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Sechs Minuten Schwerelosigkeit
Redaktion / DLR
astronews.com
2. Dezember 2005
Um unter Weltraumbedingungen Experimente zu machen, bedarf es nicht
unbedingt eines Flugs mit dem Space Shuttle oder eines Besuchs der
Internationalen Raumstation ISS. Das zeigte jetzt wieder das
Wissenschaftsprogramm TEXUS von DLR und ESA: Am Donnerstag startete eine
Forschungsrakete von Nordschweden aus und bescherte den beteiligten Forschern
sechs Minuten Schwerelosigkeit für ihre Experimente.

Start der Mission TEXUS EML mit einer brasilianischen
VSB-30-Rakete am 01. Dezember 2005 um 10.04 Uhr MEZ in Kiruna,
Nordschweden. Foto: DLR |
Am Donnerstag, dem 1. Dezember 2005, ist um 10.04 Uhr MEZ von Kiruna in
Nordschweden eine Forschungsrakete im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft-
und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Weltraumorganisation ESA gestartet.
Beide Organisationen führten damit erfolgreich ihre Wissenschaftsprogramme TEXUS
(Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit) fort. Während des
parabelförmigen Fluges in eine Höhe von rund 270 Kilometern herrscht für etwa
sechs Minuten Schwerelosigkeit. Wissenschaftler deutscher Universitäten und der
Industrie nutzen diese, um biologischen, materialwissenschaftlichen und
physikalischen Fragestellungen nachzugehen.
Die drei Experimente der aktuellen Mission "TEXUS EML" liefen weitgehend
automatisiert und beschäftigten sich hauptsächlich mit
materialwissenschaftlichen Fragen. Sie wurden per Datenfernübertragung vom Boden
aus direkt überwacht und bei Bedarf von den Wissenschaftlern über Telekommando
direkt gesteuert. Die in einer zylindrischen, rund drei Meter langen
Leichtmetall-Struktur untergebrachten Geräte landeten planmäßig etwa 20 Minuten
nach dem Start am Fallschirm. Im Rahmen von TEXUS EML kam zum ersten Mal die
neue brasilianische VSB-30-Rakete zum Einsatz.
Hauptnutzlast der Mission war die Elektromagnetische Levitationsanlage (EML).
Mit ihr erforschten Wissenschaftler der Universität Ulm und der Hydro Aluminium
Deutschland GmbH in zwei Experimenten thermophysikalische Eigenschaften von
Metalllegierungen, die von industriellem Interesse sind. So flogen
beispielsweise Titan-Aluminium-Verbindungen, wie sie für Flugzeug- und
Kraftwerksturbinen verwendet werden, mit. In der Schwerelosigkeit sind hier
wesentlich genauere Messungen möglich als in irdischen Labors. Denn hier sind
die notwendigen Haltekräfte und somit störende innere Strömungen in der
flüssigen Metallprobe wesentlich reduziert. Die Forscher gewinnen somit
hochpräzise Daten, die wichtig für künftige Computersimulationen sind. Solche
erlangen bei modernen Herstellungsverfahren eine immer größere Bedeutung.
Ein drittes Experiment wurde vom DLR und dem Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) gefördert und vom Zentrum für angewandte
Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen
durchgeführt. Mit ihm maßen die Wissenschaftler die Strömung einer Flüssigkeit
in einem offenen Kapillarkanal. Die Ergebnisse dieses Experimentes tragen
allgemein zur Beantwortung grundlegender Fragen der Strömungsmechanik bei. Ganz
konkret sind sie von Bedeutung für die Flüssigkeitshandhabung unter
Schwerelosigkeit, wie etwa der Treibstoffförderung in den Tanks von
Raumfahrzeugen und Satelliten.
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