ASTEROIDENABLENKUNG
Raumschiff könnte Asteroiden abschleppen
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. November 2005
Irgendwann ist es soweit: Astronomen werden einen Asteroiden entdecken,
dessen Bahn auf Kollisionskurs mit der Erde liegt. Konkrete Planungen für den
Fall der Fälle gibt es bislang nicht. Doch nun haben sich Wissenschaftler der B612-Foundation über eine Abwehrstrategie Gedanken gemacht: Sie wollen einen
Asteroiden mit einem Raumschiff abschleppen und das nur mit Hilfe der
Gravitationskraft.
Ein Raumschiff könnte durch Gravitation einen Asteroiden von
seinem Kollisionskurs ablenken. Bild:
Dan Durda / B612-Foundation |
Dass es passieren wird, ist nach Ansicht der meisten Astronomen sicher, nur
wann, weiß man nicht. Doch irgendwann wird wieder ein Asteroid auf der Erde
einschlagen. Der Schaden, der so ein Einschlag anrichten kann, reicht von einer
globalen Klimakatastrophe bis hin zu lokalen Verwüstungen. Doch allein die
Aussicht, dass ein Brocken von vielleicht nur 200 Metern Durchmesser in ein
bevölkerungsreiches Gebiet stürzt, dürfte manchem den Atem stocken lassen.
Um
genau ein solches Ereignis zu verhindern, sucht die NASA seit einigen Jahren den
Himmel systematisch nach potentiell gefährlichen Himmelskörpern ab. Die
Wissenschaftler der B612-Foundation gehen einen Schritt weiter. Die Mitglieder
der nach dem Asteroiden aus dem Roman "Der kleine Prinz" benannten Gruppe wollen
detaillierte Konzepte entwickeln, um im Falle eines Falles Gegenmaßnahmen
ergreifen zu können. Und Gegenmaßnahmen bedeutet in diesem Fall, den Asteroiden
leicht von seiner Bahn ab- und somit an der Erde vorbeizulenken.
Die aus Hollywood-Spielfilmen bekannten Konzepte, den Asteroiden einfach zu
sprengen, sind dabei nach Ansicht der Astronomen alles andere als geeignet, die
Erde vor einer Katastrophe zu bewahren. "Wir wissen einfach zu wenig über die
Struktur der Asteroiden, um vorhersagen zu können, ob eine Explosion erfolgreich
sein kann oder aber die Situation nur noch schlimmer macht", meint der
NASA-Astronaut Edward Lou, einer der Mitglieder der B612-Foundation in einem
Gespräch mit dem Wissenschaftsmagazin Nature. "Wir brauchen etwas, was
vorhersagbar ist." Zusammen mit seinem Kollegen Stanley Love hat Lu nun eine
Strategie entwickelt, die er für erfolgsversprechender hält: Ein Raumschiff soll
die Bahn des Asteroiden langsam verändern und zwar nur durch seine Gravitationskraft.
Will man den Asteroiden nämlich nicht in kleine Teile sprengen, muss man den
Brocken rechtzeitig ablenken: Je weiter der Asteroid von der Erde entfernt ist,
desto geringer muss die Ablenkung sein. Doch wie stellt man das an? Man könnte,
so eine Idee der Forscher, natürlich eine Art Triebwerk auf dem Brocken
installieren, was durch einen beständigen Schub die Bahn des Asteroiden ändert.
Doch das ist nicht so leicht wie auf den ersten Blick gedacht: Viele Asteroiden
scheinen recht porös zu sein, so dass es nicht trivial ist, ein Triebwerk auf
dem Asteroiden zu installieren. Und es gibt noch ein größeres Problem: Die
meisten Asteroiden drehen sich um ihre eigene Achse, so dass man das Triebwerk
ein- und wieder ausschalten müsste, um eine ständige Ablenkung in eine Richtung
zu erreichen. Und vorhersagbarer wird der Ausgang der Aktion durch diese
Unwägbarkeiten auch nicht.
Lu und Love schlagen daher eine andere Strategie vor: Sie wollen ein
Raumschiff über dem Asteroiden positionieren, das mit seinen Triebwerken gerade
so viel Schub aufbringt, dass es nicht von dem Brocken angezogen wird. Die
Triebwerke wären dabei so montiert, dass sie nicht auf die Oberfläche des
Asteroiden gerichtet sind. Wie der Asteroid beschaffen ist oder ob er rotiert, ist bei
dieser Methode vollkommen egal.
Die Masse des über dem Asteroiden
schwebenden Raumschiffes aber lenkt den Brocken ganz leicht ab. Die beiden
Forscher haben berechnet, dass ein Raumschiff mit einer Masse von 20 Tonnen
einen Asteroiden mit einem Durchmesser von 200 Metern innerhalb eines Jahres
ausreichend ablenken kann, wenn man nur lange genug vorher, in diesem Beispiel etwa 20
Jahre, Bescheid weiß.
Auch im Falle des Asteroiden 99942 Apophis (früherer Name 2004 MN4), der Ende Dezember letzten Jahres
für Aufregung sorgte (astronews.com berichtete), ist frühes Handeln vielleicht besser und billiger: Der
Asteroid wird 2029 die Erde zwar ganz knapp verfehlen, könnte aber bei einem der
nächsten Begegnungen sechs oder sieben Jahre später unserer Heimat gefährlich
werden.
Ob Apophis durch seine Begegnung 2029 auf Kollisionskurs gerät oder
nicht, ist noch nicht vorherzusagen. Sollte es sich aber herausstellen, dass es
in den 30er Jahren gefährlich wird, könnte eine geringe Ablenkung des Asteroiden
einige Jahre vor der Begegnung 2029 jede Gefahr für die Folgejahre abwenden -
und das mit einem relativ kleinen Raumschiff, das nur kurze Zeit über dem
Asteroiden schweben müsste.
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