Besucher und keine Begleiter der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
18. September 2007
Viele Jahrhunderte galten die Magellanschen Wolken als
Satellitengalaxien unserer Milchstraße. Anfang des Jahres kamen erste Zweifel
daran auf, ob man wirklich schon die ganze Wahrheit über die beiden irregulären
Galaxien kennt. Eine detaillierte Analyse der neuen Daten kann nun, so die
Forscher, nur zu einer Schlussfolgerung führen: die Magellanschen Wolken sind
lediglich auf der Durchreise.
Die Große Magellansche Wolke galt bislang als
Begleiter der Milchstraße. Foto: CfA / Copyright Robert
Gendler und Josch Hambsch 2005 |
"Wir kennen die Magellanschen Wolken bereits seit der Zeit von
Magellan und nur durch eine einzige Beobachtung wird alles, was wir über ihre
Geschichte und Entwicklung zu wissen glaubten, über den Haufen geworfen", ordnet
Gurtina Besla vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics die neuen
Erkenntnisse ein. Bereits im Januar waren neue Beobachtungen der beiden Galaxien
veröffentlicht worden, die ergaben, dass sich die Galaxien etwa doppelt so
schnell bewegen wie bislang angenommen (astronews.com berichtete).
Als Erklärung boten die Astronomen damals zwei Möglichkeiten an: Entweder
haben die Galaxien eine deutlich höhere Masse als angenommen oder sie sind -
entgegen der langläufigen Meinung - eben nicht an unsere Milchstraße gebunden
und somit auch keine Satellitengalaxien. Besla hat, zusammen mit Kollegen, die
damaligen Daten gründlich analysiert und basierend auf den beobachteten
Geschwindigkeiten die Bahn der beiden Galaxien bestimmt. Danach sind die
Magellanschen Wolken tatsächlich keine Satelliten der Milchstraße, sondern sind
zum ersten Mal in der Nähe unserer Heimatgalaxie.
Dieses Ergebnis hat für das Verständnis unserer galaktischen Umgebung einige
Folgen: Die Scheibe unserer Milchstraße beispielsweise besteht aus einer
Mischung aus Gas und Sternen. Die Gasscheibe allerdings scheint etwas verbogen
zu sein. Dies haben Astronomen bislang durch frühere Passagen der Magellanschen
Wolken erklärt. Da diese aber - wie sich jetzt herausstellt - vor einem bis drei Milliarden Jahren zum ersten
Mal in die Nähe der Milchstraße kamen, scheint eine Verantwortung der
Magellanschen Wolken für diese Verbiegung unwahrscheinlich.
Erklärt werden muss auch der sogenannte Magellansche Strom, ein Schweif aus
Gas, den die Magellanschen Wolken hinter sich herziehen. Auch dieser wurde
bislang durch gravitative Wechselwirkungen mit der Milchstraße erklärt oder
durch Wechselwirkungen mit dem Gas, das unsere Galaxie umgibt. Beide Szenarien
kommen nicht in Frage, wenn die Magellanschen Wolken erstmals in der Nähe der
Milchstraße sind. "Das alles ist wirklich mysteriös", so Besla. "Eine Antwort
hat hier zu vielen neuen Fragen geführt."
Auch die Sternentstehungsgeschichte der Magellanschen Wolken bedarf nun einer
neuen Betrachtung: Während in der Milchstraße beispielsweise kontinuierlich neue
Sterne entstehen, geschieht das in den Magellanschen Wolken in heftigen
Ausbrüchen von Sternentstehung, auf die lange, ruhige Perioden folgen. Diese Ausbrüche von Sternentstehung wurden mit früheren dichten Vorüberflügen an
der Milchstraße und den damit verbundenen Störungen in Zusammenhang gebracht. Da
diese Erklärung nun nicht mehr in Frage kommt, vermuten die Astronomen, dass
eventuell Wechselwirkungen zwischen der Großen und der Kleinen Magellanschen
Wolke für die heftigen Sternentstehungsphasen verantwortlich sein könnten.
Besla und ihre Kollegen wollen sich nun zunächst des Magellanschen Stroms
annehmen und mit Hilfe von Computersimulationen dessen Herkunft klären. Auch
neue, detaillierte Beobachtungen des Stroms sind geplant. Die Hoffnung ist, dass
Beobachter und Theoretiker gemeinsam ein paar Antworten auf die vielen neuen
Fragen finden können.
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