Wie der Wind weht auf Titan
Redaktion / idw / RUB
astronews.com
1. Dezember 2005
Fast ein Jahr nach der erfolgreichen Landung der ESA-Sonde Huygens
auf dem Saturnmond Titan stellen Wissenschaftler nun in einem Sonderheft des
Wissenschaftsmagazins Nature ihre Ergebnisse vor. Eine Gruppe Bochumer
Forscher war besonders an den Windverhältnissen auf dem Saturntrabanten
interessiert.

Huygens landete Anfang Januar auf Titan. Bild:
ESA |
In einem Sonderheft des Wissenschaftsmagazins Nature über die NASA/ESA
Mission Cassini-Huygens berichten Forscher der Ruhr-Universität Bochum um
Prof. Dr. Peter Edenhofer (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik)
gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam erstmals über die Ergebnisse
ihrer Messungen auf dem Saturn-Mond Titan. Bei dem von ihnen durchgeführten
Doppler Wind Experiment (DWE) wurden über den - gewöhnlich in der Akustik
bekannten - Dopplereffekt die Winde in der Titan-Atmosphäre in Abhängigkeit von
der Höhe gemessen. Erwartungsgemäß entsprach die Windrichtung der
Rotationsrichtung des Mondes. Die Windgeschwindigkeiten geben den Forschern
jedoch auch noch Rätsel auf: Sie sind in bestimmten Bereichen sehr niedrig bis
beinahe null.
Bei dem Experiment ging es darum, das Höhenprofil der Windgeschwindigkeiten in
der Titan-Atmosphäre zu bestimmen und bei der bordseitigen Radar-Sondierung der
Oberfläche dieses Mondes mitzuwirken. Das Höhenprofil wollten die
Wissenschaftler ursprünglich über Transmissionsmessungen zwischen Huygens
und dem Saturn-Orbiter Cassini bei ca. 2 GHz ermitteln. Dazu nutzten sie
den physikalischen Effekt der so genannten Dopplerfrequenzverschiebung bei der
Signalverbindung zwischen der ESA-Sonde Huygens als Sender, die an einem
Fallschirm durch die Atmosphäre des Titan flog, und Empfängern auf dem
NASA-Orbiter Cassini bzw. auf der Erde.
Die Daten begleitender bordseitiger Radarmessungen und optischer
Kamera-Beobachtungen erlauben es, Oberflächenstrukturen des "erdähnlichen"
Titans zu erschließen. Die Erwartungen besagten, dass die Oberfläche vermutlich
teilweise aus einem Ozean von flüssigen Kohlenwasserstoffen besteht. Der Titan
wurde vor 350 Jahren von Christiaan Huygens entdeckt. Dieser größte Mond des
Saturn zeichnet sich durch seine erdgeschichtliche Bedeutung aus, da seine
Atmosphäre stark stickstoffhaltig und reich an organischen Verbindungen ist -
was stets Fragen nach der Entstehung des Lebens aufwirft, da auch die Atmosphäre
der Urerde einmal so ausgesehen haben könnte.
"Durch eine kommandobedingte Fehlkonfiguration eines Übertragungskanals
seitens ESA bei dem Empfänger des Cassini-Orbiters der NASA kam die
ursprünglich vorgesehene rein bordseitige Signalverbindung Huygens-Cassini
leider nicht zustande", erklärt Prof. Edenhofer die Geschehnisse bei der Landung
auf Titan am 14. Januar 2005. Daher mussten die Forscher auf Messungen der
Dopplerfrequenzverschiebung des hochfrequenten und extrem frequenzstabilen
Huygens-Signals (erstmals bei einer interplanetaren Mission bordseitige atomare
Rubidium Oszillatoren im Bereich von 2 GHz) zurückgreifen, die direkt an
Bodenstationen auf der Erde aufgezeichnet wurden. Dabei kamen insbesondere das
Green Bank Telescope in West Virginia (USA) und das Parkes Radio
Telescope (Australien) mit Parabol-Antennenspiegeln vom Durchmesser 100
Metern bzw. 64 Metern zum Einsatz. Das Ost-West-Windprofil (zonal) von Titan
wurde mit einer hohen räumlichen Auflösung der Größenordnung von einem Meter pro
Sekunde bestimmt.
Einige Ergebnisse: Maximale Windgeschwindigkeiten von etwa 430 Kilometern pro
Stunde ergaben sich für Höhenbereiche um 120 Kilometer, für die letzten fünf
Kilometer Höhe vor der Landung ergaben sich ca. ein Meter pro Sekunde. Die
zonalen Winde stellten sich erwartungsgemäß als prograd heraus, d.h.
gleichgerichtet zur Rotationsbewegung von Titan. Erstmals wurden Phänomene der
Superrotation in der Titan-Atmosphäre experimentell bestätigt, d.h. es wurden
bereichsweise Windgeschwindigkeiten bestimmt, die größer sind als die
äquatoriale Rotationsgeschwindigkeit von Titan. "In Höhen zwischen 60 und 100
Kilometern wurden überraschenderweise niedrige Windgeschwindigkeiten bis nahe
null gemessen", so Prof. Edenhofer. "Deren physikalische Interpretation befindet
sich allerdings noch im Diskussionsstadium; wir vermuten etwa das Auftreten von
Scherungswinden."
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