Lichtecho erhellt Zentrum einer aktiven Galaxie
Redaktion /
Pressemitteilung des MPE astronews.com
18. April 2008
Astronomen bot sich jetzt ein seltener Einblick in das
Zentrum einer aktiven Galaxie: Die Wissenschaftler beobachteten ein Lichtecho
von intensiver Röntgenstrahlung, die durch die Zerstörung eines Sterns durch ein
supermassereiches Schwarzes Loch entstanden war. Dank dieses seltenen
Schauspiels gelang es, den Kern der entfernten Galaxie mit einer ganz neuen
Methode zu kartografieren.
So stellt sich ein Künstler ein Lichtecho vor,
das durch die Zerstörung eines Sterns durch ein
Schwarzes Loch entstand.
Bild:
MPE / ESA |
Ein Lichtecho entsteht, wenn interstellare Gase durch Strahlung stark
aufgeheizt werden und darauf ihrerseits mit Aussendung von Licht in anderen
Wellenlängen reagieren. Bei der Galaxie, die nun ein internationales Team unter
Leitung der Astrophysikerin Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik (MPE) in Garching beobachtet hat, handelt es sich bei
der Strahlungsquelle um hell aufleuchtendes Röntgenlicht, hervorgerufen von der
Zerstörung eines Sterns durch ein Schwarzes Loch.
Zum ersten Mal konnte nun das Lichtecho eines solch seltenen und höchst
dramatischen Ereignisses im Detail verfolgt werden. Das zeitlich
hoch-veränderliche Lichtecho führte in diesem Falle nicht nur zur Entdeckung des
stellaren Zerstörungsprozesses, es stellt insbesondere auch eine neue Methode
dar, Galaxienkerne zu kartografieren. Die Astronomen berichten über ihre
Entdeckung in einer kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift Astrophysical
Journal Letters.
Wenn ein Stern von einem Schwarzen Loch zerrissen wird, verteilen sich die
Sterntrümmer in seiner Nähe und werden unweigerlich vom Schwarzen Loch angezogen
und verschluckt. Erst eine Handvoll dieser extremen Ereignisse ist überhaupt
bekannt. Der kurzfristig stark erhöhte Materiestrom auf das Schwarze Loch führt
zu einem plötzlichen Anwachsen der Ultraviolett- und Röntgenhelligkeit, da sich
die stellare Restmaterie stark aufheizt. Während die hochenergetische Strahlung
den Kern der Galaxie durchläuft, erhellt sie Materie, die sonst von Dunkelheit
verborgen bleibt und ermöglicht es dadurch, verschiedene Raumgebiete zu
sondieren.
"Den Kern einer normalen Galaxie zu studieren, ist so, als würde man die New
Yorker Skyline bei Nacht während eines Stromausfalls betrachten: Dabei erfährt
man nicht viel über die Gebäude, Straßen und Parks der Stadt", vergleicht
Stefanie Komossa. "Die Situation verändert sich etwa während eines Feuerwerks.
Genauso ist es, wenn ein plötzlich aufflammender Blitz hochenergetischer
Strahlung eine Galaxie für einen kurzen Moment erhellt."
Allerdings müssen sich die Astrophysiker bei einem solchen Ereignis beeilen
und im richtigen Moment durch das Teleskop blicken, da Strahlungsausbrüche im
Röntgenlicht nicht lange andauern. Aus der Stärke, dem Ionisationsgrad und den
abgeleiteten Geschwindigkeiten der jetzt entdeckten, zeitlich
hoch-veränderlichen Emissionslinien können die Wissenschaftler errechnen, in
welchem Teil der Galaxie man sich gerade befindet. Die Emissionslinien stellen
die Fingerabdrücke einzelner Atome in den heißen Gasen dar, die vom
Strahlungsblitz beleuchtet werden.
Die Galaxie mit dem Katalognamen SDSSJ0952+2143, die von Komossa und ihrem
Team im Dezember 2007 im Archiv des Sloan Digital Sky Surveys entdeckt
wurde, erregte die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler durch besonders starke
Eisenlinien im Spektrum: die stärksten, gesehen im Verhältnis zur
Sauerstoffemission, die jemals in einer Galaxie gemessen wurden. Darin sehen die
Autoren einen Beleg für das Vorhandensein eines molekularen Torus, der eine
wichtige Rolle zum Verständnis des Zentralbereichs von aktiven Galaxien spielt.
Das zur Zeit bevorzugte Modell geht davon aus, dass alle aktiven Galaxien aus
identischen Bestandteilen aufgebaut sind und sich die von uns wahrgenommenen
Unterschiede nur aus den unterschiedlichen Blickrichtungen ergeben, aus denen
man die Galaxien betrachtet. Ein wichtiger Bestandteil des Galaxienmodells ist
der molekulare Torus, der das Schwarze Loch und die Akkretionsscheibe ringartig
umschließt und von bestimmten Beobachtungswinkeln aus auch verdeckt. Auch die
Breite der von Wissenschaftlern messbaren Spektrallinien wird von der
Blickrichtung und damit vom Molekulartorus beeinflusst.
Sollte sich die Vermutung von Komossa und ihren Kollegen bestätigen, wäre
dies das erste Mal, dass Wissenschaftler ein so starkes zeitlich veränderliches
Signal vom Molekulartorus sehen. Durch das Lichtecho könnte der Torus
kartografiert und auf bestimmte Eigenschaften wie etwa seine Größe hin
untersucht werden, die bisher schwer zu ermitteln war.
In die gleiche Richtung weist die Beobachtung von zeitlich veränderlicher
Emission im Licht der Wärmestrahlung: Sie kann als "letzter Hilfeschrei"
aufgeheizter staubiger Materie gedeutet werden, bevor der Staub durch den
Strahlungsblitz schließlich komplett zerstört wird. Neben der ungewöhnlich
starken Eisenemission fiel den Wissenschaftlern eine merkwürdige Form der
Wasserstoff-Emissionslinien auf, die so noch niemals gesehen wurde: Sie liefert
einen Hinweis auf Aktivitäten der Materiescheibe um das Schwarze Loch, die
hauptsächlich aus Wasserstoff besteht. "Höchstwahrscheinlich sehen wir hier
Trümmer des zerrissenen Sterns, die kurz davor sind, von dem Schwarzen Loch
verschluckt zu werden", erklärt MPE-Wissenschaftler Hongyan Zhou, der auch an
den Untersuchungen beteiligt war.
Das Lichtecho in der kürzlich entdeckten Galaxie dauert weiter an und wird
derzeit mit leistungsstarken Großteleskopen weiter verfolgt. Der
Strahlungsausbruch selbst ist inzwischen bereits stark abgeklungen. Schnell
eingeleitete Untersuchungen mit dem Weltraum-Röntgenteleskop Chandra
zeigen zwar noch messbares, aber bereits sehr schwaches Röntgenlicht aus dem
Kern der Galaxie. "Die Kartierung von Lichtechos eröffnet ganz neue
Möglichkeiten der Untersuchung von Galaxien", so Komossas Schlussfolgerung. Auf
diese Weise soll nun die physikalische Beschaffenheit der Materie rund um den
Kern aktiver und inaktiver Galaxien näher erforscht werden.
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