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Was sollte geschehen, wenn Marsproben auf die Erde kommen?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
28. Oktober 2025
Der Marsrover Perseverance hat zahlreiche Proben
genommen, die mit einer speziellen Probenrückholmission im kommenden Jahrzehnt
zur Erde gebracht werden könnten. Doch was soll dann hier mit dem wertvollen
Material geschehen? Ein internationales Team hat sich nun dieser Frage
ausführlich gewidmet. Beteiligt daran waren auch Forschende aus Göttingen.

Blick in de Probenbehälter von Perseverance.
Bild: NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Der Mars ist ein unwirtlicher und lebensfeindlicher Wüstenplant. Vor
Milliarden von Jahren war das anders. Im Jezero-Krater zum Beispiel erstreckte
sich wohl, gespeist von einem weit verzweigten Flussdelta, eine beträchtliche
Wasserfläche in etwa von der Größe des Bodensees. Dort könnten lebensfreundliche
Bedingungen geherrscht haben. Seit mehr als vier Jahren ist der längst
ausgetrocknete Jezero-Krater der Arbeitsplatz von Perseverance. Der
NASA-Rover führt nicht nur Messungen vor Ort durch, sondern hat bereits 33
Gesteins-, Boden- und Atmosphärenproben entnommen und zum Teil sicher an Bord
verstaut. Eine künftige Mission soll sie zur Erde bringen.
In den vergangenen zwei Jahren hat ein internationales Team aus 21
Forschenden unter Leitung der amerikanischen und europäischen Weltraumagenturen
NASA und ESA ausgelotet, wie mit den Proben von Perseverance aus
wissenschaftlicher Sicht auf der Erde zu verfahren wäre. Zu den Autorinnen und
Autoren, die NASA und ESA aus zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern aus den
USA, Kanada und den 22 ESA-Mitgliedsstaaten ausgewählt hat, zählen als einzige
Vertreter deutscher Forschungseinrichtungen Christian Schröder vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) und Andreas Pack vom
Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. Die NASA hat das Team
vor Kurzem mit dem NASA Group Achievement Award ausgezeichnet. In einem weiteren
Bericht in derselben Zeitschrift gehen Forschende der Frage nach, wie die
Marsproben vor irdischen Verunreinigungen geschützt werden können. Einer der
Koautoren ist Christoph Burkhardt vom MPS.
Die Proben, die der Mars-Rover Perseverance gesammelt hat, enthalten
wertvolle Informationen über die Entstehung und weitere Entwicklung des Mars und
können helfen, die Frage zu klären, ob es je Leben auf unserem Nachbarplaneten
gegeben hat. Messungen, die Perseverance vor Ort auf dem Mars
durchgeführt hat, sprechen dafür, bieten aber keine Gewissheit. "Um mit
größtmöglicher Sicherheit einschätzen zu können, ob es auf dem Mars einst Leben
gab, müssen wir Proben vom Mars auf die Erde bringen und hier untersuchen", so
Schröder. Die vergleichsweisen kleinen und wenigen Messinstrumente, die
Perseverance an Bord trägt, bieten nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Nur
auf der Erde können verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz kommen und nur
hier lassen sich Messungen mit höchster Empfindlichkeit und Präzision
durchführen. "Gesteine und Proben der Atmosphäre vom Mars auf der Erde zu
untersuchen, wird ein neues Kapitel der Marsforschung aufschlagen und uns
helfen, unseren Nachbarplaneten viel besser zu verstehen als wir es heute
können", ergänzt Pack.
Für ihren aktuellen Bericht haben 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
identifiziert, welchen Messungen die Marsproben unterzogen werden sollten, um
ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Die Forschenden hoffen auf neue Erkenntnisse
aus den Bereichen der Planetenentstehung, der geophysikalischen und
geochemischen Entwicklung des Mars und der Astrobiologie sowie auf wertvolle
Hinweise für künftige, möglicherweise auch bemannte Marsmissionen. Zudem klärt
der Bericht praktische Fragen im Umgang mit den Proben: Welche Messungen müssten
so schnell wie möglich erfolgen? Schließlich könnten sich, etwa unter dem
Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff, einige Eigenschaften der Proben
nach dem Öffnen der Probenröhrchen verändern. Und welche Messungen können
nachweisen, ob sogar Leben in den Proben steckt oder eine eventuelle
Biogefährdung ausschließen?
