerggalaxien typisch ist, sich
in Gruppen zu formieren und zu einem späten Zeitpunkt in große Galaxien
einzutreten. Gezeitenkräfte spalten diese Gruppen und verteilen die leuchtenden
Zwerge auf der Milchstraße. Auf diese Weise entstehen die Satellitengalaxien,
welche wir heute beobachten.
Diese neuen Forschungsergebnisse von Lake und D’Onghia korrespondieren auch
mit Messungen, welche erst kürzlich von Forschern der Harvard University,
unter ihnen Nitya Kallivayalil und Gurtina Besla, durchgeführt wurden. Diese
weisen darauf hin, dass sich die Magellanschen Wolken schneller bewegen als
bisher angenommen und dass sie vielleicht erst kürzlich in die Milchstraße
eingetreten sind (astronews.com berichtete).
"Das von D’Ongia und Lake vorgeschlagene Szenarium passt gut zu diesen
Beobachtungen und könnte viele Eigenschaften des Satellitenbestandes der
Milchstraße erklären", meint auch Lars Hernquist von der Harvard University.
Die Theorie von Lake und D’Onghia löst verschiedene Probleme im Zusammenhang mit
der Entstehung von Galaxien und macht klare Voraussagen, welche in Kürze
getestet werden. Eine dieser Voraussagen ist, dass bei isolierten Zwerg- und
Satelliten-Galaxien Begleiter gefunden werden. Tatsächlich wurde seit dem
erstmaligen Veröffentlichen ihrer Theorie im Juli entdeckt, dass die
Zwerggalaxie Leo IV einen kleinen Begleiter Leo V hat. Auch die Existenz nahe
gelegener Zwergengemeinschaften unterstützt diese Theorie.
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