Triebwerk für neue Euro-Trägerrakete getestet
Redaktion / ESA
astronews.com
4. Dezember 2006
Die neue europäische Trägerrakete Vega ist in der
vergangenen Woche einen wichtigen Schritt vorangekommen. Auf einem Teststand auf
dem europäischen Weltraumbahnhof Kourou wurde das größte je in Europa
entwickelte Feststofftriebwerk erfolgreich getestet. Die Vega-Raketen
sollen 2008 erstmals starten und die Sojus und Ariane-Systeme
ergänzen.
Testfeuerung der Vega-Antriebsstufe P80 am vergangenen
Donnerstag in Kourou. Foto: ESA/CNES-SOV |
Auf Europas Raumflughafen in Kourou in Französisch-Guyana wurde am
vergangenen Donnerstag der erste erfolgreiche Heißlauf der Vega-Antriebsstufe
P80 durchgeführt. Es handelt sich hierbei um das größte je in Europa entwickelte
Feststofftriebwerk mit einteiligem, in Faserwickeltechnik gebauten Gehäuse. Die
Antriebsstufe P80 bildet die Erststufe der künftigen ESA-Trägerrakete Vega.
Ihr Triebwerk lieferte über mehr als 100 Sekunden einen durchschnittlichen Schub
von etwa 190 Tonnen (das entspricht etwa einem Drittel einer der beiden
Feststoffzusatzraketen der Ariane-5), für sieben Sekunden wurde sogar ein
Maximalschub von 250 Tonnen erreicht.
"Unsere ersten Testdaten entsprechen ziemlich genau der Kurve, die wir für
den Verbrennungsdruck vorhergesagt hatten", so Antonio Fabrizi, ESA-Direktor für
Raumfahrzeugträgerprogramme. "Die erste Versuchsreihe zur Entwicklung der
Trägerrakete Vega ist hiermit abgeschlossen. 2006 war also ein sehr
ereignis- und erfolgreiches Jahr für unser Programm. Dieses hervorragende
Ergebnis ist ein weiterer wichtiger Vertrauensbonus für den neuen Träger, dessen
Einsatz nun nach Unterzeichnung einer entsprechenden Zusatzvereinbarung mit der
ESA im November von Arianespace vorbereitet wird. Neben den Innovationen
und technischen Errungenschaften des Programms P80 müssen aber auch die
erheblichen Investitionen der Industrie hervorgehoben werden, deren Beiträge
ohne die Zuversicht auf den Erfolg von Vega nicht denkbar gewesen wären",
so Fabrizi weiter.
Bei dem Heißlauf in der vergangenen Woche wurden Daten für über 600 Parameter
gesammelt, um die Funktionstüchtigkeit der vielen neuen Technologien im
Triebwerk genau zu überprüfen. Die Feststoffantriebsstufe P80 baut auf den
industriellen Kapazitäten auf, die bereits beim Bau der EAP, der dreiteiligen
Feststoffbeschleunigungsstufe der Ariane-5, zum Tragen kamen. In dem
Triebwerk, das von der Größe her etwa einem der unteren EAP-Segmente entspricht,
kommen zahlreiche neue Technologien zum Einsatz, die später auch zur
Verbesserung der Kapazitäten und des Preis-Leistungs-Verhältnisses von Europas
Schwerlastträger Ariane-5 genutzt werden könnten.
Das etwa zwölf Meter hohe und im Durchmesser drei Meter breite Triebwerk ist
mit 88 Tonnen Treibsatz gefüllt. Im Gegensatz zu früheren in Europa oder
anderswo entwickelten gleich großen oder stärkeren Triebwerken besteht es nur
aus einem einzigen Treibsatzsegment statt mehrerer gesondert beladener Segmente,
die anschließend noch zusammengesetzt werden müssen.
"P80 hat wie erwartet dem hohen Verbrennungsdruck von über 80 Bar
standgehalten", sagte Stefano Bianchi, Vega-Programmleiter der ESA.
"Trotz der harten Testbedingungen hat das Triebwerk offenbar einwandfrei
funktioniert. Für eine umfassende Analyse der gewonnenen Daten werden wir
allerdings noch etwas Zeit brauchen." Der Probelauf wurde wie frühere Heißläufe
der Ariane-5-Booster auf dem BEAP, dem Prüfstand für
Feststoffzusatzraketen in Kourou, durchgeführt. Das Triebwerk wird nun für
weitere Untersuchungen wieder auseinander gebaut. Einige Bauteile, wie die
Schubdüse, werden hierfür nach Europa zurückgesandt.
Zusätzlich zur Entwicklung der Erststufe für Vega dient P80 auch der
Technologiedemonstration. Beides findet im Rahmen eines eigenen ESA-Programms
statt, für dessen Leitung ein von der französischen Raumfahrtagentur CNES
geführtes integriertes Projektteam verantwortlich ist. P80 wird noch einen
zweiten Heißlauf absolvieren müssen, der voraussichtlich bis Mitte 2007
stattfinden wird. Auch die Triebwerke Zefiro 23 und Zefiro 9 für
die Zweit- bzw. Drittstufe der Vega werden 2007 weitere Probeläufe
absolvieren.
Der Test am Donnerstag ist nicht nur ein wichtiger Schritt für das Vega-Programm,
sondern auch für die europäischen Kapazitäten in der Feststoffantriebstechnik
und bildet den Abschluss der in diesem Jahr für Vega geplanten
Meilensteine. Diese sichtbaren Programmfortschritte ermöglichen darüber hinaus
die endgültige Festlegung des Terminkalenders für die noch verbleibenden
Tätigkeiten und machen somit den Weg für den Jungfernflug der Vega 2008
frei.
An der Entwicklung der für Kleinsatelliten gebauten Trägerrakete Vega
sind sieben Mitgliedstaaten der ESA (Italien, Frankreich, Belgien, die Schweiz,
Spanien, die Niederlande und Schweden) beteiligt. Das Trägersystem besteht aus
drei reinen Feststoffstufen und einem Flüssigtreibstoffmodul für die
Bahneinbringung.
Die Vega ist dafür ausgelegt, Einzel- oder Mehrfachnutzlasten in bis
zu 1.500 Kilometer hohe Umlaufbahnen zu befördern. Ihre
Referenz-Nutzlastkapazität beträgt rund 1.500 Kilogramm in eine sonnensynchrone
Kreisbahn in 700 Kilometern Höhe, sie kann jedoch Satelliten mit einem Gewicht
von 300 Kilogramm bis 2 Tonnen transportieren und "huckepack" Kleinstsatelliten
mitnehmen. Diese breite Leistungspalette deckt die Anforderungen verschiedenster
Anwendungen in den Bereichen Fernerkundung, Umweltüberwachung,
Geowissenschaften, Weltraumwissenschaften, Grundlagenforschung, aber auch der
Forschung und Technologie für künftige Weltraumanwendungen und -systeme ab.
Nach ihrer Qualifizierung wird die Vega von Arianespace
ergänzend zu den Trägern Ariane-5 und Sojus vom Raumfahrtzentrum
Guayana aus kommerzialisiert und betrieben, um den Markt für kleine bis
mittelgroße Satelliten zu bedienen.
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