Die Marsproben sollen zunächst in einer Art wissenschaftlichen Auffangstation
aufgenommen werden, der Sample Receiving Facility. Nach Empfehlung des
Teams soll sie mit 18 wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet werden,
darunter Röntgentomograf, Elektronenmikroskop sowie verschiedene
Massenspektrometer. In der Auffangstation würden Mitarbeitende die Proben
zunächst für den weiteren Gebrauch beschreiben und katalogisieren sowie die
mögliche Biogefährdung, die von ihnen ausgehen könnte, einschätzen. Danach
könnten all diejenigen Untersuchungen erfolgen, die zeitkritisch sind.
Eine wichtige Erkenntnis des Berichts: Ein Großteil der wissenschaftlich
notwendigen Messungen soll später außerhalb der Auffangstation in
spezialisierten Laboren erfolgen. Darüber, welche Labore weltweit Teile des
kostbaren Materials erhalten, wird eine Art Bewerbungsverfahren entscheiden. Das
Vorgehen stellt sicher, dass die Proben in die erfahrensten und
qualifiziertesten Hände gelangen. Die Göttinger Forscher hoffen sowohl auf
Gesteins- als auch auf Gasproben von Perseverance.
Die Forschenden um Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität
Göttingen wollen vor allem die Mengenverhältnisse der Sauerstoff-Isotope in der
Marsatmosphäre bestimmen, die zusammen mit den Gesteinen in den Probenröhrchen
eingeschlossen wurde. Isotope sind Spielarten desselben Elements, die sich
allein durch die Anzahl der Neutronen im Kern unterscheiden. Die
Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung der Marsatmosphäre erlaubt Rückschlüsse auf
den Austausch von Kohlendioxid zwischen Oberfläche und Atmosphäre und liefert
beispielsweise Erkenntnisse über die klimatische Entwicklung auf unserem
Nachbarplaneten.
Am MPS liegt der Fokus auf den Metallisotopen in den Gesteinsproben. Ihnen
könnten die Forschenden Informationen über das Alter des Materials entnehmen, wo
im Sonnensystem es seinen Ursprung und wie es sich weiterentwickelt hat.
MPS-Forschende haben auf diese Weise bereits Proben des Asteroiden Ryugu
untersucht. Dafür wird das Material zunächst in Säure aufgelöst und dann in
hochspezialisierten Massenspektrometern analysiert. Da das Probenmaterial bei
dieser Untersuchungsmethode zerstört wird, ist es entscheidend, selbst kleinsten
Materialmengen verlässliche Messergebnisse abzuringen. "Am Standort Göttingen
haben wir die Expertise und die Infrastruktur, um Marsproben auf höchstem
internationalen Niveau zu untersuchen", betont Thorsten Kleine, Direktor am MPS.
Weitere Untersuchungen könnten die Forschenden an anderen Einrichtungen
durchführen. Schröder beispielsweise setzt auf Messungen mit hochenergetischer
Gammastrahlung, die an Teilchenbeschleunigern entsteht. Auf diese Weise ließe
sich der Wechselwirkung von Eisenmineralien in der Probe mit organischem
Material nachspüren.
Ob und wann die Marsproben von Perseverance als Teil einer
gemeinsamen Mission von NASA und ESA zur Erde reisen, ist aktuell unklar. Der
ursprüngliche Zeitplan peilte die frühen 2030er Jahre an, wurde aber in der
Zwischenzeit mehrfach geändert. Die jetzt veröffentlichten Studien sind jedoch
auch für die Vorhaben anderer Weltraumbehörden wertvoll. So bereitet die
chinesische Raumfahrtbehörde derzeit eine eigene Probenrückholmission zum Mars
vor, die das ersehnte Material bereits 2030 zur Erde bringen soll.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Astrobiology
veröffentlicht.
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